Kein Zuhause

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Mit einem Donnern fiel die schwere Doppeltür ins Schloss, sperrte das wütende Zettern leider nicht gänzlich aus.
„ELISABETH!“
Die aufgebrachte Stimme hallte noch durch das dicke Holz hindurch und fuhr der jungen Frau in Mark und Bein. „Wir sind noch nicht fertig!“
Immer wieder trieb es sie dazu, ein fast schon animalisches Knurren stieg tief in ihrer Kehle auf, als sie eine Seite der Tür wieder aufriss und die hochgewachsene Frau anstarrte. Hoheitsvoll stand das verhasste Weib da, die Arme vor der nur spärlich bedeckten Brust verschränkt. Hauchdünner Stoff, mehr durchscheinend als bedeckend umschmeichelte den weiblichen Körper auf dem der Kopf mit diesem Gesicht saß, dass dem Gesicht der Tochter bis auf die beinah schwarzen Augen so unglaublich ähnlich war.
„Was willst du noch?“, fauchte die Jüngere sie an, die braunen Augen funkelten zornig. Das half allerdings herzlich wenig, denn die dunkleren Augen starrten ebenso wütend zurück.
„Du hast dich gefälligst zu benehmen, wenn ein Mann für dich hier ist! Dein Benehmen ist unmöglich! Was soll man von unserer Familie denken? Bei den anderen benimmst du dich, Götter noch eins!“
Wie hypnotisiert starrte die junge Frau auf den Papierstapel, mit dem ihr Gegenüber herum wedelte.
„Noch mehr...?“
Zwar war ihre Stimme nun leiser geworden, gerade weil ihr jüngerer Bruder im Hintergrund gerade den entrüsteten Kerl vorbei führte, den Elisabeth mit ihrem Verhalten doch so furchtbar gekränkt hatte. Aber sie hatte ihre Stimme gefährlich weit gesenkt. Wie ein Raubtier, dass sich zum letzten Angriff heran schlich. Und der Angriff folgte auf dem Fuße. Ihre Hand zuckte ruckartig vor und riss ihrer Mutter die Blätter aus der Hand, zwei flinke tänzelnde Schritte nach hinten.
„Elisabeth!“, wetterte die Andere darauf gleich wieder, wollte ihr nachsetzen, überlegte es sich dann aber offensichtlich wieder anders. So konnte Elisabeth in aller Ruhe die Blätter durchschauen, jedes einzelne eine handschriftliche Einladung zum Tee und um ihre „liebreizende Tochter“ kennenzulernen. Einige Namen kannte sie sogar. Alles Adelige, da reihten sich die Titel aneinander, jeder einzelne ein Keil, der sich zwischen eine einfache Bürgerliche und die hohen Herren trieb. Sie konnte nicht anders. Sie lachte. Und dann ging der Stapel in heißem Feuer auf. In fasernden Flocken ging die Asche zum teil noch glühend auf den hellen Teppich nieder. Entsetzt starrte ihre Mutter sie einen Augenblick stumm an. Das verstärkte ihr Lachen allerdings nur noch mehr. Lächerlich.


Dann donnerte der Türflügel wieder ins Schloss.


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„Elisabeth?“
Einige Zeit später war es nicht die harsche Stimme ihrer Mutter, sondern die behutsame, ruhige Stimme von Edward, die sie aus ihrem Buch riss, dass sie gerade studierte. Vor der Tür war es nach ihrem Ausbruch still gewesen, der nasse Lappen in Edwards Hand verriet aber, dass er zumindest versucht hatte, den Teppich von der Asche zu befreien.
„Was willst du jetzt...?“, wieder war die Stimme leise, dieses Mal aber auch deutlich erschöpft. Sie blickte auf, die Augen waren deutlich gerötet.
„Ich wollte nur nach dir sehen... und dich noch mal bitten, dich doch wenigstens ins Bett zu legen, bevor du wieder am Tisch einschläfst... dein Zimmer ist weiterhin für dich bereit.“
„Du weißt genau, dass ich mich nie wieder in dieses Bett legen werde.“, in diesen Worten brodelte wieder eine gewisse Wut hoch, die Stimme bebte und die rehbraunen Seelenspiegel glitten zu ihm hinüber, Ärger flackerte darin auf. Das war ein Schritt zu weit gewesen. Sogleich hob der Jüngere die Hände.
„Warum bist du dann nicht zu Hause?“
„Weil ich da allein bin. Und mich alles dran erinnert, wie es war, nicht allein zu sein.“
„Ich würde dir ja Gesellschaft leisten dort... Aber du willst mich ja nicht weiter in deiner Nähe.“
„Warum nur?“, ihre Stimme triefte dabei vor Wut und diesem ewig unterdrückten Hass auf ihn. Das ließ ihn zurückweichen. Insgeheim freute sie sich über die Angst, die in seinem linken Auge aufflackerte.
„Lass mich allein.“

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