Blutfaust

Gemeinsam saßen sie an den Docks, blickten auf das Meer hinaus. Selbst von hier sah man die gewaltigen Felsen, die aus dem Wasser aufzuragen scheinten und den Hafen der einst so prächtigen Stadt schützen. Tag täglich schufteten sie, um die Überreste der Zerstörung zu beseitigen. Und ihr Tun brachte langsam Erfolge mit sich. Doch waren es Momente wie dieser, wenn sie zusammen saßen und die versiffte Flasche Rum durch die Runde wanderte, in denen das Seemannsgarn fester und dichter gesponnen wurde.
Ein zischender Laut zerbrach die Stille, als der junge Bursche von kaum vierzehn Jahren sich am Messer schnitt und das Blut über seine dreckige Hand rann. Er lernte einfach nicht daraus, denn es war nicht das erste Mal, dass er sich beim Fuchteln mit dem Messer schnitt. Ein unverständlicher Fluch kam über seine Lippen, ehe das Messer in den Sand fiel und er sein klammes und teils zerissenes Hemd auf den Schnitt drückte. Kerl und Weib, die mit ihm um das Feuer saßen, lachten rau auf und einer Schlug dem Burschen auf den Rücken, worauf dieser nach vorne ruckte. Nur der Alte, der wohl sein ganzes Leben auf See und in Löwenstein verbracht hatte, packte den Arm des Burschen und wedelte nach der Pulle. "Solltest aufpass'n. Sonst hast 'ne Hand weniger," brummte der Seebär dem Burschen zu und schüttete einen Schluck Rum über dessen Hand, worauf der Junge hoch quietschte und sich auf die Zunge biss. Wieder lachte die Meute am Feuer auf, spottete und johlte.
Auch der Alte versteckte ein schwarzzähniges Grinsen nicht, das auf dem verrußten Gesicht prangte. Schließlich trank auch er noch einen tiefen Schluck, ehe er die Flasche dem Burschen reichte, der sich gierig darüber her machte, in einem Husten endete. Doch bevor der Junge sich noch mehr Spott ergeben musste, räusperte sich der Alte und sah in die Runde.
"Bringst mich auf was, was 'ch schon lang nech mehr g'hört hab. Kennt ihr's Garn von'ner Blutfaust?" So wie er seine Worte gesprochen hatte, prustete einer der Kerle seinen Schluck Rum ins Feuer, was die Flammen kurz aufpeitschte und einen wunderbaren Geruch erzeugte, ehe der Wind ihn davon trug. Grinsend stich sich der Seebär den Bart, erhob dann direkt die Stimme. "Blutfaust, aye...'ch sag euch, das'es viele G'schicht'n über die gibt. Aber...'ch erzähl euch mal, warum die so g'heiß'n hat. Bevor die Blutfaust war, war die einfach nur die Norn. Aye...die Norn," er lachte dreckig und zeigte wieder seine abgewrakten Zähne, die ihre Besten Tage schon lange hinter sich hatten. "'n Weib, so groß wie'n Berg und mit mehr Holz, als alle Weiber in dem Loch hier z'samm! 'n Blick, der hat dir's Blut in'nem Schwanz frier'n lass'n, aye. Un's heißt, wenn die g'sproch'n hat...'n sin' dir die Ohr'n geplatzt. Aber lang war die nech die Norn..irg'ndwann hat sech ma' einer getraut die zu lang anzuglotz'n. 'ch sag's euch! 'ch war selber dabei! Wie'n Hai is' die auf'n los un' hat dem 'n neues G'sicht verpasst. Mit eim' Schlag. Ham' den dann erstma' eingewick'lt...aber 's war auch 's letzte Mal, wo 'ch'n g'seh'n hab. Aye...," er machte eine Pause, etwas länger und neigte sich näher an die flackernden Flammen des Feuers, als würde er ein Geheimnis verraten. Die Augen geweitet und die Stimme mehr als leise, fast etwas zittrig. "'s heißt...das'se'n in'ner Nacht g'holt hat...un'...gegess'n. Aye...'n wenn die ma' gekämpft hat, 'n bist am Best'n gerannt. Un' 'ch hab auch gehört, 's die Blutfaust wie'n 'serker durch'e Reih'n von'ner irr'n Sylvari durch is'. Un' die hat'er dann mehr Gold gebot'n. Aye...viel mehr. So viel, 's die Blutfaust sech geg'n ihr'n Käpt'n un'ne Mannschaft gestellt hat...alle verreckt. 'ch sag euch...'s besser, 's die nech mehr da is'. Aber..so un'ner uns... 'ch glaub nech, 's die verreckt is'. Die...wartet." Gewichtig nickte der Alte, als er seine Erzählung beendet. Wäre seine Haut nicht so verdreckt, würde man durchaus den Schauer sehen, der sich über seine Arme zog und ein unangenehmes kribbeln in den Nacken drängte. Und fast schon mit einem Anflug von Panik sah er auf das Meer hinaus, welches nun im Dunkel der Nacht schimmerte, hier und da von Feuer und Fackelschein schwach erhellt. Seinem Blick folgten andere, doch nicht alle. Seemannsgarn, immer erstunken und erlogen...oder?


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Und tief in der Nacht, trieb in der Strömung ein Fass, das schier an den Felsen weit unter dem Löwentor zu zerschellen drohte. Doch hatten die Wellen die Rechnung ohne die hochgewachsene Norn gemacht, die eine Leine zwischen ihren Zähnen hatte und das Fass hinter sich her zu der kleinen Sandbank zerrte. Kurz klopfte sie auf die Planken des Fasses, welches einen dumpfen Ton von sich gab, ehe ihre Augen einen kurzen Moment vor Vorfreude und Triumph glänzten. Die Leine wurde zwischen den verkrampften Zähnen heraus gezogen und fiel platschend ins Wasser. Kratzig und rau klangen die Worte, die dann aus ihrem Mund kamen. Als hätte sie Wochenlang keinen einzigen Ton gesprochen. "'s brauch'n Flasch'." Ja, und irgendwo in Löwenstein würde sie auch eine solche finden. Am Besten gefüllt. Egal von wem.

„The Norn will not change simply because the Dwarves do not understand our ways.
I'd rather be hated for who I am than loved for who I am not.“

Jora