Der Seraph

Der Seraph



"Jamie wach auf! Wir müssen weg!" Die Stimme seiner Mutter riss ihn aus dem Schlaf, während ihre Hand kräftig an seiner Schulter rüttelte. "Was ist denn los...?" Maulte der junge Rotschopf und rieb sich verschlafen die Augen. Doch die Antwort der Mutter wurde von lautem Getöse, donnernden Hufen und den Schreien der Nachbarn abgewürgt, die draußen von den Feldern schallten und nun die Luft erfüllten. Kurz darauf wurde die Nacht von loderndem Licht erfüllt, als die ersten Häuser in der Nachbarschbaft in Flammen aufgingen. Das Herz des vierzehnjährigen Jungen begann nun vor Angst zu pochen. "Wo ist Vater?" Fragte Jamie. "Keine Angst er wird uns schon finden." Versprach seine Mutter. Sie schmiegte ihre Stirn sanft gegen die ihres Sohnes und ihre langen roten Haare strichen über Jamie´s Gesicht und spendeten kurzen Trost. Ein lautes Poltern ließ die beiden zusammenzucken. Jamie´s Mutter wusste sofort was geschehen war. Irgendjemand oder Irgendetwas hatte gerade die Haustür aufgebrochen. Ihrer beider Herzen rasten nun, doch die Angst machte seine Mutter nicht minder kreativ. Sie eilte zum Fenster hinüber und öffnete es, ehe Jamie und sie sich nun unter dem Bett versteckten und ausharrten. Dann herrschte Stille. Trotz all des Lärms von draußen, schien selbst die Luft in diesem Zimmer den Atem anzuhalten, als die Kinderzimmertür sich öffnete und das langsame Klopfen von Hufen zu hören war. Hatte sich da etwa ein Pferd in Jamie´s Zimmer verirrt? Nein, vor einem Pferd musste man sich nicht verstecken. Der Zentaurus schnaufte blutdurstig, als er nun zum offenen Fenster ging und hinaus spähte. Jamie´s Mutter hielt ihrem Sohn den Mund zu. Dann schlossen sie ihre Augen und beteten. Unter ihrem Bett konnten sie nur die Hufe sehen, die sich nicht bewegten. Nur noch das gleichmäßige Schnaufen des Zentaurus erfüllte die Luft. Plötzlich packte eine Hand das Bett von unten und riss es mühelos auf die Seite. Der Zentaurus stieß einen innbrünstigen Schrei aus als er seine Beute entdeckt hatte. Jamie und seine Mutter kreischten vor entsetzen. Sie klammerten sich aneinander und wagten es nicht die Augen zu öffnen. Plötzlich ertönte das Poltern von klappernden Metallstiefeln. "Lass sie in Ruhe!" Rief eine Männerstimme. Jamie öffnete seine Augen nicht, doch er hörte wie Stahl auf Stahl traf und dann in Fleisch schnitt. Es war ein schmatzendes Geräusch was Jamie wohl nie wieder vergessen würde. Als der Junge seine Augen wieder öffnete, erkannte er schon bald die Silhuette eines Mannes in Seraphenrüstung. Jamie sprang auf und stürzte auf den Mann zu.

"Vater..!"


John drückte seinen Sohn so fest an sich wie er es nur konnte, dann küsste er seine Frau vor Erleichterung, nachdem auch sie rasch näher gekommen war. Schwer atmend berührte er zärtlich ihr Gesicht. "Claire, seid ihr verletzt?" Die Frau mit den schönen langen roten Haaren, schüttelte entschieden ihren Kopf.

"Vater, was ist denn passiert?" Fragte Jamie und die Tränen ließen die Sicht des kleinen Jungen verschwimmen. John kniete sich nun zu seinem Sohn und mit seinen großen starken Händen nahm er das kleine Gesicht seines Jungen sanft in seine Hände. "Ich habe Angst Vater..." Der Junge wimmerte leise und Tränen liefen ihm die Wangen runter. Doch John wischte sie mit seinen Daumen fort. "Hör mir jetzt genau zu James Frayser." John blickte seinem Sohn nun tief in die Augen und seine Stimme war ruhig. Jamie wusste, dass sein Vater ihn nur so nannte, wenn es um etwas ernstes ging. Der kleine Rotschopf holte tief Luft und nickte tapfer. "Du und ich, wir müssen auf deine Mutter aufpassen. Wir müssen beide mutig sein, hörst du? Wir gehen gleich nach draußen und du wirst tun, was wir sagen. Verstanden?" John´s Sohn nickte noch einmal, auch wenn sein kleiner Körper noch immer zitterte. "John... was passiert hier?" Hauchte Claire ihm nun voller Sorge entgegen. "Die Zentauren greifen Shaemoor an. Ich weiß nicht wie sie so weit vordringen konnten. Wir müssen über die Brücke zum Gasthaus. Dort werden wir sicher sein." Erklärte John, während er nun zum Fenster ging und einen Blick hinaus warf. Sie wohnten nicht weit von Mepis Moahof. Man konnte ihn von hier aus sehen. Überall konnte man nun ein Gemisch aus Schreien und Kampfeslärm hören. Seraphen kämpften gegen Zentauren in dem Versuch die Bewohner davor zu bewahren verschleppt, oder niedergemetzelt zu werden. Der Weg bis zur Schenke über die Brücke war nicht weit. Vielleicht höchstens einen Kilometer. An jedem Anderen Tag wäre es ein gemütlicher Spaziergang gewesen. Doch nicht in dieser Nacht.

Als John sich wieder vom Fenster abwendete, hatte Claire ihrem Sohn bereits die Stiefel angezogen und einen Mantel übergeworfen. Sie selbst hatte für sich das Gleiche getan. Für mehr reichte es nicht. "Wir müssen los."


Der Regen peitschte unbarmherzig in ihre Gesichter, kaum das sie die ersten Schritte aus dem Haus getan hatten. "Los! Los!" Rief John und lief voran.

Claire hielt die Hand ihres Sohnes so fest sie nur konnte und zerrte an seinem Arm, als sie ihrem Mann nach eilte. John achtete stets darauf, dass die beiden nicht zurückfielen. Ihre Flucht führte sie nun mitten durch das Schlachtenchaos. Sie liefen an toten Körpern vorbei, ein Gemisch aus Menschen und Zentauren, die nun die Felder zu schmücken begannen.

"Sieh nur nach vorn Jamie! Nur nach vorn!" Claire verließ die Kraft in ihrer Stimme, denn je länger sie liefen desto mehr schien ihre Lungen zu brennen.

Der Schrei eines Seraphen verdrängte den brennenden Schmerz in ihren Lungen. Der Mann fiel von einem Pfeil getroffen zu Boden. Dort wandt er sich jaulend vor Schmerzen. Die Brücke war nun ganz nah, doch zwei Zentauren versperrten den Weg. Der erste stürmte gleich voran. Claire blieb stehen und umklammerte ihren Sohn mit rasendem Herzen. Hilflos sah sie John dabei zu wie er sich dem Zentauren entgegenstürzte. Das Biest bäumte sich auf um ihn mit seinen Vorderhufen nieder zutreten. John reagierte schnell und Riss seinen Schild nach oben. Jetzt stieß auch er einen Kampfesschrei aus. John´s Schild wurde in eine blaue Aura gehüllt, die nun die Wucht des Trittes abfing. Der Zentaurus stolperte überrascht zurück. John zögerte nicht. Mit einem Hieb seines Schwertes trennte er den linken Vorderhuf des Zentauren ab und versenkte dann die Klinge tief in der Brust der Kreatur. Claire hatte ihren Mann noch niemals so gesehen. Das neckische gutherzige Gemüt von John, stand nun gerade in krassem Widerspruch zu dem Mann, der sich vor ihnen in den Kampf stürzte und ohne zu zögern Leben auslöschte.
Claire schreckte aus diesem Gedanken auf, als ein schriller Pfiff und ein metallerndes "Klonk" sie wieder in das hier und jetzt zurückriss. Der Bogenschütze hatte auf John geschossen, während dieser weiter voran gestürmt war. Nur knapp war es ihm gelungen den Pfeil mit seinem Schild abzulenken. Dann ging alles sehr schnell. Ein Hieb seines Schwertes folgte und der Bogen des Zentauren brach entzwei. Entsetzt gurgelte die Kreatur auf, als sich Johns Schwert in ihre Eingeweide bohrte. "Für die... Tamini..!" Ächzte der Zentaurus, ehe er kollabierte.
"Der Weg ist frei!" Rief John. Schwer atmend wunk er Claire und Jamie heran.

"Lauf zu deinem Vater Schätzchen! Ich bin direkt hinter dir! Los!"

Jamie eilte so schnell ihn seine Beine tragen konnten auf die Brücke zu seinem Vater zu. Mit anzusehen wie er es mit gleich zwei Zentauren aufgenommen hatte, gab dem Jungen das Gefühl das nichts auf der Welt ihm nun noch etwas anhaben konnte, solange sein Vater da war.
"Über die Brücke los!" Bellte sein Vater ihn an. Und plötzlich durschnitt der Schrei von Jamie´s Mutter die Luft. Jamie blickte erschrocken zurück. Irgend etwas hatte ihre Beine getroffen, es wirkte ganz so als würde sie sich von Fesseln befreien wollen.
"Über die Brücke ins Gasthaus! Los! Ich hole deine Mutter!" Die strenge Stimme seines Vaters bellte ihn erneut heiser an. Jamie drehte sich um und rannte los. Doch das nasse Holz war glatt und seine Füße matschig vom moddrigen Acker. Auf halber Strecke rutschte er aus und fiel der Länge nach hin. Als Jamie aufsah konnte er das Gasthaus bereits ganz nah erkennen. Fast am Ziel angekommen, riskierte der junge Rotschopf nun aller Anweisungen des Vaters zum Trotz einen Blick zurück über die Brücke.

John hatte Claire bereits erreicht. Er kniete sich nieder um die Füße von ihr loszuschneiden.

"John!" Claire´s Stimme schrillte durch die Nacht. Ruckartig fuhr John herum, doch es war bereits zu spät. Ein Pfeil sauste pfeifend durch die Dunkelheit und durchbohrte die Kehle des Soldaten. Wie ein Fisch auf dem trockenen schnappte John gurgelnd nach Luft. Ein letztes Mal noch schaute er zu Claire, bis das Licht in seinen Augen erlosch und er leblos zusammensackte.

Wie zu Eis erstarrt und mit weit aufgerissenen Augen starrte Jamie ans andere Eck der Brücke. Er konnte nun nur noch mit ansehen wie die Zentauren seine Mutter unter den Armen packten und davon schliffen, während Claires entsetzten Schreie in der Nacht verhallten.

Plötzlich spürte er den starken Griff einer Hand, die ihn schmerzte als sie Jamie an der Schulter packte...

James Frayser riss die Augen auf. Er lag schweißgebadet in seinem Bett. Sein Atem rasselte panisch und seine Lungen brannten wie Feuer. Er brauchte einen Moment um wieder zu sich zu kommen. Er setzte sich an die Bettkante und versenkte sein Gesicht mit schwerem Ächzen in seinen Händen. Seit dieser Nacht waren 11 Jahre vergangen. Und noch immer träumte er davon. James stand auf und schaltete das Licht ein. Sein Blick schweifte durch die kleine Bude die nur aus zwei Zimmern bestand. Eine spartanisch eingerichtete Kaschemme, die er ganz allein bewohnte. Es war still. So still, dass selbst sein eigener Atem ihm unangenehm laut vorkam. Immerhin hatte er ein kleines Bücherregal, das hier und da schon ein bisschen gefüllt war. James griff nach etwas Lektüre für den Fischfang und setzte sich an seinen Tisch. Erst als er die ersten Seiten des Buches aufschlug bemerkte er, dass seine Hände noch immer ein wenig zitterten.

Heute Nacht würde er nicht mehr träumen. Aber morgen würde er angeln gehen.

Kommentare 8

  • ... und dann wird er einen schönen, großen, leckeren Fisch fangen und alles wird gut und er träumt auch nie mehr schlecht. :!:

  • Sehr schön, dass selbst n "absolute beginner" sich angesprochen fühlen kann, dieses Szenario kenne sogar ich ein wenig :)

    • Merci :)
      Ich bin ein Wiedereinsteiger. Falls du Lust hast auch einen Seraphen zu bespielen, dann sag mir Bescheid. Wir könnten gemeinsam Patroullie laufen usw. Ich denke dies ist auch eine gute Rolle um mal mitzukriegen was in Götterfels so los ist. :)

    • De rien :)


      Was genau ist denn ein "Seraph"? Ist das wirklich ne Art Engel?


      Der Charakter, der mir vorschwebt (sic), ist nämlich eher das Gegenteil von nem Engel. (Es sei denn, man interpretierte die geflügelten Fersen des Götterboten Hermes als Engelsflügel :) )

    • Schreib mir mal auf Discord, dann kann ich dir das genauer erklären. :)

  • Dankeschön, freut mich wenn die Geschichte gut ankam <3
    Sie hat mich tatsächlich beim schreiben etwas aufgewühlt. ^^

  • Ich liebe die Geschichte, wie sie Atmosphäre einfängt von einem kleinem Teil von Königintal und wie das einfließt in den Charakterhintergrund von James! Sowas Liebe ich. Toll geschrieben!

  • T_T Irgendwie ist das schön und wundervoll geschrieben, aber mir tut James echt ein bisschen Leid. </3