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Körperliche Gewalt am Menschen
Das Schweigen Dilemma 2
Es war Nacht.
Abgesehen von ein paar Vögeln, denen der Begriff der Nachtruhe ein Fremdwort war, den Kampfschreien einiger Wildkatzen und dem gesurre fliegenden Ungeziefers, war es toten still. Auch Merelle schien in ihrem kleinen Kämmerlein schlussendlich das Erlebte verarbeitet zu haben. Es war Dunkel. Lediglich das zarte Flämmchen einer halb abgebrannten Kerze sorgte für ein wenig Licht, so schlief sie am liebsten. Sie hatte sich tief in ihrer Decke vergraben und rollte sich gerade auf die Seite. Von ihrem Körper waren nur der Kopf und die Zehen zu sehen, welche immer mal wieder unruhig am Ende des Oberbettes zogen. Sie schien einen erholsamen Schlaf zu haben. Jedenfalls war dies der Eindruck, den man bekommen könnte denn das, was sich in ihren Gedanken derzeit abspielte, sah man ihr keineswegs an...
Sie träumte.
In ihrem Traum sah sie riesige Bäume mit weißen, wunderschönen Blättern. Ein paar Kaninchen hoppelten hurtig durch das Unterholz, was vermutlich auch daran lag, das Merelle ihnen hinterher hüpfte. Der Tag neigte sich dem Ende zu weswegen die Sonne nur noch halb hoch am Himmel hing und alles in ein zartes Orange tauchte. Barfuß tänzelte sie beinahe durch den Wald ihrer Träume bis sie an eine Lichtung gelangte. Ihre Augen fielen gleich auf das glasklare Wasser eines kleinen Sees inmitten dieser Lichtung. Noch nie zuvor hatte sie so etwas wundervoller gesehen. Einige der weißen Blätter fielen auf die Oberfläche des Gewässers, jedoch schienen sie so leicht zu sein, das sie keinerlei Bewegung auslösten. Sie näherte sich dem See, ließ sich auf dem weichen Boden nieder und tauchte vorsichtig ihre Zehen hinein. Wahrlich wie in einem Traum. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah gen Himmel um einen Augenblick die Gedanken schweifen zu lassen, dann vernahm sie Geräusche die wie das scharren von Hufen klangen. Zögerlich senkte sie den Kopf wieder und sah auf die andere Seite des Sees. Es war eine Elchfamilie. Purpurne Elche die ihre trockenen Mäuler mit kühlem Nass verwöhnten. Einen viel besseren Traum könnte Merelle sich nicht ausmalen. Welch hübsche Tiere das doch waren und an den Knochen der Eltern war soviel nahrhaftes und leckeres Fleisch! Sie fühlte sich wie im Paradies! Gerade als sie sich langsam erhob, schlug das Wetter jedoch um.
Ein Sturm zog auf, die Bäume knarzten ob des starken Windes. Geäst und Blätter, welche nun das Tiefschwarz des Himmels angenommen hatten wirbelten durch den Wald. Die Kaninchen flohen in ihre Bauten, das Glasklare Wasser des Sees wurde Ölig und die vorher herrschende Stille wich einem Gemisch aus Angsterfülltem Geschrei der Tiere sowie dem tosen des Windes. Nur die Elchfamilie schien davon unbeeindruckt. Sie tranken weiter das nun verschmutzte Wasser ehe sie nacheinander wackelige Beine bekamen und jämmerlich zu Boden gingen. Merelle eilte auf die andere Seite des Sees, doch was sie sah als sie dort ankam ließ sie erschaudern. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, da begann das Fleisch der Tiere bereits zu verrotten! Ein weiterer Wimpernschlag und es lag nur noch das Skelett dort. Die Angst stieg in ihr auf, Panik erfüllte sie als der Regen einsetzte. Völlig fassungslos starrte sie auf das Gerippe der Elche während Sturzbäche auf sie niederprasselten und jede Regung verhinderten. Erst eine bekannte Stimme riss sie aus der Lethargie.
Es war Ensia!
„Komm her Merelle, wir müssen hier weg! Schnell! Schnell!“ rief ihre Freundin ihr zu, welche nun dort stand wo die Kleine zuvor saß. Hastig machte sie sich auf, wieder auf die andere Seite doch ihre Schritte waren schwer, fast als würde etwas an ihren Knöcheln zerren. Immer wieder sah sie irritiert hinab doch dort war nichts. Ihre Beine waren schlicht zu schwer, so jedenfalls kam es ihr vor. Wieder rief Ensia, nun deutlich mahnender. Als Merelle zu ihr blickte, sah sie im Augenwinkel etwas angerannt kommen. Es war ein.. Ding. Etwas unbeschreibliches. Ein Tier? Ein.. Wesen? Etwas großes mit gefletschten, langen Zähnen und Pechschwarzem, langen Fell rannte auf Ensia zu. Merelle stieß einen markerschütternden Schrei aus, doch nichts verließ ihre Kehle. Sie schrie, wieder und wieder doch noch immer bekam sie keinen Ton hinaus da setzte das Vierbeinige Ding zum Sprung in die Richtung ihrer Freundin an. Die Kleine kniff die Augen zusammen und fiel auf die Knie.
Plötzlich verstummte der Wind und auch die Tiere des Waldes waren es. Was blieb war der Klang von brechenden Knochen, zerreißen und schmatzen. Sie wagte es nicht ihre Augen wieder zu öffnen. Sie wollte nur weg, weg von all dem was hier geschah und als hätte jemand ihre Gebete erhört, wachte sie schweißgebadet wieder auf.
Die Kerze war nun beinahe erloschen, der Lichtkegel noch kleiner.
Sie atmete schwer und hastig, unruhig sah sie durch das Beinahdunkel auf der Suche nach einer Hand, einem Freund. Doch niemand war da. Niemand.
Sie zog sich auf den Rand des Bettes, ließ die Beine hinabbaumeln und sah gen Boden.
Schwarze, ölige Fußspuren.
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