Das Stimmengewirr drang an meine Ohren. Einige Worte vernahm ich lauter, als andere. Ich ließ den Regen der Laute auf mich einwirken und gab mich völlig dem Gefühl des Dämmerzustandes hin.
Nur ein Traum. Die Flammen-Legion, mein Legionär, der Angriff – nichts davon war der Wirklichkeit entsprochen? Oder doch? Ich kniff die Augen zusammen und versuchte mich zu erinnern. Unbewusst wälzte ich mich auf den Fellen, in denen ich lag, hin und her. Ich war unruhig und wissbegierig auf die Antwort auf die Frage, wo ich mich befand und wo mein Trupp in diesem Moment war. Es waren eindeutig zu viele Stimmen, um sie auseinander zu halten, zumal ich nichts von dem wirklich verstand, was um mich herum gesprochen wurde. Die Stimme meines Legionärs, welche in meinem Kopf noch immer brüllte, war einfach zu laut.
„… glaub, sie wacht auf!“, war das Erste, was ich wirklich aufnehmen konnte. Die Charr rief dies immerhin direkt neben meinem Kopf. Sie war keinen halben Meter von mir entfernt und ich konnte ihren Geruch aufnehmen. Kräuter konnte ich erschnüffeln und diesen widerlichen Gestank nach diesen Bandagen. Doch haftete noch eine andere Note an ihr. Etwas, was mir nur zu vertraut war, stieg mir doch dieser metallische Duft mehr, als einmal in meine Nase: Blut. Ich wollte mich aufsetzen, doch war mein Körper wie gelähmt. Ich konnte mich kaum bewegen. So wagte ich immerhin meine Augen zu öffnen, obgleich ich nichts erkennen würde: Meine gesamte Sicht war verschwommen, gerade so, als würde man versuchen etwas unter der Wasseroberfläche zu erkennen. In dem Moment, als die Sicht langsam klarer wurde, beugte sich eine weitere Gestalt über mich. Ein männlicher Charr, von dem ich erkennen konnte, dass sein Fell einen hellen Sand-Ton aufwies und er interessanterweise einen Geruch an sich hatte, welcher mich an die Zuckerrüben auf dem Feld in den Ebenen erinnerte. Etwas so widerlich Süßes. Allein das war Grund genug, dass ich mich abwenden wollte, doch hielten seine Pranken meinen Kopf fest und sein Gewicht lag so nah an meiner Brust, dass ich nicht im Stande war mich zu bewegen, selbst wenn ich es gekonnt hätte.
„Hau‘ mich einer mit der Keule, die ist tatsächlich aufgewacht“, stellte er fest, doch war diese Aussage nicht für mich bestimmt, sondern für das Weibchen, welche noch immer neben meinem Kopf kniete. Wo verflammt noch mal, war ich? Das musste ich jetzt herausfinden. Ich wollte mein Maul öffnen, um mich zu verständigen, doch war dies dem Männchen genug, dass eine Pranke meinen Kiefer direkt festhielt. „Nicht reden! Hast ziemlich was abgekriegt, Kätzchen. Halt lieber dein Maul, sonst reißen die Nähte“, brummte er. Nähte? Was für Nähte? So oder so, mein Instinkt sagte mir, dass es besser war, seinen Worten Glauben zu schenken. Ich schloss mein Maul wieder und seine Pranken ließen von mir ab. Wer auch immer die Beiden waren, was auch immer sie vorhatten, ich hatte keine Kraft, um mich zu wehren, selbst wenn ich mich hätte bewegen können. Ich drehte den Kopf zur anderen Seite, weg von dem Weibchen und blickte mich um. Zu meiner Rechten lag ein weiterer Soldat, dem ziemlich übel mitgespielt wurde. Sein einstiges Fell war verbrannt und riesige, dunkle Krusten zeichneten sich unter den alten, zerfledderten Bandagen an seiner Schulter ab. Ich hörte, wie schwach er atmete und konnte spüren, wie er um sein Leben kämpfte. Meine Sinne schärften sich also wieder, wenn ich das erkennen konnte. Der Kräuterduft stieg mir erneut in die Nase und die Stimmen wurden klarer. Hier rief jemand nach irgendwelchen Mitteln, da brüllte jemand vor Schmerzen und in weiterer Entfernung erkannte ich, wie mehrere Charr sich über einen weiteren beugten, der in den Fellen lag. Ich war in einem Lazarett. Dem vermutlich Schlechtesten, welches mir je unter gekommen war, aber immer noch besser, wie in der Gewalt der Goldenen.
„Hey!“, rief das Weibchen wieder, auch wenn ich mir sicher war, dass meine Reaktion darauf etwas zeitverzögert gekommen war. Sie starrte mich bereits an, als ich den Blick langsam zu ihr wendete. Wann hatte sich das Männchen denn neben sie gesetzt? Ich muss die Beiden ziemlich verwirrt angesehen haben. Nicht verwunderlich, hatte ich doch mehr wie ein Dutzend Fragen. Zum Beispiel, wo sich mein Trupp befand oder wie ich hier her gekommen war. Wo auch immer genau „hier“ sein mochte. Bevor sie weitersprach, nahm ich mir die Zeit die Beiden genauer in Augenschein zu nehmen: Das Weibchen trug einen dunkelgrauen Pelz. Recht einfach, ohne jegliche Musterung. Bis auf die rötliche Färbung an ihren Pranken. Daher also der Geruch des Blutes, dachte ich. Vom Alter her, glaubte ich zu erkennen, war sie nur ein paar Jahre älter, als ich es war. Die grünen Augen hatten etwas von einem Jungen. Verschmitzt und so neugierig. Ganz im Gegensatz zu dem Männchen, der deutlich älter war. Viel Zeit, bis er seinen Dienst getan hatte, würde wohl nicht mehr vergehen. Narben zogen sich quer über seine Schnauze. Neben den weißen Flecken auf seinem sandfarbenen Fell, waren diese auch die einzigen Musterungen. Selbst seine Hörner zeigten Risse und Splitterungen, welche von der dunklen Mähne ablenkten. Blassblaue Augen, die bereits so viel von der Welt gesehen hatten, starrten auf mich herab und – wieso auch immer – hatten sie etwas Beruhigendes an sich. Er arbeitete in diesem Lazarett, das sagte mir eine innere Stimme.
„Also pass‘ auf“, brummte das Weibchen und winkelte den Kopf um eine Idee an. „Kremm Nadelsplitter vom Nadel-Trupp. Das neben mir ist Arnbra Nadelheil“, womit sie mit einem Rucken des Kopfes zu dem alten Männchen deutete. Zu diesem blickte ich noch einen Moment und erkannte, wie er mir zunickte. Ich erwiderte dies, doch wusste ich nicht, ob ich mich genug bewegte, als das man dies wirklich erkennen konnte. Ich blickte wieder zu Kremm, in Erwartung, dass sie weiter sprach, um vielleicht vorab einige meiner Fragen zu beantworten. Sie schien meine Gedanken zu lesen. „Wir sind als Versorgungsnachschub geschickt worden. Glücklicherweise. Einer der Blut-Soldaten hat dich aufgesammelt und hergebracht, sonst hätte man deinen Arsch schneller in den Nebeln gefunden, als dir lieb gewesen wäre. Ein Wunder, dass du überhaupt wieder aufgewacht bist. Merken wirst du nicht viel, Arnbra hat dich ziemlich mit Schmerzmittel abgefüllt“. Ich verstand immer noch nichts. Schmerzmittel? Gegen was denn? Bis auf, dass ich mich ziemlich müde fühlte, tat mir nichts weh und ich fühlte auch keine Beeinträchtigungen. Soweit ich das beurteilen konnte, waren noch alle Klauen und Pfoten vorhanden. Selbst meinen Schweif konnte ich um wenige Zentimeter bewegen – der war also auch noch vorhanden. Was auch immer mir fehlte, ich war derzeit erleichtert, dass es nichts war, was auf Dienstuntauglichkeit hinauslief. Wie auch immer, ich nickte Kremm zu, um mein Verstehen zu signalisieren.
„Gut“, war die schlichte Antwort, als sie mein Deut erkannte. Sie erhob sich und ich verfolgte ihre Bewegungen mit den Augen. Von unten gesehen, wirkte das Weibchen ziemlich groß. Größer, als normale weibliche Charr, doch konnte es sich hier auch nur um eine Täuschung handeln, ob meiner Lage.
„Wir wechseln später deine Verbände. Bis dahin: Nicht reden, nicht bewegen, Kätzchen. Am besten, du schläfst einfach noch ein, zwei Runden. Schaden kann’s nicht und du musst das hier heilen lassen“, erklärte nun das Männchen und deutete mit einer Klaue auf meinen Hals. Auch er richtete sich auf und wandte sich zusammen mit Kremm ab, um zu einem der anderen Verletzten zu gehen, unweit von mir weg.
Worauf hatte er da gedeutet? Ich sammelte meine noch vorhandenen Kräfte und schaffte es, meinen linken Arm zu heben, auch wenn dieser bereits auf meinem Bauch wieder schlapp abgelegt wurde. Allein dieses Vorhaben grenzte an dem Unmöglichen. Doch musste ich es wissen. Mit Willenskraft und Anstrengung, ließ ich meine Pranken über meinen Magen nach oben wandern. An der Brust konnte ich bereits den dünnen Stoff fühlen, welchen ich von den Bandagen her kannte. Das Gefühl änderte sich ab dem Brustbein: Der Stoff war feucht und ich konnte ertasten, was sich darunter befand. Ich spürte die dicken Fäden, welche die Wunde zusammenhielt. Allein das reichte, um mir einen Schreck zu verpassen. Dieser hielt an, als ich ertastete, wie weit die Nähe gingen: Sie schlängelten sich oberhalb der Brust entlang, über meine komplette, rechte Halsseite. Ich weitete meinen Blick und fragte mich, was diese Flammler mir da eigentlich angetan hatten .Bis zum Kinn steckte ich in diesen nassen Bandagen und konnte erfühlen, wie die Nähte direkt an meinem Hals zunehmend dicker wurden. Hier musste jemand mehr, als einmal arbeiten. Den letzten Faden fühlten meine Klauen an meinem Unterkiefer. Ich spürte, wie ich zu zittern begann. Die Anstrengung und all die Eindrücke verlangten gerade viel zu viel von mir ab und ich fühlte mich zunehmend unwohler. Ich musste jemanden fragen, was mit mir passiert war. Entgegen der Ratschläge, öffnete ich wieder mein Maul und versuchte nach einem der umherstehenden Charr zu rufen, um mich zu erkundigen. So sehr ich mich anstrenge, kein Ton verließ meine Kehle. Und nicht einmal ich war im Stande meine eigenen Geräusche zu hören. Ich zählte eins und eins zusammen und mir wurde klar, dass die Verletzung an meinem Hals schlimm genug war, um mir die Stimme zu nehmen. Hoffentlich nicht für immer.
Kommentare 1