Schnitzeljagd

Irgendetwas war anders, als Lucius die Haustür aufschloss. Es war dunkel im Haus und eigentlich sollten Arla und Rosalie doch hier sein. "Hallo?" rief er ins Dunkel, doch er erhielt keine Antwort. Die Stirn legte sich besorgt in Falten und mit schnellen Schritten durchmaß der großgewachsene Kerl die dunkle Wohnküche. Der Löwe verzichtete darauf Licht zu machen und nahm immer zwei Stufen auf einmal die Treppe hinauf. "Arla? Röschen? Hallo?"


Auch im Wohnzimmer war niemand. Hier entschied er sich dann doch dazu ein Licht zu machen und als der Raum letztlich erhellt wurde, stand er wie vom Donner gerührt inmitten von unzähligen roten Rosenblütenblättern die den Fußboden bedeckten. Die rünen Augen durchforsteten das Wohnzimmer analytisch. Auf dem niedrigen Tisch lagen ebenfalls Blütenblätter und in der Mitte stand ein Rosenstrauß mit mindestens dreißig langstieligen Rosen. Ein Kärtchen lehnte an der Vase und Lucius nahm es zur Hand. Er öffnete den Umschlag und las die handgeschriebene Botschaft.



"Mein Herz,
ich erwarte dich am Portal.
Deine Arla"



Am Portal? Was hatte das Reh denn nun ausgeheckt? Er lachte leise, schob die Karte in seine Hosentasche und schüttelte sachte den Kopf. Er hatte immer wieder Überraschungen für sie im Sinn und es scheinbar bekam er nun etwas wieder. Sie spielte ihm den Ball einfach zurück.


Wider Erwarten traf er Arla jedoch nicht am Portal, sondern das rothaarige Mädchen welches im Haus seines Vaters lebte. Meryl begrüßte ihn wie immer sehr zurückhaltend und höflich, jedoch mit einem gewitzten Schmunzeln auf den Lippen als sie ihm einen weiteren Umschlag überreichte. Er öffnete das Kuvert und las die Zeilen, die wieder in Arlas geschwungener Handschrift verfasst waren.



"Mein Herz,
durch das Portal und dann geradewegs zum Strand.
Deine Arla"



Er durchschritt das Portal nachdem auch dieser Umschlag in seiner Tasche verschwand und wie die Botschaft verlangte, führte ihn sein Weg direkt zum Strand. Dort angekommen wiesen ihm Pfeile aus Steinen gelegt und mit Rosenblättern verziert den Weg durch den weoßen Sand. Teilweise waren die Blütenblätter vom sanften Wind bereits aufs Wasser getragen, wo sie sachte auf den Wellen schaukelten. Kopfschüttelnd folgte er diesen Wegweisern, bis er an sein vermeintliches Ziel gelangte. Dort, an einem umgedrehten und langsam vor sich hin rottenden Boot, hing ein weiteres Kuvert. Er öffnete auch dieses und las Folgendes.



"Mein Herz,
sieh nach oben.
Deine Arla"



Er legte den Kopf in den Nacken und dort auf einem Felsvorsprung stand sein Reh. Sie lächelte zu ihm hinunter und winkte ihn nach oben zu sich. Sie hatte sich hübsch gemacht, das Haar fiel in weichen Wellen auf die schmalen Schultern und es steckte eine Blume hinter dem Ohr. Ein blaues Kleid umspielte locker ihren Körper und die Farbe schmeichelte ihren ebenfalls blauen Augen sehr. Oben angekommen erwartete den Löwen eine stürmische Umarmung und ein dicker Kuss und als seine Verlobte ihn endlich wieder frei gab, ein romantisch gedeckter Tisch für Zwei. Mitten auf einem Felsvorsprung am Strand, ein mit Kerzen in silbernen Leuchtern, silbernen Platztellern, einer weißen Damasttischdecke und Rosenblüten geschmückter Holztisch. Die beiden Stühle dazu trugen Hussen aus dem gleichen Damast wie das Tischtuch.
Nachdem sich das Paar gesetzt hatte, sah das Reh die Frage im Blick ihres Liebsten. Sie lächelte einfach nur, bevor sie erklärte: "Weißt du es wirklich nicht? Es ist eine ganz einfache Sache. Ich liebe Dich." Kaum waren die Worte gesprochen, tauchte plötzlich ein Kellner mit einem Servierwagen auf. Der Mann hatte Mühe, das Wägelchen über den unwegsamen Grund zu bugsieren und dennoch schaffte er es ohne das Menü für die beiden Turteltauben zu zerstören.


Sie aßen und lachten, tranken Wein und die Sonne versank langsam glutrot im Meer, tauchte die ganze Szene in ein rot-goldenes und warmes Licht. Nachdem der letzte Gang serviert war und die zweite Flasche Wein sich dem Ende neigte, zog sich der zurückhaltende Ober diskret zurück. Arla ergriff die Hände des Löwen über den Tisch und sah ihn im Kerzenlicht einfach nur eine Weile schweigend an. Sie beide genossen das Gefühl der Zusammengehörigkeit und es bedurfte auch keine Worte zwischen ihnen, als sich beide zur gleichen Zeit erhoben und eng umschlungen am Strand in Richtung Handelskontor schlenderten.


Später in der Nacht schlüpfte sie aus dem Bett und schlich ans Fenster. Sie blickte zum Mond und schickte ein Lächeln hinauf. Jeden Tag bewies er ihr, daß sie zusammen gehörten und Arlassias Herz drohte zu zerspringen voll von tiefer, inniger und wahrer Liebe.
Das nächste was sie spürte, war sein warmer Körper der sich an ihren Rücken schob, seine Lippen die ihren Hals liebkosten und seine Hände, die sie sanft zurück zur Bettstatt dirigierten.

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