Reise reise, Seemann, reise

Es war nicht schwer für einen Mann wie ihn und durch das, was ihm Goldzahn über die Seefahrt schon beigebracht hatte, ein Schiff zu finden, dessen Fahrtroute ihn an sein gewünschtes Ziel bringen würde. Was ihm allerdings schwerer fiel war die Tatsache und das Gespräch mit dem Priester, dass er diesen auf seiner heiligen Mission nicht mehr begleiten konnte. Die Dinge und Prioritäten hatten sich mit einem Mal, oder besser gesagt, mit einem Brief schlagartig geändert, welcher ihm der weiße Rabenvogel übers Meer gebracht hatte. Die Entscheidung stand relativ schnell fest, aber dies machte es nicht wirklich einfacher mit dem Kleriker zu reden, zumal er nicht gänzlich die Wahrheit sagen konnte, selbst wenn er wollte. Dronon war, in seinen Augen, ein mieser Lügner, wenn er sich einmal ertappt fühlte und es war für alle Beteiligten das Beste, wenn gewisse Dinge unter Verschluss blieben.
Mehr als einen Seesack an Sachen durfte er nicht mitnehmen, so dass er am Abend vor der Abreise sehr lange in seinem Zuhause stand und einfach nur nachdenklich vor sich hin starrte. Es gab so vieles, was er ungern hier lassen wollte, andererseits hatte er schon vorher geschworen, dass er für den Piratenkapitän das sein altes Leben in Löwenstein bleiben würde. So waren es letztendlich nur ein paar kleine Utensilien und magische Gegenstände, die er einpackte, ehe er sich von seiner Vitrine und den darin befindlichen Sachen verabschiedete. Viele Erinnerungen an Kämpfe, Abenteuern und Herausforderungen blieben zurück. Viele Momente, in denen er diese Möbelstück, dass ihm so heilig war, verteidigte. Es blieb zurück. Vielleicht für immer, vielleicht aber auch nur für eine lange Zeit. Er wusste es nicht. Und dennoch traf er ein paar magische Absicherungen und beauftragte einen Freund ein Auge auf das Haus zu halten.


Er konnte auf einem kleinen Handelsschiff anheuern. Einem nicht all zu großen, dafür etwas wenigerem und durchaus sturmtauglichem, mit etwas weniger Bewaffnung als es üblich war. Es sollte ausreichen. Es musste ausreichen, denn sämtliche anderen Schiffe, die er abklapperte fuhren nicht seinen benötigten Kurs und er wusste nicht, ob er an anderen Häfen so schnell einen neuen Anschluss oder neue Heuer fand.
Der Nekromant hatte sich auf dem Achterdeck platziert, als das Handelsschiff den Hafen von Löwenstein verließ und beobachtet, wie dieser immer kleiner wurde. Noch eine ganze Weile wurden sie von Möwen und ihrem Gekreische begleitet, als wollten sie ihnen 'Lebe wohl' wünschen, ehe sie schließlich ein Stück weiter auf dem Meer abließen und wieder zurück an Land flogen. Es war, genauso wie beim letzten Mal, ein komisches Gefühl auf einem fremden Kahn übers Meer zu fahren – es fühlte sich einfach falsch an. Er gehörte nur an Deck eines Schiffes. Aber es waren schließlich nur ein paar Tage, dann würde er sich irgendwo absetzen lassen und wäre dann wieder bei seinem, mittlerweile, zweiten Zuhause.


Die ersten Tage und Nächte verliefen relativ langweilig, auch wenn an Bord eher ein beinahe schon familiäres Verhältnis unter den Männern bestand, von dem sich Vaas aber bewusst distanzierte. Wie er merkte, war er aber damit nicht der Einzige. Rylan, der Typ im Krähennest verbrachte, wenn er nicht gerade Schicht hatte, seine Zeit auch lieber für sich und wollte von neuen Geschichten oder Spielen nichts wissen. Wie er erfuhr, war der junge Kerl auch noch nicht lang dabei und man war hier auf dem Schiff sicher, dass der Bursche schon noch auftauen würde. Wie die Männer es letztendlich meinten... es war dem Nekromanten egal.
Durch ein paar gute Tipps bezüglich ihres Kurses, wurde er kurzerhand zum 'Assistenten' des Navigators abgestempelt. Er war kein alter Salzbuckel und das Meer strömt auch noch nicht durch seine Adern, aber er hatte die letzten Wochen mehr als nur Zeit, sich ausgiebig mit den Piraten in Löwenstein zu unterhalten und kannte daher den ein oder anderen groben Kurs und passte mit Darius so eine etwas andere Route an. Und es funktionierte, denn sie hatten in all der Zeit keinen einzigen Schiffskontakt. Alles war recht entspannt.
...bis zum Nachmittag des vierten Tages...


Die Sonne versteckte sich den Großteil hinter Wolken und so herrschte eine durchaus angenehme Temperatur auf Deck. Sie kamen zwar nur langsam voran, da sich auch der Wind arg zurück hielt, aber die Aussicht war dafür recht interessant. Darius hatte eine Route vorgegeben, die an ein paar Formationen von mehreren Kliffküsten vorbei führten. Die hohen Steinerhebungen, welche sich aus dem Meer empor hoben, wirkten wie ein riesiger Rippenbogen eines längst verstorbenen Seeungeheuers. Möwen und Klippenbrüter flogen hoch und in langen Kreisen über den Inseln und die Kolonien waren so riesig, dass sie auch auf die Entfernung hin noch das laute Schnattern und Rufen der Federviecher hören konnten. Ein Paradies für die Vögel, denn hier hatten sie weder Fressfeinde, noch ein Mangel an Nahrung. Vaas war noch nicht lange genug auf den Meeren unterwegs, um schon viele Gebiete zu kennen. Er konnte nur anhand der Karte sehen, wo sie sich befanden und dass sein Ziel noch knapp zwei Tage entfernt war. Gerade war er dabei mit dem Navigator zu besprechen, wie sie am Besten zu der Insel gelangen würden, an derer er gerne abgesetzt werden würde, da erklang von Rylan aus dem Krähennest ein doch unerwarteter Ruf. „Boot voraus!“
Alle merkten auf, denn hier, nahe der Inseln war das Gewässer tückisch und sie hielten schon einen respektvollen Abstand zu dem flachen Riff, dass sich um die Inseln herum erstreckte. Doch mit anderen Schiffskontakt rechnete hier deswegen auch niemand. Darius und Vaas sahen sich kurz an, beide mit einer gelupften Braue und gingen dann gemeinsam weiter nach vorn, um zu schauen. Rylan gab kein weiteres Warnsignal, somit bestand vorerst keine Alarmbereitschaft, dass sie Piraten aufgelaufen wären.
Gemurmel brach augenblicklich auf dem Schiff aus, denn was da im Meer vor ihnen schwamm, war durchaus unerwartet. Ein etwas größeres Boot mit acht Männern darin und scheinbar etwas Proviant, wenn man die wenigen Kisten beachtete, die sich darin befanden. Es fiel sofort auf, dass alle von den Männern elonischer Herkunft waren, so sehr stach ihre dunkle Hautfarbe von dem helleren Hintergrund hervor.
„Bei Seite!“ Nolen, ihr Kapitän, dessen auffälliger Dreispitz mit goldfarbenen Moafedern bestückt war, stapfte lautstark über das Deck, nachdem ihm einer der Pulverjungen in seiner Kajüte über die Sichtung informiert hatte. Ein, für einen Kapitän untypischer, eher kleinerer Mann, den selbst Vaas um ein paar Zentimeter überragte, aber mit solch einer charakterstarken Ausstrahlung und einer sehr bestimmenden und fairen Art an sich, dass die Männer ihn dennoch bedingungslos respektieren und folgten. Er war schon auf dem Meer geboren worden und seine Erfahrungen machten seine Führung nur umso wertvoller. Die Mannschaft machte ihm umgehend Platz, so dass er sich die Szenerie ansehen konnte.


„Bei den Göttern! Rettung!“ schrie einer der Elonier auf dem Boot, und hob die Hände gen Himmel, als wäre er der Überzeugung, diese hätten seine Gebete erhört. Nolen aber blieb skeptisch und musterte jeden Einzelnen von ihnen. Sie wirkten abgewrackt und so als wären sie schon seit Tagen, wenn nicht gar Wochen schutzlos auf hoher See unterwegs.


„Was ist euch widerfahren? Seid ihr schiffbrüchig geworden?“ Statt sofort die Leute anzutreiben, die Männer an Bord zu holen, wollte der Kapitän erst ein paar Antworten. Ihm kam die Sache irgendwo nicht geheuer vor. Aber er war allgemein ein vorsichtiger Mensch, bei dem, was er in seinen über vierzig Jahren schon erlebt hatte.


„Herr, wir mussten aus Elona fliehen und sind seit, wir wissen nicht mehr wie viele Tage oder Wochen, auf See unterwegs und auf der Suche nach Festland. Einem unserer Freunde geht es ganz schlecht. Wir bitten um Eure Hilfe, nur bis zum nächsten Hafen. Wir haben kaum noch Wasser und noch weniger zu essen.“


„Elona, mh?“ Er bliebt hart, wies einige Männer aber an, dafür zu sorgen, dass sie noch langsamer als eh schon voran kamen. Geankert wurde nicht, aber die Seegel zum kleinen Teil gerefft. Auch wenn er vor ihrer Abreise noch mitbekommen hatte, dass eine Welle an Flüchtlingen in Löwenstein 'eingefallen' war, hatte er sich nicht viel darum geschert, sondern seine eigenen Angelegenheiten geregelt. Aber jeder wusste, dass sie aus Elonia kamen, so dass die Geschichte der Männer durchaus glaubhaft erschien. „Dann habt ihr aber ganz schön lange auf See überlebt. Ist ein ganz schönes Stückchen weg von hier.“
„Wir hatten auch mehr an Bord, aber ein Sturm raubte uns den Schutz, unseren letzten Proviant bis auf das, was wir noch bergen konnten. Was Ihr hier seht ist alles, was und noch bleibt. Wir verloren schon drei Freunde und können von Glück reden, dass wir überlebt hatten.“
„Hrrrmmm..“ Nolan brummte in seinen Bart hinein und noch bevor sie gänzlich an dem Boot heran waren, rief er Befehle übers Deck, dass sich alle dran machen sollten, die Männer an Deck zu holen und dass man sie bis zum nächsten Hafen mitnehmen würde. Der Kapitän war zwar hart und kritisch, aber nie herzlos gewesen. So begann man den Eloniern ein Tau zu zuwerfen. Am Anfang durch eine Affenfaust beschwert, flog es zielsicher bis zu den Fremden, während der Rest sich schon wieder an die Arbeit machte.
Vaas selber sah nur zu, fühlte sich nicht verantwortlich mit zu helfen, oder anzupacken. Doch mit dem verbliebenen Auge bemerkte er eine Bewegung weiter weg bei einer der Steilklippen, weshalb sein Schädel herum ruckte.
Ein Schiff, dass vorher durch die Felsen nicht zu sehen war, zeigte sich. Es erinnerte vom Aussehen stark an eine Xebec und Vaas wusste, dass das Schiff durch den schlankeren Bau und geringerem Tiefgang schneller und weniger war als das Handelsschiff Nolans und sich auch sicherer durch flacheres Gewässer bewegen konnte, ohne gleich befürchten zu müssen sich den Rumpf am Riff aufzureißen und auf Grund zu laufen. Keine Flagge wehte am Mast, was nur eines bedeuten konnte....


Da erklang auch schon Rylans markant kratzige Stimme.


„Feindkontakt! Piraten Steuerbord voraus!“

Kommentare 3

  • Unbegleitete männliche Flüchtlinge aus Elona, mh?


    See you in Elona!

  • .. 's müssen Männer mit Bärten sein! *nickt* I <3 Pirate Stories.. !!!+!

  • Vaaaaaas... mach keine Dummheiten!