Zeit heilt keine Wunden

Löwenstein


Trubel. Das Erste was Neferet in Löwenstein angekommen um sich hatte war ein lautes Gewirr aus Stimmen und Sprachen. Die vielen Persönlichkeiten die hier lebten bannten sie nicht lang genug um die düsteren Gedanken fort zu schieben. Sie wusste nicht was sie sich wünschen sollte als sie sich vom Fluss der Personen durch das Tor in das Innere der Stadt tragen ließ. Der Gedanke ihr Freund sei gestorben schmerzte sie, aber wenn er noch lebte wäre das nicht noch schlimmer? Was würden die Seraphen mit ihm anstellen, was wenn der Händler log? Was wenn sie ihn aufhängen nur um zu beweisen dass sie die Gosse im Griff hatten? Fragen über Fragen auf die sie einfach keine Antwort finden konnte. Noch nicht.


Joe hatte Recht. Sie würden ihm nicht helfen können wenn sie mit ihm in einem Kerker saßen und doch verfluchte sie ihre Entscheidung davon gelaufen zu sein. Die junge Frau trieb nicht lange ziellos umher. Sie wusste dass ein Freund hier gestrandet war, auf der Suche nach seinem Glück und einem Abenteuer. Zumindest wäre sie dann nicht allein, denn gerade dieses beklemmende Gefühl machte ihre Beine schwer. Sie ging und ging, fragte hier und dort bis sie einen passenden Hinweis hörte. Am Hafen dann fand sie die ihr bekannte Siluette, den Sohn der Leute die sie aus Elona gerettet hatten als alles ausweglos schien.


Almar Telmari war höchstens zwei Jahre älter als sie selbst und trug seinen Mantel offen. Die Sommerbrise erfasste das Leder ein wenig und ließ den Saum flattern. Die Blässe seiner Haut stand derer seiner Mutter in Nichts nach, auch die strahlend blauen Augen hatte er von ihr. Nur die Körperhaltung und das diplomatische Auftreten hatte er von seinem Vater. Er wunderte sich ob Neferets Erscheinens und nahm ihr die Notlüge, dass seine Mutter sie geschickt hatte nicht ab. Er kannte sie gut genug um zu wissen, dass ein gut gewürztes Essen ihre Zunge lockern würde und wo konnte man in Löwenstein besser essen als im Gabel&Kelle?


Dort angekommen erfüllte sich der Wunsch des jungen Mannes nicht sofort. Neferet druckste herum und war nicht gewillt das Geschehene auf Anhieb zu teilen. Almar versuchte sie davon zu überzeugen erst einmal zu bleiben und zu schlafen. Tatsächlich spürte Neferet mit einkehrender Ruhe wieviel ihr die Reise mit der Karawane abverlangt hatte und so verschmähte sie das Angebot einer Hängematte keineswegs. Beim Frühstück am nächsten Tag, rückte sie dann langsam mit der Sprache heraus und stockte als die Bilder, die sie in der letzten Woche so sorgsam in die hintersten Ecken ihres Gedächtnisses geschoben hatte, wieder zum Vorschein kamen.


Ob es die Verzweiflung in ihrer Stimme oder die glasigen Augen waren die Almar überzeugten dass sie diesmal die Wahrheit sprach wusste Neferet nicht. Doch ihr fiel ein ganzer Fels vom Herzen als er sich erhob und erklärte dass er sie nach Götterfels begleiten würde um zu ergründen was mit Jonah geschehen war. Und so kam es, dass ein junger Landadliger mit Haut so weiß wie Milch und eine staubige Elonarin gemeinsam auf die großen Portale zuschritten. Für ihn mochte es Nichts Neues sein, doch für Neferet der erste Schritt in die nächste Ungewissheit, die ihr schon beim Anblick des Portals Übelkeit bereitete.


Götterfels, da war es wieder. Lebhaft und doch nicht mehr so bunt wie Neferet es in Erinnerung hatte. Die Sorge legte sich wie schwere Ketten um ihren Brustkorb und löste sich erst wieder als Almar seine Hand fest um ihre schloss. „Wir finden ihn schon. Alles wird gut, versprochen.“ raunte er mit dieser selbstverständlichen Sicherheit, die Neferet in manchen Momenten einfach nur hasste. Wie konnte er das versprechen, wenn Jonah vielleicht schon verscharrt auf dem Armenfriedhof lag?


Ihre Suche begann im gewürgten Flaschenhals. Hier hatten sie hin und wieder die Abende verbracht, in einer Ecke am Kamin Karten gespielt und ihren kärglichen Tageslohn unter die Leute gebracht. Doch an diesem frühen Abend war die Krähe ausgeflogen und wer außer ihm hätte die Kontakte und Möglichkeiten etwas zu wissen? So wanderten sie weiter, ohne viele Worte, die hatten sie nie gebraucht. Es genügte ein Blick, das zucken einer Schulter oder ein schlichtes Brummen und sie wussten was es zu wissen gab.


Schließlich wurden sie auf eine Traube von Menschen aufmerksam die sich vor einem Geschäft gebildet hatte. Das HERZlich war gut besucht und da ihre letzte Mahlzeit schon ein wenig her war, lockte der Duft von frischen Pfannkuchen die beiden Seelen in das Innere. Enttäuscht wurden sie nicht. Mit strahlendem Lächeln wurde den Beiden ein Teller mit gefüllten Pfannkuchen gereicht und wenn Neferet etwas ebenso sehr liebte wie gut gewürztes Essen, dann waren es Pfannkuchen.


Dass die Krähe bereits vor der Tür neben den Herzlich weilte, hatten die zwei Nachtschwärmer zunächst nicht bemerkt. Erst als der Blasse sich mit seiner Begleitung in das Geschäft begab fiel er Neferet ins Auge und sie löste sich von Almars Seite der für den Rest des Abends ihr wachender Schatten war. Er wusste sie konnte sich selbst helfen, er stärkte ihr nur den Rücken. Nach einer kurzen Unterredung erklärte die Krähe dass er sich umhören würde und so begann für Neferet wieder das Warten. Geduld. Etwas dass ihr nicht leicht fiel. Almar hatte nicht vor schon am ersten Abend in sein Elternhaus zurück zu kehren, auch wenn das Mädchen ihn bat sich nicht all zu lange Zeit zu lassen. „Wenn dein Vater merkt, dass ich dich her gebracht habe und nich’ dafür gesorgt hab’ dass du sie besucht, dann reißt er mir den Arsch bis zu den Ohren auf.“ „Achwas.“ entgegnete Almar und lächelte spitzbübisch auf. „Es kommt doch nicht auf einen Tag an, oder?“ Dem hatte Neferet nichts entgegen zu setzen.

Kommentare 4

  • Oh. Ah. Hab auch schon gehört, dass es im Herzlich die leckersten Süßwaren von der nettesten Frau Götterfelsens gibt.

    :D

    ... wir finden Jonah. Ich will ihn auch mal endlich sehen!

  • Das arme kleine Neff… ich bin schon gespannt auf deinen nächsten Einblick! ;D

  • Wie schön du die kleinen Erlebnisse anschneidest! Das liest sich richtig toll, wenn Projekte miteingeflochten werden. :3

    Allgemein bin ich großer Fan deines Schriebstils. Weiter so. <3

    • Danke - auch wenn die Zeit es nicht immer gleich zulässt, versuche ich das RP auch ein wenig abzubinden ohne da zu sehr ins Detail zu gehen. Schön dass es gefällt. <3