Die tiefschwarze Nacht, welche sich über die Ländereien und Städte gelegt hatte, wurde durchbrochen von dem zuckenden Licht der Blitze, gepaart mit dem tiefen Donnergrollen, das wie ein unliebsamer Gast über das Land rollte. Der Regen prasselte in dicken Tropfen an die Fensterscheiben, der Wind sauste um die Gemäuer.
Taylah Locksley stand am hohen Fenster ihres Zimmers, unlängst geweckt von dem Unwetter und beobachtete wie die Bäume sich im Tanz der schaurig schönen Melodie wiegten. Schweigend und starr zeichnete sich die Silhouette der Gräfin hinter dem verschwommenen Fensterglas ab, einzig zu sehen wenn das weiße Licht im Sekundentakt in das Zimmer flutete.
Ihre Gedanken lösten sich von dem Zimmer, von der Nacht und dem Gewitter, von welchem sie nur durch dieses fast lächerlich dünne Glas getrennt war.
Die Ereignisse der letzten Tage hatten sich überschlagen, Informationen waren unablässlich in die Geschehnisse getröpfelt und hatten immer wieder neue Wendungen einfliessen lassen. Jeder Faden, welcher sich gerade gebildet hatte, riss ab und es musste ein neuer geknüpft werden. Im Fokus stand immer noch das Treffen mit Starfall, die weiße Hand und das Kopfgeld auf Brandon. Ihre Mimik, immer wieder getroffen von Lichtblitzen, war unbewegt, doch hinter ihrer Stirn arbeitete es immerzu, wie ein Mühlenrad das nie zum Stillstand kommen durfte. In ihrer schweigsamen Einsamkeit fügte sie die Puzzleteile zusammen.
Sie selbst hätte nicht sagen können wir lange sie dort stand, aber irgendwann löst sie ihre Starre, gleichsam einen leisen Seufzer in die Welt entlassend. Als sie sich vom Fenster abwandt und zur Anrichte trat, entzündete sie die frische Kerze, welche in dem silbernen Halter stand und verliess ihr Zimmer. Wäre das Donnergrollen nicht gewesen, hätte völlige Stille im Anwesen geherrscht. Für viele wäre es unheimlich, die Bilder die einen anzublicken schienen, die dunklen Gänge und die langen Vorhänge die sich in der seichten Zugluft bewegten. Sie liebte es. Und sie liebte das Gewitter, welches um das Haus tobte. Ihre Weg führte sie in das Arbeitszimmer und zu dem Schreibtisch. Dort nahm sie Platz und zog das Schlaftuch, welches um ihre Schultern und über dem Nachthemd lag, ein wenig fester. Es war Nachts kühl im Haus wenn die Kamine ihren Dienst erst versagt hatten. Vorsichtig, als wolle sie jedes Geräusch vermeiden, stellte sie die Kerze ab, die einzige Lichtquelle. Das Lederbuch fand den Weg auf den Schreibtisch und während sie es aufschlug, geriet die erste Seite, auf welcher „Ungesagt“ geschrieben stand, nur kurz in ihr Blickfeld.
Tief tauchte sie die Spitze der blutroten Schreibfeder in die Tinte und setzte dann auf einer neuen Seite an. Die Kerze flackerte leicht, die Feder kratzte auf dem Pergament und die Blitze zucken über den Schreibtisch hinweg. Und so saß die Gräfin dort, ihre Zeilen verfassend.
"Ich habe keine Angst. Bei allem was geschieht, ich bin besorgt aber ich habe keine Angst. Es mag ein Fehler sein, vielleicht eine Schwäche und manche würden es Dummheit nennen. Aber bisweilen haben wir jede Situation gemeistert, wieso also nicht auch diese? Ist es denn gefährlicher als ein offenen Schlachtfeld? Lohnt es überhaupt Angst zu verspüren? Wir werden bald mehr wissen und vielleicht Dinge aufdecken, die lange im verborgenen blieben. Im Moment entwickelt sich alles sehr zu meinen Geschmack, ich bin zufrieden.
Die Vögel, du weisst ich liebe meine Vögel und könnte stundenlang ihrem Gezwitscher, dem lieblichen Klang ihrer Stimmen lauschen. Ein neues Vögelchen, so jung und voller Pracht. Es wird noch viele Lieder singen. Ja, ich möchte es behalten."
Schon nach diesen wenigen Zeilen setzte sie ab und legte die Feder wieder beiseite, an den Platz, an welchem sie immer lag. Langsam lehnte sie sich im Stuhl zurück und liess sich wieder von dem Unterwetter einnehmen, welches durch das Panoramafenster gut zu beobachten war.
Nach einer Weile erhob sie sich vorsichtig und verließ das Arbeitszimmer ebenso leise wie sie gekommen war. Ihre Schritte führten zurück zu ihrem Zimmer, nichts würde am Morgen darauf hinweisen, dass sie in der Nacht wach gewesen war. Langsam öffnete sie die schwere Zimmertür und trat ein, doch kaum hatte sie die Schwelle überquert drehte sie sich nochmal um und warf einen Blick auf den Gang hinaus. Stille. Sie pustete sie die Kerze aus und das kleine Licht der Flamme wich der Finsternis nun wieder. Die Tür der Gräfin schloss sich.