Ende einer Ratte

Sie kratzten, packten, zerrten. In einem Rhythmus unbeholfenen Gedränges ihre Gesichter eine einzige verrottende, verschwommene verzerrte Masse. Eine klauenförmige Hand fuhr herab, halb verrottete Fleischfetzen, Fingerknochen bohrten sich tief durch Gewebeschichten, gruben sich ins Fleisch, zerfetzten Sehen. Ein kurzes Quieken ertönte, dann war es um die Ratte geschehen. Nur das Reißen und Kratzen, Knacken von berstenden Knochen und Eingeweiden, die zu Boden tropften, unterbrachen die Klagelaute, dass Stöhnen der Untoten. "uh-rrrRRRRRRRR..!!!", die Kreaturen richteten sich auf trippelten, hinkten, unbeholfen wie betrunkene Seeleute umher.


Der kleine Schwarm aus einem halben Dutzend Untoter zog weiter."... auf der Suche nach neuer Beute mit einem Puls.",dachte sich Biyao, während sie eine winzige Leichenfliege aus der Luft fischte und mit den Fingern zerquetschte. Deren Artgenossen taten sich gütlich an den noch warmen blutigen Überresten der abgekratzten Ratte. Eine Fliegenart, die ihre Eier an verwesende tierische Stoffe ablegt, kam es ihr in den Sinn, als sie die tote Fliege von ihrem Daumen schnippte.

Dann ließ sich Biyao, vom Absatz der zerfallenen Ruine, das wohl mal das Wohnzimmer eines vermutlichen Untoten im besten Fall ertrunkenen Canthaner gehörte, herabfallen und landete nahezu lautlos auf der glitschigen, moosüberwachsenen Boden des alten Kaineng. Die Stadt wurde vor etwa 100 Jahren durch das Erwachen des Alt-Drachen Zhaitan zerstört, welcher eine gewaltige Flutwelle auslöste, die den größten Teil des alten Kaineng auslöschte und viele Canthaner in Auferstandene verwandelte, die derzeit diesen Ort bewohnen. Anstatt diese nun entfesselten Auferstandenen zu töten, versuchen die Canthaner, sie in der alten Stadt zu halten, auch wenn sie gelegentlich Ärger machen.

Obwohl der Ort jetzt gefährlich ist, gibt es immer noch viele Menschen, die sich hierher wagen, auf der Suche nach Geschichte und verlorenen Schätzen. Biyao war weder wegen dem einen noch dem Anderen hier und doch faszinierte sie dieser Ort, lud ihre Gedanken zum Abschweifen ein."Was Kaineng Tah heute zu seiner glorreichen Stadt sagen würde- oder deren neuen Bewohner ha! ... erster großer Kaiser der Ratten und Untoten.",grübelte sie spottend, als sie über eine zerfallene Mauer mit beiden ausgestreckten Armen balancierte und den Blick schweifen lies. "-Verdammt konzentrier' dich!",ermahnte die Canthanerin sich kopfschüttelnd selbst, als sie den kräftezehrenden Pfad durch die nach Verwesung stinkende Umgebung fortsetzte. Ihr Weg führte sie weiter hinauf und sie verlies die Elendsviertel, nicht das es in dieser ruinösen Gegend einen Unterschied machte. Die Umgebung blieb trostlos, nur der Gestank nahm etwas ab.


In der Ferne hallte entfernt, doch noch immer gut hörbar die aufgesetzt freundliche mechanische Stimme eines Jade Bollwerks."Hallo, BÜRGER. Genießen Sie Ihre täglichen Aktivitäten", Biyao rollte mit den Augen, ihre Züge verfinsterten sich. "Nicht einmal hier draußen, kann man diesen arschfreundlichen unheimlichen Robotern aus dem Weg gehen."

Geschickt wich sie weiteren Ansammlungen der Untoten aus, die ihr ein ebenso schnelles Ende bereiten würden wie der Ratte zuvor. Das wäre obendrein fast ihr Verderben gewesen. Wer rechnet auch damit, ausgerechnet den Schwanz dieses Nagetier zu packen. Das daraufhin quiekend in sein Verderben flüchtete und die Aufmerksamkeit sämtlicher Entfesselten der Umgebung auf sich gezogen hatte. Die eins vierundsechzig kleine Canthanerin quetschte sich weiter durch eine winzige Lücke von zwei aneinanderlehnenden, zerbröckelnde Gebäudefassaden.

Sie hatte ihr Ziel fast erreicht.Vor ihr reckte sich ein alleinstehender zerfallener schiefer Turm empor, der sich aus sturer Trotzigkeit zu weigern schien umzufallen. Noch bevor sie sich an dem Anblick weiter ergötzen konnte, hörte sie einen Laut hinter sich bei dem sich Biyao die Nackenhaare aufstellten. Neben Ratten und entfesselten Untoten, begrüßte sie nun eine weitere Art Bewohner Alt-Kainengs.


Sie glotzte in die blassen, leblosen Augenhöhlen eines Geists und diese starrten zurück. Die feinstoffliche verwirrte Seele hielt in ihrer Rechten eine grausige, verformte rostige Sichel, seine Kleidung hing in Fetzen herab. Biyao zögerte einen Augenblick und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Fehler. Ein grausiges Heulen entfuhr der gepeinigten Kreatur, die einst ein Mensch wie Biyao gewesen war. Verwirrt über ihr Ableben voller Zorn, dazu verdammt gebunden, in dieser trostlosen Einöde umherzustreifen. Eine Ruhe, die Biyao gestört hatte, begriff sie endlich und ihre Finger wanderten rasch an ihren Waffengurt, sie riss die Pistole hoch. Flink richtete sie den verzierten Lauf auf den Geist, spannte den eine Art Dämon oder Teufel abbildenden Hahn, der die Form eines Horns hatte und drückte herzlos ab. Keinen Schuss spie die Pistole, sondern schleierhafte Schatten, die auf die Kreatur wie ein Bolzen prallten, einen Teil seiner geisterhaften Hülle auf Schulterhöhe grob zerfetzten. Dunkle Fäden lösten sich. Legten sich fest um Arme und Beine des Geists. Glitten allmählich wie schattenhafte Schlangen schlängelnd und sich kräuselnd zur Erde, bevor es auch nur die Waffe erheben konnte, um zurückzuschlagen. Plötzlich brach der Boden unter dem Wesen auf gnadenlose, wild verschlingende Dunkelheit schoss wie eine spektakuläre Fontäne hervor und hüllten seine Gestalt vollständig. Rissen an den Fäden und Fasern seiner armseligen Existenz, ein letzter, quälender, klagender Laut entfuhr dem Geist, welcher durch die schattenhaften Schleier hindurch die von dunkler Kraft erfüllte und umhüllte Silhouette Biyaos erkennen konnte. Dann vernichteten sie seine Essenz, schenkte ihm einen kurzweiligen qualvollen Frieden.


Hinter Biyao klatschte Jemand langsam in die Hände. Ein junger Canthaner,schlecht rasiert, schwarzes Haar, schäbige Kleidung, ein Kopftuch hing schief auf seinem Kopf größer als Biyao-er wirkte betrunken. "Ich weiß nicht vor wem ich mich mehr grusele vor dir, den Untoten oder vor dem was hier in den Ruinen noch so herumspukt.",scherzte er amüsiert." Was hat dich aufgehalten?" Biyao sah in die jadegrünen Augen ihres Partners, die sie einst faszinierten wie der Gedanke daran nach Cantha zurückzukehren. Jetzt wollte sie nur noch weg. Weg von diesem Ort, von Allem. Und doch war sie zurückgekehrt, war wieder wegen ihm in diese Ruine gestiegen. Wegen ihm war sie hierhergekommen-wiedermal.Hätte er das Gleiche getan? "Hast du den Wein mitgebracht?" Der Kerl hatte Nerven, dachte sie sich nur und antwortete nicht. Die Schatten tobten weiter um Biyao, was ihn nicht weiter zu beunruhigen schien. "Katai!", rief sie zähnefletschend. "Sieh mich an, verdammt!" Biyao hob die Waffe erneut, spannte den Hahn klickend. Weit entfernt hallt, die aufgesetzt freundliche Roboterstimme des Jade Bollwerks erneut."Hallo, BÜRGER. Genießen Sie Ihre täglichen Aktivitäten"

Sie drückte ab.