Freund oder Feind II


Er rutschte kein Stück, wusste er doch wie unangenehm ihr seine Nähe gemeinhin war, und genoss genau das. Ein klein wenig rückte sie tatsächlich zur Seite und tat so als läge es an dem engen Korsett, welches ihr nicht erlaubte sich gemütlich neben ihm auf den Schemel zu setzen. Seine hellen Töne schrillten mit Vehemenz gegen ihr dunkles schönes Spiel an, wurden aber leiser als ihre musikalische Gabe auf ihn zu wirken begann. Er schätzte diese Art dunkler Musik, war immer weniger bestrebt, es zu zerstören. Viel mehr lauschte er nun und schließlich presste er keine Taste mehr nieder. Ihr Blick senkte sich auf die Tasten und sie gab ihm die Möglichkeit die ersten vorzugeben. Irgendwann schloss sie ihre Augen und übernahm das Elfenbein auch auf seiner Seite des Klaviers. Leicht wiegte sich der Lockenkopf, sogar die schlanke Statur der jungen Komtess, zu den Klängen des melodisch düsteren Stücks. Sie störte sich nicht mehr daran, dass er neben ihr saß und jede Faser ihres Körpers widmete sich der Musik. Der Druck ihres Schenkels gegen den seinen verstärkte sich immer dann, wenn sie der Melodie hier und da die nötige Tiefe, den Hall verleihen wollte, welcher das Stück besonders machte. Der Raum in dem sie sich befanden, füllte sich mit Musik - wand sich durch das Zimmer um schließlich nach einer Reise zum Giebeldach, wieder bei Ihnen anzukommen. Das Lied griff nach ihm, berührte ihn irgendwo tief in seinem verdorrten Kern und längst war jedes Bestreben dieser magischen Entfaltung entgegen zu wirken erloschen. Sie spürte es, merkte die Faszination die er zuließ, die er empfand und spürte den Blick der sich auf sie legte. Er betrachtete die Pianistin in ihrer stillen Eintracht mit der Melancholie, die falsche Witwe, die das Requiem für ihn spielte. Doch dann kam der Augenblick, indem es ihm nicht mehr behagte, dass sie ihn so für ihr Spiel gefangen nahm und er legte seine Finger auf das Elfenbein. Er rief diesmal keine Dissonanzen hervor, sondern überzog Taste um Taste mit seinem Grabesfrost, machte sie stumm und leblos, damit sie ihn nicht mehr mit der Musik verzaubern konnte. Die Kristalle bildeten sich zuerst auf den hellen Tönen, liefen dann aber fort zu den dunklen, geradewegs auf ihre Finger zu, die den kalten Hauch bereits gespürt hatten, bevor er seine Finger auf das Elfenbein gesenkt hatte. Die Innigkeit des Moments zwischen den beiden, sollte abrupt beendet werden. Gerade wo die Musik begonnen hatte, sie zu vereinen und auch sein modrig, schwerer Duft nach Erde sich mit ihrem blumig, trägen Parfüm nach Nachtblumen zu einer Symbiose wandte, hob sich ihr Finger von der letzten Taste und sie bedachte den Anblick der Magie mit einem leisen, lautlosen Seufzer. Das Bild eines frischen Wintergrabes war perfekt. Raureif, gar kleine Zapfen legten sich auf das Elfenbein und verstummten das Instrument.


Kommentare 13

  • Das schmilzt dann doch und läuft in die Tastenzwischenräume und dann verzerrt sich das Innenleben und dann ist das Klavier Schrott! So weit denkt der Mann ja nicht. Nur weil ein Klavier schimmelt, ist es kein Klavier von Schimmel.


    War mal was andres. Hab mir aber selber Musik in den Kopf gemacht, den Liedlink hab ich nicht angeklickt da da ich das Lied bisschen overused/uberdramatisch finde und das von der von der Schreibkunst geschaffenen Atmosphäre ablenkt. :p

  • *knackst mit den Fingern* Marlene gehts gut? Gut. Wehe wenn nicht, Freundchen!

  • Der lässt die nie wieder für sich Klavier spielen, so viel steht fest!


    Nein, aber im Ernst, war eine tolle Szene!

  • Marlääään.... ich hab Gänsehaut

    • Jaja.. Die RP Ausschnitte sind manchmal einfach.. gruselig schön! ❤

  • Man spürt es beim lesen kühl werden...