Das vorherbestimmte Schicksal ...
Die wichtigsten Entscheidungen im Leben eines jeden, werden spontan den Gefühlen folgend oder nach reiflicher Überlegung mit Einbeziehung einer jeden Möglichkeit getroffen. Mal entscheidet man sich richtig, manchmal aber bereut man es nach einiger Zeit. Doch bei uns ist das anders. Jeglicher lebensveränderte Entschluss wird dir von den hohen Priestern, dem Orakel, abgenommen. Sie beschließen, auf welche Weise du dein täglich Brot verdienen wirst. Oder wer an deiner Seite bis zu deinem Tode stehen wird. Ob es dir erlaubt sein wird Kinder zu zeugen oder diese selbst aufzuziehen. Für jeden einzelnen Bürger, ob Mann, ob Frau, ob Diener oder König trifft das Orakel diese Wahl, ohne Ausnahme. Ein jeder folgt diesem System, denn letztendlich sorgt es schon seit unzähligen Generationen dafür, dass mein Volk wohlhabend, sicher und glücklich ist. Sicherlich gab es in der Vergangenheit immer mal wieder jemanden, der sich sträubte und weigerte dieser Einteilung zu folgen, doch entweder verschwanden jene Störenfriede spurlos oder sie beugten sich letztendlich dem Willen der Priester. Oder hielten wie ich von Anfang an den Mund und fügten sich einfach dieser Farce, auch um der Familie keine Schande zu bereiten. Das Orakel prophezeite mir eine 'glorreiche' Zukunft in der königlichen Wache, also wurde ich zur Ausbildung in die Garde gesteckt, um den Kampf mit Waffen zu erlernen, damit ich unseren König vor allen Gefahren schützen könnte. Welch Hohn, dass es meine Klinge war, die man in seinem Herzen fand...
Der verbotene Herzschlag ...
Da die Priester diejenigen sind, die entscheiden mit wem man sein Leben verbringen wird, wen man ehelichen und bis zum Tod treu ergeben sein würde, ist die Liebe in unserer Gesellschaft kein großes Thema. Dabei unterdrückt aber niemand seine Sehnsucht oder Leidenschaft, doch einem jeden ist bewusst, dass zärtliche Verbindungen nicht von Dauer sein können, denn irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, da das Orakel den Partner erwählen und man diesen ausgewählten Partner auch heiraten wird. Natürlich kommt es dabei vor, dass die Auserwählte auch jene Frau ist, mit der man bis zu diesem Tag eine Beziehung geführt hat, aber zumeist verhält es sich anders. Deswegen ist es wohl das Vernünftigste, wenn man sich gar nicht erst verliebte, sondern abwartete, was die Priester festlegen würden. Jedenfalls hatte mir dies meine Mutter des Öfteren gepredigt, wohl um mich vor der schmerzlichen Erfahrung einer Trennung zu schützen. Dennoch geschah es zu der Zeit, als das Orakel eine passende Gemahlin für unseren König ernannt hatte, dass ich mein Herz verlor. Es würde kitschig klingen, wenn ich sagen würde, dass mein Herzschlag für einen Moment ausgesetzt hatte, als mein Blick das erste Mal auf jene bildschöne und überwältigende Frau fiel. Letztendlich würde es aber nur der reinen Wahrheit entsprechen. Niemals hatte ich solch Liebreiz, solch Güte und Anmut erblicken dürfen. Sie war vollkommen und nicht nur ich war vom ersten Augenblick an von ihr gefesselt. Ich war verloren, noch bevor ich eine Chance hatte mein Herz zu verschließen. Und auch wenn ich mir Nacht für Nacht vorbetete, dass diese Gefühle falsch waren, nicht sein durften, wuchs meine Liebe für die Königin...
Das verlorene Spiel ...
Liebe macht bekanntlich blind und dumm. Dem kann ich rückblickend leider nur zustimmen. Hätte ich in ihrer Gegenwart auch nur einen Funken Verstand besessen, hätte ich viel früher erkannt, welch falsche Natter die Königin in Wirklichkeit war. Nur war ich als einer ihrer persönlichen Leibwächter beinahe rund um die Uhr mit ihrer bezaubernden Nähe konfrontiert. Ihr perliges Lachen, ihre einzigartigen jadegrünen Augen, das Glänzen ihres goldblonden Haars – es machte mich rasend. Es war ein Wunder, dass sie nicht viel eher bemerkt hatte, dass meine Blicke nicht sichernd ihre Umgebung taxierten, sondern vielmehr liebkosend wieder und wieder ihren grazilen Leib erkundeten. Wahrscheinlicher war, dass sie es zwar zeitig erkannt hatte, mich aber schmoren ließ, bis zu dem Tag, an dem sie mich brauchte, um ihre Pläne in Gang zu setzen. Es begann mit einem kecken Zwinkern, nur kurz und nicht auszumachen, sodass ich schon glaubte mein vernebelter Verstand hätte sich dies eingebildet. Dann ein betörendes Lächeln, das allein mir galt und ich es zunächst für ein Versehen hielt. Doch als ich das erste Mal von ihren süßen Lippen kosten durfte, war ich mir sicher, dass ich den Verstand verloren haben musste, denn meine liebliche Königin würde doch niemals gegen das Treuegelübde verstoßen. Doch sie erklärte mir mit Tränen in den Augen, dass sie es nicht länger ertragen würde ihre Gefühle zu verschließen, dass sie mich lieben würde, sie aber wisse, dass es nicht sein durfte. Sie wickelte mich mit ihren Worten um den Finger, mühelos. Ihr Spiel war ausgeklügelt, ihre Intention perfide – und ich nur der dumme Bauer, der geopfert wurde. Während sie mir wieder und wieder ins Ohr säuselte wie sehr sie mich begehrte, während wir uns liebten, blieb ich ahnungslos. Selbst als der Tag kam, als sie sich wünschte, dass es den König nicht mehr gäbe und wir frei und ohne Heimlichtuerei zusammen sein könnten, konnte ich noch immer nicht durch ihr Spinnennetz sehen. Und Trottel wie ich war, verstand ich ihren Wunsch wie einen Befehl...
Der vereitelte Untergang ...
Während ich also im Kerker saß und auf den Tag wartete, dass man über mich richtete, klärte mein Verstand auf. Als ich endlich begriffen und ihr Spiel durchschaut hatte, brüllte ich vor Wut und Scham, schlug mir den Kopf an der rauen Steinwand auf. Was für ein Dummkopf ich gewesen war. Im Nachhinein wünschte ich mir, meine Klinge hätte nicht das Herz des Königs durchbohrt, sondern das ihrige. Sofern sie denn ein solches besitzt. Einige Wochen vergingen und ich begann mich zu fragen, warum es so lange dauerte ein Urteil über mich zu fällen, denn normalerweise wurde ein Mord mit dem Tode bestraft. So will es jedenfalls das Gesetz. Ich war bereit für meine Dummheit, für diese Freveltat zu sterben, so konnte ich überraschter nicht sein, als man mich irgendwann in den Thronsaal brachte und man mir das Urteil vorlas. Das Orakel hatte bestimmt, dass man mich brandmarken und in die Verbannung schicken sollte. Dieser göttlichen Entscheidung fügte ich mich natürlich nur zu gerne und zum ersten Mal in meinem Leben war ich dankbar für dieses System. Nicht nur, weil mein Leben verschont wurde, sondern auch weil ich ganz genau sehen konnte, wie sehr es die Königin wurmte. Vermutlich war ich der Einzige, der ihren Unmut überhaupt erkennen konnte, befreit von ihrer einnehmenden, charismatischen Aura. Selbst als man das Brandeisen auf meine Brust drückte, konnte der Schmerz die Genugtuung in mir nicht verdrängen. Denn ich kenne ihr Geheimnis, das ihr sorgfältig aufgebautes Kartenhaus zum Einsturz bringen und ihr mit Sicherheit den Kopf kosten würde. Das Geheimnis unter ihrem Herzen...
Das neue Leben ...
Es schmerzt mich noch heute, dass ich meine geliebte Heimat hinter mir habe lassen müssen, doch mehr noch hänge ich an meinem Leben und eben jenes hätte ich verloren, wenn ich nicht das Weite gesucht hätte. Mit nichts als der Kleidung auf meiner Haut versuchte ich also so viel Abstand wie möglich zwischen der Königin und mir zu bringen. Nicht nur, weil ich das Vergangene hinter mir lassen wollte, sondern auch weil ich dieser Natter durchaus zutraute den ein oder anderen gewissenlosen Mann auf mich zu hetzen. In Götterfels schien mir die Entfernung groß genug zu sein, um ein neues Leben zu beginnen...