Einladungen zum Essen

Wieder sahs der Graf an seinem Schreibtisch, wie so oft in letzter Zeit. Eigentlich hatte er geplant früh am morgen nach Ebonfalke aufzubrechen und von dort aus weiter zum Anwesen Halkor, um seine Geschwister zu besuchen, nach den Hunden und dem Vieh zu sehen. Jedoch ist der letzte Abend ein wenig anders gelaufen, als der Graf vermutet hatte. Es waren höchstens Gedankenspiele, die nun immer intensiver wurden und in seinem Schädel pochten wie ein schlagendes Herz. Durchaus könnte das Pochen auch einfach an dem zu vielen Wein liegen, welcher er am gestrigen Abend getrunken hatte. Ein fabelhafter, fruchtig, süßer Wein. Er hätte auch noch eine Flasche getrunken, hätte er mehr Zeit auf das Trinken richten können, anstelle auf die Gespräche, die sie führten. Der Junker war ein guter Gastgeber und das ob mangelnder Diener in seinem Haus. Desmor fühlte sich durchaus wohl an diesem Abend, so später die Stunde und so mehr Wein, so weniger versteifte man sich auf Haltung und Anstand. Doch genau aus diesen Gründen war der Graf der Einladung zum Essen gefolgt.


Aus diesem Grund und anderen. Auf jeden Fall hatte Desmor sich viel zu fein rausgeputzt für dieses Essen in einem recht rustikalen Haus bei einem Mann des Kleinadels. Er hatte sich sogar eigens dafür ein Gewand anfertigen lassen im Stil von Lyssa, obgleich er gewiss die Stofffarben nach seinem Wappen wählte. Der Graf wollte den Junker beeindrucken, vielleicht sogar deutlich zeigen von welchem Stand er war und damit auch angeben. Der Graf gehörte nun einmal zu dem Adel der die Nase gerne und mit aristokratischer Sorgfalt nach oben trug, sodass er auf andere, wie den jungen Bettler vor der Rurikhalle, hinabsehen konnte.


Es war Elian nicht entgangen, dass der Graf von Halkor sich beim letzten Rurikhallenabend ausschließlich nur mit der Fürstin Cunningham und den Ashcrofts unterhalten hatte. Desmor bestätigte den Verdacht, dass er sie kennenlernen wollte, um sie eventuell in den geplanten elitären Kreisen auszunehmen. Jedoch auch seine Bedenken aussprach, da die Fürstin sich in deren Nähe anders betragen würde. Es wurden einige Gedanken ausgetauscht und Wissen, welches sich mehr auf Hörensagen und sicher auch Lästereien stützen. So wie vieles in Adelskreisen. Um sie nochmal eingehender und in einem privateren Rahmen kennenlernen zu können, sprach Desmor in der Rurikhalle eine Einladung zum Essen aus und nun zog er Elian Forbes mit in diese Einladung hinein. Auch er sollte dem beiwohnen und sich mit ihm ein Bild von den Adeligen machen und Desmor erretten, weil er nicht wusste was man einer Fürstin vorsetzte die kein Fleisch aß. Er hätte es an die Diener, oder gar auswärts ans Herzlich geschoben, die sich kümmern sollten, hätte man nicht an diesem Abend auch erfahren, welch wunderbarer Koch sich hinter Elian Forbes verbarg. Natürlich sollte er sie nicht alle bekochen, aber die Errettung lag allein schon in Rezepten, die er dem Diener bereits am nächsten Tag aushändigen konnte.


Der Graf stach sich ein ein Stück von dem braunen Törtchen ab, welcher mit einer intensiv roten Creme gefüllt war und ließ es sich auf der Zunge zergehen, während in der anderen Hand der Schreiber und vor sich das Pergament lag, auf dem die Einladung zum Essen formuliert werden sollte. Desmor hob unbewusst die Mundwinkel, als der nächste Gedanke an den gestrigen Abend durch seinen Verstand ging. Er hatte Elian nun offiziell den Beitritt in den elitären Kreis eröffnet, der von dem Junker mit Ernst und Ehre angenommen wurde. Tatsächlich hatte Desmor ihn bisher nur gedanklich bereits im Kreis dazu gezählt und Elian musste ihn erst darauf anstoßen, dass er ihn noch gar nicht gefragt hatte. Was für ein Versäumnis. Nun aber, da die Sache geklärt war, konnte man sich gemeinsam an die Ausweitung dieses Kreises machen.


Mit dem Daumen strich der Graf sich gedankenverloren über die Unterlippe, während das Pergament vor ihm, weiterhin auf Worte und Zeilen geschriebener Schrift warten musste.

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