Es waren zu viele.
Ich wusste es ab der Sekunde, als sie den leichten Hang hinunter kamen. Verschlinger, Minotauren, Menschen, Charr… mit einer grell schimmernden kristallinen Haut. Tödlich transformiert und von ihrem Meister getrieben. Ihr erregtes Brüllen und Zischen tönte auch über die Entfernung schon an unsere Ohren. Der Himmel war durch den purpurnen Schleier verdunkelt, die Erde unter unseren Füßen zu feinem Staub zerfallen.
„Waffen erheben! Schildträger vor! Wir kämpfen uns durch bis auf die anderen Seite!“ Das Brüllen meiner Legionärin hallte durch unsere Linie und jeder Soldat nahm sofort gehorsam seine Position ein. Mein Platz war weiter hinten bei den Axt- und Schwertkämpfern. Ich sah in das Gesicht meiner Kameradin links neben mir, mit der ich seit nun knapp einem Jahr im Unheil-Trupp Seite an Seite kämpfte. Würde dies nun der letzte Kampf sein?
Plötzlich fühlte ich den Tod an ihr haften wie ein hartnäckiger Parasit. Er breitete seine schwarzen Schwingen über all meinen Kameraden, meiner Familie, meinen Freunden aus. Ich fühlte ihn in meinen Knochen. Eine unumkehrbare Tatsache. Unabwendbar… wie damals.
Panik überfiel mich. Ich atmete nach einigen Sekunden so hastig, dass es in ein wildes Schnaufen überging.
„Auf mein Zeichen!“ Die Worte von Rakyah Unheilschlag klangen dumpf in meinen Ohren. Wie durch eine Wand gedämpft und verzerrt. Ich biss die Kiefer aufeinander, versuchte krampfhaft meine Gedanken zu ordnen. Ein plötzlicher leichter Schlag gegen meine Rippen half mir dabei.
„Was ist los, Cyra? Waffen hoch!“ zischte mich Serak, meine Kameradin, an. Ihre blauen Augen waren auf meine geheftet. Ich drehte den Kopf zu ihr und zog die stickige Luft pfeifend ein. Ihre sonst so hellen Augen waren schwarz und leer. Angsteinflößend leer. Eine grüne Aura schien um ihr Gesicht zu tanzen.
„Reiß dich zusammen!“ Fuhr sie mich an, ergriff meine Linke, in der ich meinen Dolch führte und erhob sie, sodass ich sie in meiner Kampfposition auf Brusthöhe hielt.
„Angriff! Für die Blut Legion!“
Der Befehl zur Attacke schaffte es nun doch mich aus meiner Starre zu reißen. Wir stießen vor und ich lies mich mit tragen, erhob meine Axt und den Dolch und funktionierte.
Harte kristalline Körper prallten auf die gepanzerten Soldaten des Unheil-Trupps.
Als meine Axt dem ersten Kristalldiener den Kopf vom Hals trennte, konnte ich zumindest teilweise wieder klar denken. Ich bewegte mich schneller und schlug gezielter zu, wie ich es gelernt hatte. Furchtlos kämpften Serak und ich Rücken an Rücken, unsere Kameraden etwas weiter vorne neben der Legionärin, wie wir es geübt hatten. Ein Pfeil unseres Bogenschützen streckte das nächste Monster vor mir nieder, bevor mein Dolch es überhaupt traf.
„Weiter nach rechts, sonst umzingeln sie uns!“ drang der Befehl von Unheilschlag an unsere Ohren.
Wir gehorchten. Schlugen uns zu unserer Rechten hin durch und spalteten noch etliche weitere Kreaturen in schimmernde Kristalle und Staub, welche bald den ganzen Boden um unseren Füßen bedeckten. Serak hielt mir einen seitlich heranstürmenden Minotauren vom Leib, ich zertrümmerte einen Verschlinger zu ihrer Linken. Knurren und Kampfschreie mischten sich mit gläsernem Splittern und Geseufze.
Dann spürte ich, wie Serak unvorsichtig wurde. Sie sprang brüllend zwei transfomierten Charr entgegen. Erhob ihre Schwerter und vollführte eine komplizierte Drehung. Ich wandte mich um, um ihr zu helfen…als ein plötzlicher kalter Schauer über meinem Rücken mir fast die Luft aus den Lungen presste. Ein Schrei hallte über das Schlachtfeld. Voller Schmerz.
Serak sank vor meinen Augen zusammen. Ein purpurner Kristallsplitter ragte ihr aus der Brust und die Charr-Ungeheuer holten sofort mit ihren Krallen aus und fuhren ihr über das Gesicht und die Seite. Meine Kameradin wurde förmlich zerfetzt. Ihr Schrei erstarb augenblicklich, ihre Waffen wurden nutzlos weggeschleudert und die Reste ihrer Gestalt formten sich vor meinen Augen in kalten schwarzen Rauch.
Ich war kurzzeitig wie gelähmt. Kälte drang immer mehr in mein Bewusstsein, in mein Fleisch.
Als die Kreaturen, die Serak getöteten hatten, auf mich zu kamen, erhob ich wie mechanisch meine Waffen. Wirbelte meine Axt auf sie zu, lies meinen Dolch tanzen, bis die Monster zu Staub zu meinen Füßen zerfielen. Ich keuchte, schwitzte. Die Kälte lähmte mich, entzog mir Kraft.
„Zurück! Sofort!“ hallte die Stimme Unheilschlags zu mir heran. Doch ich musste nicht auf sie und meine Kameraden sehen, um zu wissen dass gerade ein weiterer meiner Freunde fiel. Sein knurrender Schrei erfüllte meinen Leib.
Es wurde immer schlimmer, je näher der Tod voranrückte. Unumgänglich streckte er die grässlichen Klauen nach jedem einzelnen meiner Kameraden aus. Es dauerte noch etliche Minuten, ehe nur noch ich und unser Bogenschütze fähig waren zu laufen. Minuten, in denen ich meinen Kameraden wohl keine Hilfe war. Ich krümmte mich, fletschte die Zähne, wollte dieser Kälte entkommen.
Rakyah brüllte uns den Rückzug zu, ehe ihr Knurren in ein gepeinigtes Gurgeln überging und sie von den Hörnern eines Minotauren durchbohrt und in die Luft geschleudert wurde. Der Griff des Todes lies schlagartig nach. Ich sank auf die Knie und übergab mich quälend auf die staubfeine kristalline Erde. Doch mir blieb nicht viel Zeit, mich zu erholen. Eine Pranke umfasste mich unsanft am rechten Oberarm und zog mich hoch. Kror, unser Bogenschütze blickte mich fest an und schüttelte mich.
„Lauf, Cyra! Rückzug!“ er behielt seine Pranke an meinem Arm und schleifte mich mit, hinter uns zischten und brüllten die übrig gebliebenen Brandkreaturen unerbittlich. Ich drehte mich nicht um und lies mich erschöpft von Kror mit ziehen. Mein Trupp. Tod. Vergangenheit. Kopfschmerzen mischten sich unter meine Erschöpfung.
Der laute Hall eines Horns durchbrach meine Gedanken. Der Klang von Kror’s Kriegshorn, um Hilfe nahe stationierter Trupps herbei zu rufen.
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Nachwort:
Viele werden sich vielleicht Fragen, warum meine Nekro denn nicht eher Stärke aus dem Tod zieht....
Ich spiele Cyra nicht voll und ganz als Nekromantin aus. Sie spürt den Tod, doch sie befiehlt oder kontrolliert ihn nicht. Je mehr Lebewesen um sie herum kurz vorm Tod stehen, um so intensiver ist es für sie. Ein ganzer Trupp stellt also für sie eine unglaubliche Belastung da.
Sie kann auch nicht jemanden durch pure Nekromantie töten oder Leben entziehen.
Und ja, sie hat aus dem Kampf Wunden davon getragen (falls hier jemand denkt: Wie kann die sich denn gegen die 2 Charr wehren, wenn sie doch halb gelähmt ist!?)... nur weil ich sie hier aber nicht genau beschreibe, heißt es nicht, dass sie nichts abbekommen hat