Das Ende einer Ratte III

Biyao kämpfte sich durch das verfallene Alt-Kaineng, ihre Schritte begleitet vom schaurigen Klang des Abwassers, das in den Kanälen unter der Stadt gluckerte. Der schale Geschmack des Adrenalins in ihrem Mund vermischte sich mit dem widerlichen Verwesungsgeruch, der die Luft erfüllte. Ihre Gedanken wanderten zu den letzten Augenblicken des Kampfes, zu Katai, der jetzt nur noch eine weitere verlorene Seele in den dunklen Gewässern, der Ruinenstadt war. Eine tiefe Leere nagte an ihr, als sie sich durch das labyrinthartige Netz von Gassen und Ruinen kämpfte. Die Schatten der Vergangenheit umhüllten sie wie ein unsichtbarer Mantel, und der Schmerz in ihrem Inneren spiegelte sich in den verfallenen Gemäuern wider. Plötzlich durchzuckte ein Lichtschein die Dunkelheit. Ein flackerndes Leuchten führte Biyao zu einer schmalen Gasse, wo ein einsames Fenster die Ruine eines alten Hauses zierte. Der schwache Lichtstrahl fiel auf einen alten zerbrochenen Spiegel der den Zahn der Zeit überdauert hatte. Biyao starrte auf ihr Spiegelbild ihre schmutzige Kleidung und die matt schimmernden Augen, die den Glanz verloren hatten.

Ein leises Seufzen entwich ihren Lippen. Biyao wanderte weiter durch die düsteren Gassen von Alt-Kaineng, wie ein verlorenes Gespenst in den Schatten der Vergangenheit.Die Ruinen zeugten von der einstigen Pracht, die nun von den Entfesselten, untoten Schrecken, beherrscht wurde. Verfallene Tempel und zerstörte Gebäude erstreckten sich vor ihr wie stumme Zeugen einer längst vergangenen Tragödie. Die Schatten Canthas schienen Biyao zu verschlingen, während sie durch verlassene Straßen und über eingestürzte Brücken wanderte. Der fischige Geruch des Wassers vermischte sich mit dem Gestank des Verfalls, der in der Luft hing. Ihre Schritte hallten in der Stille wider, von den Schreien der Entfesselten begleitet, die sich in den Schatten verbargen. Plötzlich spürte sie eine unerklärliche Kälte. Die Atmosphäre verdichtete sich, und ein leises Wispern strich durch die Stille. Biyao zögerte einen Moment, als sie in eine dunkle Seitenstraße einbog. Dort stand das Mädchen, bleich wie der Mond, mit leeren Augen, die Biyao direkt fixierten. "Ich will nach Hause" flüsterte der Geist mit einer zitternden Stimme, die von Trauer und Verlust erfüllt war.

Ein Schauer lief Biyao über den Rücken, als die Parallelen zwischen dem Geist und ihrer eigenen Vergangenheit schmerzhaft deutlich wurden. Erinnerungen an den Tag, an dem Löwenstein zerstört wurde stiegen in ihr auf.

"Ich weiß nicht wo deine Familie ist.", flüsterte Biyao. "Aber vielleicht kann ich dir helfen, Frieden zu finden. Deine Eltern würden wollen, dass du Ruhe findest."

"Woher kommst du?", fragte der Geist mit einem Hauch von Hoffnung in seiner Stimme."Ich hab dich noch nie gesehen."Biyao zögerte einen Moment, bevor sie antwortete. "Ich komme aus einer Zeit, die sich stark von der deinen unterscheidet.

Du musst weiterziehen", sagte Biyao sanft zu dem Geist des Mädchens. "Deine Eltern sind nicht hier. Dies ist nicht mehr der Ort, den du kennst."

Die Augen des Geistes füllten sich mit Tränen. "Aber ich will nach Hause. Warum kann ich nicht nach Hause gehen?"

Biyao atmete tief durch und versuchte, Mitgefühl in ihre Worte zu legen. "Weil dein Zuhause nicht mehr hier ist. Du musst loslassen und deinen Frieden finden."

Der Geist zitterte, als er Biyao ansah. "LÜGE!"

Biyao konnte die Dunkelheit um sich herum spüren, eine bedrohliche Präsenz, die selbst ihre Sinne zu umschlingen schien. "Ich werde dich beschützen, so gut ich kann. Aber du musst mir versprechen, dass du weiterziehst. Die Dunkelheit hier wird dich gefangen halten, wenn du nicht loslässt."

Biyao spürte, wie der Geist des Mädchens sich gegen die unvermeidliche Wahrheit wehrte. Die Schatten zuckten um sie herum, als würde die Dunkelheit selbst die Verbindung des Geistes mit der Vergangenheit verteidigen. Das Mädchen wand sich in einer verzweifelten Anstrengung, ihre Erinnerungen festzuhalten.

"Nein, du lügst! Ich kann nicht tot sein. Ich will nach Hause! Ich will zu meiner Familie!"

"Es tut mir leid, Kleines, aber du musst akzeptieren, was passiert ist. Du kannst nicht hier bleiben. Es gibt nichts mehr für dich in dieser Welt", erklärte Biyao mit einem Hauch von Traurigkeit in ihrer Stimme. Der Geist wand sich in einem letzten Aufbäumen und stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus. Biyao fuhr fort: "Manchmal müssen wir die Realität akzeptieren, auch wenn sie uns schmerzt","Du musst stark sein", sagte Biyao sanft. "Du musst deinen Frieden finden, auch wenn es schwer ist."

Das Geistermädchen schluchzte, und ihre Gestalt begann zu verblassen, bis nur noch ein schwaches Flackern zurückblieb.

Biyao blieb allein zurück."Verdammt nochmal", fluchte Biyao laut. "Diese verdammten Geister und ihre verflixte Unfähigkeit, loszulassen."

Schlurfend setzte sie ihren Weg durch die trostlosen Gassen von Alt-Kaineng fort.

Ihr Ziel war klar: zurück nach Neu Kaineng,

zurück in die modernen Straßen, in denen das Leben pulsierte.Der laute Klang von Gläsern und das Gemurmel der Betrunkenen füllten den Raum, als Biyao die Kneipe betrat. Sie setzte sich an die schmuddelige Bar, legte ihre abgenutzte Waffe vor sich hin und bestellte einen starken Schnaps.. Ein kleiner Stapel Münzen wechselte den Besitzer.

"In Grenths eisige Hölle mit diesem Ort." murrte sie vor sich hin, während der Barkeeper ihr ein Glas füllte.Sie leerte das Glas in einem Zug, spürte das Brennen des Alkohols, das für einen Moment die Kälte ihrer Erlebnisse vertreiben konnte.

"Vielleicht sollte ich einfach mein eigenes Grab buddeln und mich zu den verdammten Geistern gesellen", brummte sie und bestellte noch einen Drink.

"Verdammter Ort, verdammter Katai", fluchte sie vor sich hin, während der Alkohol ihre Kehle herunterbrannte. Der Geist des Mädchens verfolgte sie noch immer, wie ein Schatten, der sich weigerte aus ihren Gedanken zu verschwinden. Biyaos Fäuste ballten sich, und sie schlug gegen die Bar, als könnte sie so die Erinnerungen abschütteln."Verdammte Geister und ihre verdammten Geschichten", brüllte sie, wobei sie kaum bemerkte, wie einige Köpfe sich zu ihr umdrehten. "Ich wollte hier keinen verdammten Heimatsuchenden-Spuk, ich wollte nur meine verdammte Ruhe haben!"

Biyao wusste, dass der nächste Morgen ein Alptraum sein würde, noch bevor er anbrach. Der Geschmack von Reue und bitterem Alkohol würde sich wie ein Schleier über ihren Geist legen, während ihr Kopf pochend und schwer sein würde.

Das Licht der Kneipe war gedämpft, die Geräusche gedämpfter, und Biyao spürte, wie die Müdigkeit sie langsam übermannte. Der Rhythmus ihres Atems mischte sich mit dem der umgebenden Geräusche, und sie fühlte sich, als würde sie langsam in den Schlund des Vergessens gezogen werden.

"Verdammte Stadt, verdammte Geschichten, verdammtes Leben.". nuschelte sie. Ihr Kopf neigte sich langsam nach unten, ihre Augenlider wurden schwer, und Biyao ließ sich in einen unruhigen Schlaf fallen.