Da Gewalt vorhanden, packe ich es lieber in den Spoiler bei Rechtschreibfehlern oder ähnlichem --> PN
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Erinnerungen - Steh auf
„Steh endlich auf!“ Die Stimme eines Mannes im mittleren Alter hallt über den Platz. Disziplinarisch und deutlich. Es klingt wütend und auch enttäuscht im Unterton. Der Mann selbst, gewiss an die Dreißig, hält einen stabilen Stock in der Hand. Eine hölzerne Attrappe eines Schwertes. In der anderen, linken Hand einen hölzernen Schild. Der recht kalte und distanzierte Blick ist auf den Boden gerichtet. Vor ihm, im kalten Schnee der winterlichen Jahreszeit, kriecht ein Junge. Nicht kräftig oder wirklich groß. Die Haare kurz geschoren, dunkel und kaum Kleidung ziert seinen Körper. Schürfwunden bedecken mehrere Stellen an seinem Körper, Dreck beklebt die einst helle Kleidung. Es sind lediglich ein paar Stofffetzen, die man gewiss ruhig dreckig machen konnte.
„Du sollst aufstehen!“, hallt es erneut über den Trainingsplatz. Ein Tritt wirft den Jungen auf den Rücken, welcher unweigerlich liegen bleibt und versucht seine Atmung zu finden. Leicht rieselt der Schnee herab. Viel zu zauberhaft für diesen Moment. Eine Träne rinnt dem Jungen herab aus dem geschwollenem Auge. Die Nase läuft, die Hände lassen sich kaum noch bewegen. Die Temperaturen und die dazu knappe Kleidung ist mehr als eine Herausforderung für ihn. Nur langsam versucht der Junge eine Hand auszustrecken. Zitternd und schmerzlich, will er die eigene Schwertattrappe greifen, welche nur wenige Zentimeter neben ihm im Schnee und Dreck liegt. Der Mann beobachtet das Schauspiel. Sieht zu, wie der geschundene Junge versucht aufzustehen. Sich aufzurappeln und wieder eine Kampfhaltung anzunehmen. Das Holzschwert mühevoll aufrecht haltend, tritt jener Junge dem Mann erneut entgegen.
„Na geht doch. Kampfgeist scheint ja immerhin in dir zu schlummern.“ Der Mann, selbst kräftig, aber auch recht klein, hebt ebenfalls seine hölzerne Bewaffnung an. Ein Deut zeigt dem Jungen, dass er den Mann angreifen soll. Deutlich ist zu erkennen, dass der Junge in keinster Weise beabsichtigt, den ersten Zug zu tätigen. So verweilt dieser zitternd an Ort und Stelle. Die aus seiner Nase tretende Flüssigkeit gefriert nahezu direkt an seiner Oberlippe. Ebenso scheinen es die Tränen an den Wangen zu tun. Das geschwollene Auge lässt ihn weniger sehen, die geschundene, freiliegende Brust atmet schwer und nervös beim Anblick des Mannes ihm gegenüber.
„Du bist Schwach, Sohn.“, erklingt es nach einigen Augenblicken, wo sich der Junge hätte anders entscheiden können. So aber setzt nun der Mann ohne Vorwarnung zu einem Angriff an. Ein einzelner Schlag reichte, um den kraftlosen Jungen das hölzerne Schwert aus den Händen zu entreißen. Ein darauf folgender Schildstoß stößt den Jungen erneut zu Boden. „Steh auf.“, erklingt es direkt wieder, während der Mann die Bewaffnung senkt und zum Jungen sieht.
„I-Ich kann nicht...“ Kraftlos klingt es. Kaum hörbar, da die Atmung nahezu unmöglich wurde. Doch warm wird es ihm nun an den Lippen. Blut läuft aus der Nase und den aufgeplatzten Lippen herab. Vermischt sich am Boden mit dem Schnee. Die Augen des Jungen scheinen in die Ferne zu sehen, gewiss wird er nicht mehr lange wach bleiben. Die Welt dreht sich, das Gefühl in Händen und Füßen schon lange nicht mehr vorhanden, gibt der Junge endgültig auf. Kein Muskel rührt sich mehr, keine Träne rollt mehr seine Wangen herab. Einzig das Blut tröpfelt noch etwas aus der Nase.
„Steh auf, Schwächling...!“
...
Dexter erwacht aus einem Traum. Es ist warm um ihn herum. Eine Hand hebt er mühevoll dem Himmel entgegen. Man wird geblendet von der Mittagssonne, deren Strahlen durch die dichten Kronen der hohen Bäume brechen. In der Entfernung krächzt ein Vogel munter vor sich her. Mühevoll erhebt sich der junge Wächter und lässt den Blick schweifen. Man ist im Dschungel...Maguuma. Wie lange es wohl her ist, dass er alleine gelassen wurde? Man hatte aufgehört zu zählen, doch ist es schon viel zu lange. Man ließ sich gehen, verweilte nur an diesem Ort. Einst hatte man ein Ziel, eine Bestimmung. Man folgte einer Sylvari, wollte mit ihr die goldene Stadt finden. Doch seit mehreren Tagen sitzt man nun hier und hatte sich aufgegeben. Der Griff geht zur Wasserflasche, welche zu seiner Linken im Gras liegt. Schon beim anheben merkt Dexter, dass es wohl der letzte Schluck werden würde.
„Warum denke ich gerade jetzt daran...?“ Die freie Hand geht an seinen Kopf. Man reibt sich nachdenklich die Schläfe und öffnet die Flasche mit der anderen Hand. Während die letzten Tropfen der kostbaren Flüssigkeit seinen Hals herab wandern, wird es ihm klar.
„Steh auf Dexter Lewis.“, wiederholt er die Worte aus seinem Mittagstraum. Schon damals hatte sein Vater recht. Wer sitzen bleibt und sich aufgibt, hat schon verloren. Man ist schwach, wenn man sich selbst im Stich und gehen lässt, was einem etwas wert ist. Dexter realisiert diese Worte gerade in diesem Moment umso mehr. Mit einem tiefen Atemzug, schließt er kurz die Augen und lässt es auf sich wirken. Die Umgebung, die Worte, das Erlebte und das, was eventuell noch vor einem liegen mag.
„Steht auf...“
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