Veldarin: Im Schatten des Refugiums

„Erwarte nichts von anderen, was du selber nicht bereit bist, einzuhalten.“ Veldarin kam nicht um diesen Gedanken herum, als der Befehl zum Vorrücken kam und die Norn in der Gruppe sich in Richtung der Angreifer aus der anderen Richtung begab. Angeschrien hatte er sie: „Was machst du?! Der Befehl lautet ‚Vorrücken’!“ Er wusste zwar, das Norn sich nur selten Befehlen beugten, in dem Moment erschien ihm seine innere Wut aber durchaus gerechtfertigt. Selber erst vor einigen Tagen ein anderes Mitglied der Truppe wegen ihren Entscheidungen verurteilt, mit der Begründung, sie könne das Rudel gefährden, war es nun sie, welche sich einem direkten Befehl des Gruppenanführers widersetzte. Er wollte beim vorherigen Vorfall schon was sagen, konnte sich allerdings nicht dazu durchringen. Es war nicht seine Aufgabe, seine Kameraden zu kritisieren, war er selber doch in der wahrscheinlich seltsamsten Position.


Selbst, als die Gruppe es schaffte, ins Refugium vorzudringen, und sich der größte Teil zur Ruhe zurückgezogen hatte, war er noch innerlich am verurteilen. Einige Zeit verging, in welcher sich ein Teil der doch sehr ungleichen Gruppe unterhielt. Da war er selbst, ein alter Verbündeter dieser Gruppe, welche er vor Jahren eigentlich hinter sich gelassen hat und aufgrund seiner eigenen Schwäche wieder angekrochen kam. Besagte Norn, welche er momentan für ihre Handlungen verurteilte. Der Gruppenanführer, welcher wohl in den schweren Zeiten, in welchen sie sich gerade befinden, immer noch einen klaren Kopf behält und die Gruppe zusammenhält. Veldarin möchte gar nicht wissen, wie schwer die Last für ihn sein muss und kam nicht drum herum, diese Stärke, die er momentan an den Tag legt, zu bewundern. Und dann war da noch diese Ministerin, bei welcher Veldarin sich alles andere als sicher ist, „was“ er von ihr halten soll. Als sie sich vorstellte, hatte er nur halbherzig zugehört – das Gespräch mit seinem Kamerad über die Fähigkeiten der Druiden und Seelenwandler war für ihn dann doch interessanter gewesen. 'Deshalb' musste er sich aber leider die Frage stellen, was „sie“ überhaupt an der eisigen Front wolle. Er wurde auch das Gefühl nicht los, sie schon mal gesehen zu haben, als er in Götterfels für die Sicherheit eines Lokals angeheuert wurde.




Einige Pläne, sowie Meinungen zum agieren in der Gruppe wurden ausgetauscht, und Veldarin ertappte sich selbst dabei, wie er bei manchen gefallenen Sätzen die Norn anblickte. Urteilend, abschätzend. Er sprach allerdings keine gewichteten Worte aus. Im Nachhinein betrachtet, hatte er selbst sich nicht sogar dem direkten Befehl widersetzt, um eben dieser Norn zur Hilfe eilen zu können, sollte sie sich in Gefahr begeben? Zu Beginn der Reise schwor er sich, seine Kameraden zu beschützen, komme was wolle. Er war also wirklich nicht in der Position, zu verurteilen, tat es allerdings dennoch – wenn auch unausgesprochen. Irgendwann saßen er und die Norn nur noch zu zweit zusammen und unterhielten sich. Sie stellte Fragen – viel über die Vergangenheit, und er erzählte. Freiwillig, ungezwungen. Irgendwo sah er sich auch in der Schuld, Erklärung zu liefern. Er erzählte, wie er bei den Wachsamen angefangen hatte. Wie er damals zur Gruppe gekommen war. Aus welchen Gründen er dieser Gruppe den Rücken kehrte. Von seiner Zeit, in welcher er aus eigenem Interesse die Naturmagie studierte, was er erreichen konnte, wie er alles, was er dahingehend erreicht hat, verloren hat. Von seinen neuen Fähigkeiten als Seelenwandler, über welche sie sich ebenfalls einige Zeit lang ausgetauscht haben.


Veldarin verschwieg den Grund, weshalb er die Schattenflamme vor einigen Monaten schon mal aufsuchte. Zu sehr schämte er sich für seine Schwäche, diese alten Gefühle, an welche er sich so lange klammerte. Er gab einfach nur zu, dass er Probleme hatte, alte Gefährten zu erkennen, nach der vielen Zeit die vergangen ist. Im Verlaufe dieses Gesprächs hatte er seinen Frust über die Handlung von ihr schon ziehen lassen. Was geschehen ist, ist geschehen, und sollte nicht weiter verfolgt werden. Innerlich musste er über diese unausgesprochenen Worte lachen. War er doch selber nicht in der Lage, sich diesen Worten völlig hinzugeben.


„Ich hab dich auch nur an deinen Augen erkannt, an deinem Blick. Ich weiß nicht warum, er hatte damals schon etwas, was mich gefesselt hat. Das hat er nicht verloren.“ Diese Worte trafen Veldarin so unerwartet, er wusste nicht, 'was' er sagen sollte. Selbst sah er nichts an sich, was nur irgendwie wirklich Eindruck hinterlassen könnte. Höchstens die ziemlich auffällige Tätowierung im Gesicht, welches er als Trophäe über den Sieg gegen Mordremoth trägt, für ihn ein Zeichen von Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit.


„Du bist weiterhin der Mensch, der damals für das eingestanden hat, was er zu verteidigen wert befunden hat und ich hoffe, das wird sich nicht ändern. Du bist kein Mensch, der Eigennützig ist, sondern ein Mensch, der anderen die Hand reicht."


War er wirklich jemand, der zu so etwas in der Lage war? Ist er nicht momentan eher in einer Situation, in der 'er' die Hilfe anderer benötigt? Den Schutz der Gruppe, um sich nicht selbst zu verlieren? Fragen, auf die er selbst keine Antwort gibt, und wohlmöglich nur die Zeit eine Antwort hat. Als sich die Norn zur Ruhe bettet - abseits der Gruppe, einsam im Gang zurückgezogen, tauchten wieder die unangenehmen, alten Erinnnerungen auf. Er kauerte sich an die kalte Felswand, zog seinen Schal ins Gesicht und schloss die Augen. "Nie... wieder..."

Kommentare 2

  • Ich schließe mich Kanori an. Es ist wirklich interessant auch mal Vel's Gedanken mitzuerleben, da ich ihn bisher eher ruhig erlebe. Schön geschrieben. Bitte mehr!

  • Schöne Geschichte und toller Einblick in Vels Gedankenwelt! Mehr ist gern gesehen!