Du erinnerst mich sehr an dich selbst.
Das ist kein Kompliment. Die Bemerkung, nur auf den ersten Blick unsinnig, trifft mich. Ich treffe auch, in diesem Fall den Spiegel. Ein Muster aus Spinnweben huscht über die kalte Oberfläche, Eisblumen am Fenster, ein verästeltes Netz pochender Adern, fein ziseliert; der Künstler in mir ergötzt sich für einen Lidschlag daran - es ist so hübsch! -, der Pragmatiker und der Realist schlagen in synchron erfolgter Spontanverzweiflung die Hände über den Köpfen zusammen - das kannst du dir nicht leisten -, und das zornige, verletzte Kind ist verwirrt und verängstigt. Klirr. Und weg bist du.
Du? Wer (b)ist du...wer bin ich?
Das ist ein verdammter Scherbenhaufen. In jeder Hinsicht.
Was soll ich machen? Was soll ich denn jetzt bloß machen?
Einen Anfang finden, ja. Mich finden. Jeder Weg beginnt mit einem Anfang. Schritt für Schritt. Aber gefühlt habe ich Bleigewichte an den Füßen und das Laufen verlernt, gegenwärtig kann ich gerade einmal kriechen und auch das nur leidlich.
Du machst genau so weiter...
...Ich hebe den Kopf und blicke in das leere Grab, den nackten Rahmen, der bis vor zwanzig Sekunden den schlichten Spiegel beherbergt hat. Der mir ein Gesicht gezeigt hat, das doch unmöglich meines gewesen sein kann.
Ich war immer schön. Falsche Bescheidenheit ist so lästig wie das notwendige Übel, das sich 'Schlaf' schimpft - Zeitdiebstahl und Kontrollverlust. Ich war immer schön, hatte meistens die Kontrolle und was ich dort in dieser grausamen Oberfläche aus blank poliertem Glas gesehen habe, war nicht schön. Das kann nicht mein Gesicht gewesen sein.
Doch. Das war wohl der Fall. Jetzt ist da nur noch wohltuendes Nichts, doch meine Augen brennen nach wie vor. Meine Hand schmerzt ebenfalls und die Welt geht...oh...auf und ab und auf und ab...
Ich muss hier raus. Dieser Raum erdrückt mich, die Luft kann ich kaum atmen und die Stille, früher so genossen, macht mich fertig, wirklich wahr. Ich kann es kaum zugeben, will das nicht zugeben, aber ich brauche...Leute. Menschen, Norn, Sylvari, redende Papageien, irgendetwas, irgendjemand. Ganz egal, Hauptsache, man spricht mit mir. Ich brauche Hilfe.
Wenn Hass Sand wäre, dann bin ich die Wüste.
So war's früher und die Vorstellung, jemanden zu bitten...zu fragen...da raus zu gehen...
Das ist...ekelhaft. Ich kann das nicht. Ich kann nicht!
Dann bist du ganz am Ende angelangt.
Dieses schwache, jammervolle Geräusch, das an eine dumme Maus in der Falle erinnert. Das kommt von mir. Ich bin das. Und jetzt wird die Welt zum Kaleidoskop. Prismen schimmern, ich schmecke Salz. Sonnenstrahlen und Lichtbündel, meine Sicht in Felder zerteilt. Am Ende.
Ich fahre mir durch das Gesicht, vage die Tatsache zur Kenntnis nehmend, dass Schmutz, Schweiß, Straßenstaub - die Pestilenz der Realität! - daran haften bleiben werden und wende mich besiegt ab. Sogar mein Spiegelbild ist kaputt. Genau wie ich. Ich muss das reparieren, irgendwie.
Ich ziehe mir die Stiefel an, verstaubt, verschrammt, die Sohlen völlig hinüber und mache einen wackeligen Schritt. Noch einen. Beine aus Wasser. Ich lerne Laufen und fange...draußen damit an.
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