Nie ganz normal I

„Emma?“ Die Stimme des Mädchens war aufgeregt. Laut rief sie nach der Freundin, die sie auf dieser Insel gefunden hatte. Und dieses Mädchen, so anders als Tabitha selbst, mit heller Haut, blonden, langem Haar und strahlend blauen Augen, sie war ihre beste Freundin geworden. Mit ihr konnte man alles erleben, sie lies sich so schnell begeistern für Tabithas kleine Abenteuer – und so sollte sie auch die erste sein, die von dem Boot am Strand erfahren sollte, das dort angespült worden war. Tabitha hatte sich längst ausgemalt, von wo dieses Boot stammen könnte, wer darin gesessen haben musste und was den Menschen widerfahren war, die ja nun nicht mehr in dem Boot waren. Gefangene waren sie gewesen, gefangen auf einem Schiff, dass von Wesen besetzt war, die seit Jahrhunderten tot waren, gestorben durch Hungersnot. Gegenseitig das Fleisch von den Knochen hatten sie sich gerissen bis nichts mehr übrig geblieben war und die Seemänner als untote Skelette über das Meer reisen mussten, immer auf der Suche nach etwas zu esssen. Und die drei Unglücksraben, die nun Gefangene auf dem Schiff waren, ihnen drohte das gleiche Schicksal. Doch sie konnten sich befreien, denn einer der Untoten hatte einen Finger verloren, mit dem die Gefangenen ihre Käfige aufsperren konnten und flohen, des Nachts, leise. Und sie flohen auf dem Rettungsboot, wähnten sich in Sicherheit, doch dann kam der Sturm. Drei Meerjungfrauen ist es zu verdanken, dass sie nicht ertranken, denn sie zogen sie mit sich in die Tiefe des Meers, küssten sie und hauchten ihnen dabei Luft ein. Doch es machte die Gefangenen ebenfalls zu Meermenschen und so hatten sie Glück im Unglück, und doch kein Glück, denn sie wurden Gefangene des Meeres. Doch das war doch tausend mal besser als untot. Ja, die Geschichte würde Emma gefallen.


„Emma!“ rief sie erneut, ihre Beine trugen sie schneller den Hügel hinauf, hinter dem sie ihre Freundin vermutete. „Emma, komm schnell, ich muss dir etwas zeigen.“ Doch hinter dem Hügel war nicht nur Emma. Drei Jungs, Tabitha kannte sie aus der Schule, sie standen um Emma herum. Das blonde Mädchen hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und weinte. Der größte und älteste von den Jungs lachte lauter als seine zwei Nachläufer und stieß das Mädchen gegen die Schulter. „Heul nicht und hol uns endlich das Geld von deiner Großmutter. Wenn du es jetzt nicht holst holen wir es uns. Und wir sind nicht so nett zu der alten Frau!“ Jago war sein Name. „Nein.“ weinte Emma. Mit festen Schritten machte sich Tabitha auf zu der Gruppe. „Du holst nun das Geld, oder wir prügeln dich windelweich.“ sprach Jago erneut. „Vorher prügel ich dich windelweich.“ Tabitha konnte noch sehen, wie überrascht Jagos Blick war bevor ihre Faust sein Gesicht traf. Es knackte unter ihren Fingern und Jago brüllte laut auf. Seine beiden Freunde ergriffen gleich die Flucht während ihr bester Freund sich mit beiden Händen die blutende Nase hielt und Tabitha anstarrte. „Du Miststück. Meine Nase.“ Das dunkle Mädchen legte den Kopf einmal nach rechts, dann nach links und es knackte leise im Nacken, was dazu führte, dass auch Jago die Beine in die Hand nahm und weg lief, „Das wirst du bereuen.“ rief er aus.


„Emma.“ Tabitha hatte sich dem blonden Mädchen zu gewand und ging vor ihr in die Hocke. Langsam löste sie die Finger von dem Gesicht der andere und lächelte sie an. „Alles gut. Es ist alles gut. Sie sind weg.“ Die goldenen Augen strahlten eine Ruhe aus, die Emma brauchte um nicht noch weiter zu schluchzen. „Komm. Komm, lass uns gehen. Wir besuchen deine Großmutter, ja? Ich habe eine neue Geschichte. Das wird sie sicher freuen.“



...



Es kam nicht oft vor, dass Tabitha an alte Freunde dachte, an ihr Leben, wie es einst gewesen war, sich das Gefühl erlaubte zu vermissen. Emma... sie war eine von vielen, Und es würden noch viele folgen. Immerhin lag da noch ein ganzes Leben vor ihr. Ein Leben ohne Bestand. Nichts wird ewig halten. Und damit drehte man sich im Bett um und schlief nach einer weiteren Weile des Nachdenkens ein.

Kommentare 5

  • Ich frag mich grade, ob die tyrianischen Meerjungfrauen Quaggan oder Krait sind. :0


    Emmas große Heldin. Aber das Nackenknacken war cheesy :D

    • Vielleicht eine Mischung? Wir reden doch von Meerjungfrauen!!!

  • Ich kenne Emma nicht aber ich muss sagen, dass du sie sehr schön beschrieben hast. Ich mag den Text und er liest sich schön flüssig! Man lernt sie sehr gut kennen, auch wenn man zuvor noch nichts von ihr gehört hat! <3

  • Es ist super toll zu lesen, dass aus einem Charakter, der in einem Rp eine kurze, aber interessante Erwähnung fand, nun eine Geschichte wurde! Ich finde sie toll, auch, dass Tabitha aus dieser Begegnung mit Beatrice über alte Zeiten nachdenkt.
    Ich hoffe man bekommt ein wenig mehr davon zu lesen!