Dunkelste Stund'

Als wären wir in einen weiten Raum getreten, verhallten die Schritte meiner Kameraden und verloren sich im stagnanten Nebel. Doch das Gegenteil war eher zutreffend, denn die düsteren Wände der Gänge schienen noch näher zu drängen. Mir kam ein ungutes Gefühl auf, die Verbindung zu meiner Legende fühlte sich wie gekappt an oder als wäre eine Leitung abgeklemmt. Mein Nackenfell stellte sich auf, als es mir wie mit einem eiskalten Dolch in den Rücken stach, direkt durch meine Rüstung, als wäre sie garnicht da. Schwere überkam mich als würde sich die kühle Dunkelheit um mich schlingen, meine Gelenke fixxieren und auf den Boden zerren wollen. Ich wollte sehen, wie es meiner beschildeten Kameradin ging, die kurz zuvor zu meiner Rechten wanderte, doch sie war nicht dort. Zunächst dachte ich, sie wäre zu ihrem Gefährten gegangen, doch als ich mich umdrehte, immobilisiert waren wir ja nicht, war keiner der Schattenflamme zu sehen. Mein Atem stockte. Sie waren alle verschwunden, meine Ohren wendeten sich, suchten nach irgendewelchen Lauten, aber da vernahm ich nur ein Flüstern.


Alle..sind weg..

War das eine Stimme? Ich hörte doch nichts mehr, keinen Murks. Bin ich doch nicht allein hier? War der Stich-.. Ist das eine verzerrte Art Magie? Mein Atem beschleunigte sich, oder hielt ich ihn an? Nichts und Niemanden nahm ich in meiner Umgebung wahr, hier konnte-


Ohne..was tun zu können..


Ich konnte nichts tun, mit einem Mal änderte sich die Situation, vollkommen Machtlos und Nutzlos waren alle weg.


Genau wie damals, nicht wahr?

Wie wenn mir in eines meiner Ohren geflüstert worden wäre, hörte ich es. Das ist eine andere Stimme, eine die schon länger versucht, uns zu manipulieren. Nein, dem werd ich nicht nachgeben, das hier ist nicht echt. Nach luft schnappend füllte sich meine Lunge wieder mit Sauerstoff. Ich hob meine Pranke und versetzte mir selbst einen Schlag gegen die Schnauze und versuche, mich wieder zu fassen. Das ist nicht real, das ist die Prüfung, ein Teil davon zumindest. Der Fraenir war hier, Jormag beeinflusst hier alles aber noch immer.


Wir müssen weiter. Weiter!

Einfach in die Leere gerufen, vielleicht erreicht es meine Kameraden, vielleicht kann ich es mir selbst damit mehr einbläuen. Einen Lauf vor den anderen setzen und weitergehen, das währt nicht ewig. Jedoch fühlt sich alles schwerer an. Das Gewicht meiner Rüstung macht mir normalerweise keine Probleme mehr, jetzt zieht sie jedoch meine Schultern runter, die Beine heben sich nur mit mehr Mühe an und die Sohlen schleifen schon nur noch über den Grund. Wie dünngliedrige Finger windet sich die Kälte der klammen Umgebung an den schweren Rüstungsplatten vorbei und klammert sich an meinen Leib, gibt mir das Gefühl, als würde ich Leichen hinter mir herschleppen, die sich an mir festhalten.

Oh, aber dem ist doch so. Du schleppst doch Leichen mit dir rum. Der Trupp, den du dein Leben lang kanntest. Und noch mehr.. Noch mehr, denn vergess nicht Meliorcane. Du würdest doch nicht ausgerechnet sie vergessen und zurücklassen, oder? Auch ihr Trupp folgte ihr, vertraute drauf, dass diese Mission ein Erfolg wird, aber sie kehrten nie mehr zurück. Du weißt, dass ihr Überleben von dir abhing.

Verschiedene Arten von Schmerz durchfuhren mich. Die Stimme schien in dieser Stille so laut, hämmerte mir durch den Schädel, in dem sonst mehr reges Treiben herrschte. Aber jetzt war dort sonst nichts. Ich war allein. Komplett allein. Denn ich ließ sie sterben, konnte sie nicht beschützen. Sie alle fielen Zhaitan zum Opfer, weil ich es zuließ. Weil ich diese Route nehmen wollte. Direkt in dieses verflammte-
Meine Schulter schlug irgendwo gegen. An der Wand lehnend war ich bewegungsunfähig, bis ich merkte, dass ich mich derart anspannte und verkrampfte, dass ich nicht mehr geradeaus gehen konnte. Ich muss mich entspannen und einfach weiter gehen. Ja, weiter gehen. Zu den anderen. Mit der Pranke stützte ich mich an der Wand ab, stellte mich wieder hin und lief weiter. Nichts katzenhaftes war mehr an diesen verkrampften und starren bewegungen. Sogar meine Krallen kratzten unkontrolliert über die Wand, während ich an ihr entlangstolperte.


Zu den Anderen, den Leuten der Schattenflamme. Wie geht es ihnen nur? Ich glaube, sie mögen es auch nicht, allein zu sein.
Kurz zuvor ging es der Norn doch schon nicht gut, was ist jetzt mit ihr? Hoffentlich steht ihr der Rabe hier bei..
Unser gutgeistige Fellball der Gruppe.. kann er sich überhaupt konzentrieren und einen Weg finden oder denkt er wie immer erst an Andere und sucht uns? Bitte komm durch, konzentriere dich auf deine eigene Situation und pass auf.
Unsere Mesmerin könnte doch Angst haben jetzt, halt bitte durch, auch wenn du nicht aus dem härtesten Holz bist, du besitzt solch Stärke!
Was ist mit unserem Chef? Ist er schon durch? Zuzutrauen ist es ihm.. Wie macht er es nur, immer die Fassung zu wahren? Er schafft das sicher.
Unsere kleine blaue Distel ist schüchtern, hat aber wenig Angst gegenüber Situationen gezeigt, wenn ich micht recht erinner. Möglicherweise stärkt sie sich mit dem Gedanken, dass ihr liebster Sylvari in der Feste auf sie wartet, zu dem sie zurückkehren will.
Und die beiden Waldläufer.. Wie geht es ihnen hier? Kommen sie mit der Dunkelheit klar oder kommen ihre Probleme auf? Ich kenne sie leider kaum, war leider eine Weile weg, aber sie bewiesen ihre Kraft bereits mehrfach. Verlassen kann man sich auf beide. Sie schaffen es, sie müssen es schaffen, sonst holen wir sie hier wieder raus, sobald dieses was-auch-immer-hier durch ist.
Ich muss auch einfach weiter gehen. Einfach weiter. Einfach weiter. Weiter. Weiter. Wei-
Hörte ich da eine Stimme? Es ist nicht die im Kopf, da ist echt was. Aber ich bin doch allein. Das ist nicht echt, es ist egal, ich muss einfach weiter. Nur weiter gehen. Weiter zu den Anderen.


Zu den Anderen? Zu den Nächsten, die wegen deiner Fehler Opfer werden? Willst du noch mehr Leid verursachen? Willst du noch mehr Leid selbst durchleben? Es tut dir doch nicht gut.. Du bist und bleibst schwach, kannst sie nicht beschützen. Sieh nur, wo ihr gelandet seid, weil du einmal wieder entscheiden solltest, wo es langgeht. Konntest du sie schützen? Deine gelibten neuen Kameraden?
Nein, aber-
Nichts 'aber'. Du konntest wieder rein garnichts tun. Wer weiß? Vielleicht sind sie schon tot? Spürst du die Schwere in deinem alten Körper? Vielleicht sind es ihre Tode, die dich jetzt noch mehr belasten. Selbst die Stimme in deinem Kopf, deine Legende, ist tot. Du bemächtigst dich Magie von Toten, denn du bist zu schwach. Aber auch mit Hilfe bringst dus zu nichts
Es stimmt.. Es stimmt alles.. Alle-

Sucherin der Weisheit. In Tyrias größter Bibliothek ist ein Feuer ausgebrochen.


Ich merkte erst, dass ich mich nicht mehr an der Wand entlanghangel, als die Stimme des Rabengeistes wieder in meinem Schädel ertönte und die nächste Situation beschrieb. Ich stand vor dem Podium mit der Statue des Tieres. Das Szenario blendete ich jedoch mehr aus, meine Gedanken rasten umher und die Frage war diesmal schnell beantwortet. Ich schrie sie heraus. Nun, nicht die Worte, auch nicht meine Gedanken, ich schrie einfach. Mir liefen keine Tränen über die felligen Wangen, dazu war ich zu taub. Diese leere Dunkelheit des Ganges fraß sich in mich und ich wollte sie nur loswerden. Auf dem Boden vor der Statue krümmte ich mich und gab der Frustration Luft. Ich hasste es. Langsam konnte ich mich dadurch aber beruhigen, auch wenn ich mich noch nicht aufrichten konnte. Meine Ohren drehten sich müde, waren trotz meiner Schwäche alarmiert, aus gutem Grund wohl.


Den Göttern sei Dank, ihr seid alle hier...

Es war die gut bekannte Stimme des Wächters, des Chef der Schattenflamme. Ich drückte mich vom kühlen Steinboden ab und fand auch meine aufrechte Haltung wieder.


Sind wir wieder alle-


Ich stockte erst, als meine Kameraden wieder vor mir standen, ich sie sehen konnte, hören und riechen. Auch wenn es manchen weniger gut ging, es waren alle hier, haben es geschafft, was mir vorher noch garnicht klar war. Es überraschte mich selbst ein wenig, dass meine Stimme doch ruhig und gar recht feste klang.


Wunderbar. Alle da. Alle durch. Wir haben es alle hierhingeschafft. Wir werden es dann auch weiter schaffen, denn wir sind zusammen, auch wenn es anders scheint.


Meinen Optimismus konnt ich wieder hochwürgen, aber ich weiß nicht, ob die Worte an meine Kameraden gerichtet waren oder ob ich mich unterbewusst selbst damit aufmuntern wollte. Das ist jedoch auch egal, denn alle haben es überstanden und sind hier. Nach einer kurzen Rast konnten wir auch weiter, selbst wenn folgendes nicht schön war, von dieser Dunkelheit wollte ich weg. Aber dem kann ich nicht entfliehen.

Kommentare 2