Lautlos

Wie hinter einem Schleier verborgen, spürte ich, wie das Blut zurück in meine Venen floss. Ich konnte aus den Augenwinkeln erkennen, wie die rötlichen Stellen auf meinem Pelz wieder das alte Silbergrau annahmen, lediglich von Ruß und Schmutz bedeckt und auch die Schmerzen ließen interessanterweise nach. Ich wagte es den Blick zu heben. Der Kämpfer der Flammen-Legion zog seine Klinge von mir zurück. Langsam. Äußerst langsam. Wie in Zeitlupe, dachte ich. Erst, als ich erkannte, wie mein Feind sich langsam und Schritt für Schritt nach hinten bewegte wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Neben mir zog die die umherfliegende Asche sich nach oben zurück, statt zu Boden zu rieseln. Es hatte etwas Tröstliches zu wissen, dass so weitere Flecken auf meinem Fell verhindert werden könnten. Ein absurder Gedanke in diesem Moment, dessen war ich mir bewusst. Der Feind war direkt vor mir. Ich taxierte ihn. Doch anstatt, dass er mit gezogenem Schwert auf mich zu rannte, senkte er die Klinge mit jedem weiteren Schritt, den er nach hinten tat. Ich erkannte wie seine Lefzen sich bewegten, wie sein Maul auf und zu klappte und wie er gierig nach einem Kampf seine Muskeln anspannte. Doch nichts davon erreichte mich. Weder ein Angriff, noch sein Brüllen. Mir wurde bewusst, dass gar kein Geräusch an meine Ohren drang. Nicht die Rufe der Schlacht. Nicht der laute Knall der Mörser und auch nicht das klagende Wimmern der Fallenden – obwohl diese Dinge doch deutlich um mich herum sichtbar waren.
Es war, als stünde ich in einer Geschichte und wäre fernab davon wirklich beteiligt zu sein.
Etwas stimmte nicht.


Das erste, was ich wie aus weiter Ferne wieder vernehmen konnte, war die dumpfe Stimme meines Legionärs. Er stand keine fünf Meter zu meiner Linken und mein Blick traf auf seinen. Was er rief blieb mir unverständlich. Es war, als würde er in einer fremden Sprache mit mir sprechen, gepresst, so als würde mir jemand die Ohren zuhalten. Doch musste ich nicht lange raten, bis ich erkannte, wie er vor Schmerzen schrie. Die Worte, die der alte Charr von sich gab, waren wohl die Letzten, die er je von sich geben würde. Aber nein. Der Flammler, der eben noch das Schwert durch seine ohnehin marodierte Schulter stieß, ließ von meinem Legionär ab. Er zog die Klinge sogar zurück. Zurück aus der blutenden Wunde und wie bei meinem Gegenüber, trat er langsam zurück. Die Schritte, die nach vorn gehen sollte, brachten den Unrat nur weiter von meinem Vorgesetzten weg. Es war abstrakt und unwirklich.
Etwas stimmte nicht.


Endlich erfasste mich wieder der Blick des alten Charr. Langsam senkte sich sein Unterkiefer und erhob sich, doch konnte ich die Worte noch immer nicht verstehen. Er sprach tatsächlich in einer anderen Sprache. Eine, die ich nicht identifizieren konnte. Selbst die Art, wie er es sprach war für mich nicht zu identifizieren. „!lhefeB nie tsi saD !tadloS, guzkcüR“, wiederholte er immer wieder.
Ich unterdrückte das Verlangen den Kopf zu neigen, um zu signalisieren, dass ich nicht verstand.
Etwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.


Die Zeit blieb stehen.
Kein Geräusch, keine Bewegung. Selbst die Ascheflocken um mich herum bewegten sich nicht mehr. Nichts. Absolute Stille.
In diesem Moment traf mich der Schlag der Erkenntnis wie die Wucht eines Kriegshammers: Alles stimmte. Nur nicht in der richtigen Reihenfolge. Alles, was meine Sinne erfassten, verlief umgekehrt. Rückwärts. Und ich brauchte nur die Länge eines Herzschlags, um mir darüber Klarheit zu verschaffen. Das Bild bewegte sich wieder. Vorwärts.


„Rückzug, Soldat! Das ist ein Befehl!“, hörte ich nun das Brüllen des Legionärs. Seine grünen Augen lagen fest in meinen. Die Kriegsgeräusche drangen an mein Ohr, doch hatte ich keine Zeit mir dem bewusst zu werden. Ich erblickte gerade noch, wie ein Charr der Flammen-Legion auf meinen Vorgesetzten zustürmte und seine Klinge sich tief in seine Schulter bohrte. Unter einem lauten Aufschrei und einem Jaulen, das mir das Mark erzittern ließ, sackte der Alte auf seine Knie.
Trotz meiner Starre, erkannte ich eine Bewegung. Ich drehte den Kopf nach vorn, doch war es bereits zu spät. Ein weiterer Flammler stürmte schon mit beachtlicher Geschwindigkeit auf mich zu. Er hob seinen Schwertarm und senkte ihn sogleich wieder, als seine Front fast meine berührte.
Ich wollte brüllen, als ich den Schmerz erwartete. Dieser blieb jedoch, aufgrund des Schocks, aus. Genau wie der Laut, der meine Kehle verlassen sollte