Leise knistert das Feuer und scharrt der Stift über das Papier. Eine ruhige Nacht. Hin und wieder gibt das Dolyak ein leises Schnorcheln von sich.
Angst muss man hier nicht haben. Dolyaks sind bestens für die Wildnis in den Zittergipfeln gerüstet. Ein dichtes zottiges Fell schützt sie vor der Kälte, scharfe Sinne vor Feinden und ihre urgewaltige Kraft macht sie zu lebenden Festungen. Es gibt nicht viele wilde Wesen, die es mit einem Dolyak aufnehmen würden. Solange das Dolyak ruhig schlafen kann, muss sich Sarah keine Sorgen machen.
Sorgfältig schreibt sie ihre Gedanken in das Büchlein, welches sie stets bei sich trägt. Nach und nach macht sich Ruhe und Ausgeglichenheit in ihr breit. Es ist, als würde sie einem alten Freund ihr Herz ausschütteln. Und so ist es letztlich auch. Das Büchlein ist ein alter Freund und treuer Begleiter, schon immer gewesen. Selbst als alles um sie zusammenbrach, hatte Sie diesen schweigsamen Freund dabei, der sich ihre Gedanken und Gefühle anhörte ohne ihr zu widersprechen, sie auszulachen oder sie zu verlassen. Ihr halbes Wesen und Leben steht schon darin, alle Höhen, Tiefen, Gedanken und Sehnsüchte, Geheimnisse und Offenbarungen, hin und wieder ein Kochrezept und viele viele Notizen.
Hin und wieder lohnt sich ein Blick hinein um in ihre eigene Vergangenheit zu schauen, ihre Entwicklung zu betrachten und sich selbst einen Spiegel vorzuhalten.
Sie blättert einige Seiten zurück, ein Eintrag ist dort, welchen sie vor einigen Monaten gefertigt hat, nicht lang nachdem sie Seth kennenlernte. Ihre Liebe zu den Elementen hat sie verfasst.
Zum Feuer, welches voller Leidenschaft und Kraft brennt, schwer zu beherrschen ist, dafür aber Macht, Liebe und Lust verspricht. Sie liebt die Schönheit von tanzenden Flammen, das Prickeln auf der Haut, wenn sich das Feuer darüber bewegt ohne sie zu verbrennen. Sie liebt das Knistern der Lagerfeuer und den Geruch der Kohlepfannen, welche in den offenen Gängen und auf den freien Flächen der Abtei stehen und wohlige Wärme verbreiten. Sie liebt so manche heiße Nacht mit ihrem Verlobten, die nackten Körper, welche sich erhitzt umeinander winden.
Oder zum Element der Luft, diese unsichtbare Naturgewalt. Nichts ist bewegender und stärker als Luft, nicht einmal Wasser kann solch eine Kraft aufbringen. Luft bewegt das Wasser, zerrüttet den Stein und trägt das Feuer weiter. Doch Luft ist auch wendig und schnell, sanft und schmeichelnd. Man kann sich in sie fallen lassen und sie trägt einen wie ein Blatt im Wind, schnell weht sie einen davon, sie immer ruhelos. Sie umfließt alles geschmeidig, doch nimmt sie immer auch ein Stückchen von allem mit, trägt es weiter fort. Luft ist nicht so impulsiv wie Feuer, nicht so voller Leidenschaft und tosender Kraft. Sie ist konstant, man kann sich auf sie verlassen, sie ist immer da, egal wo man ist.
Fast wie die Erde. Auch wenn es einem manchmal den Boden unter den Füßen fortzieht, am Ende kommt man immer wieder hinab. Die Erde ist das Fundament der Welt, alles was lebt, ruht auf ihr, selbst die Vögel, die ihre Nester in Felsspalten und auf Bäumen bauen. Auch sie sind nicht ununterbrochen in der Luft. Die Erde vermittelt einen festen Halt, meistens schweigt sie, doch ist sie nie untätig. Erde ist genauso wandlungsfähig wie alle anderen Elemente, doch ist sie dies mit Ruhe und Bedachtsamkeit. Nichts wird überstürzt, nichts wird nur aus einem Impuls getan. Die Erde, nicht das Wasser, ist quasi fast der Gegensatz zum Feuer. Sarah liebt den Kontakt zur Erde, schroffe Felsen ebenso wie weicher Sand.
Das Wasser jedoch mag sie nicht so sehr, vielleicht aber nur, weil sie von seiner gefrorenen Version tagein tagaus umgeben ist. Dennoch verspricht das Wasser Reinigung und Heilung. Es ist sanftmütig an der Oberfläche, spiegelt die Schönheit eines jeden wieder, der hineinblickt. Doch wirft man einen Stein hinein, verzerrt es und zeigt die scheußlichsten Fratzen. Wasser kann wild werden, wenn man es stört und frostig, wenn man ihm nicht mild begegnet. Scharfes Eis kann dich schneiden und ist danach schon wieder fort, ein kleines Rinnsal Schmelzwasser. Wasser ist das hinterhältigste Element. Es gaukelt einem Ruhe und Frieden vor, an seiner Oberfläche, doch verbirgt es hinter dieser Maske manches Mal einen Abgrund.
Sarah schließt leise das Büchlein und steckt es weg. Ein Blick auf die Taschenuhr verrät ihr, dass es schon weit nach Mitternacht ist. In ein paar Stunden schon, muss sie weiter.
Sie legt einige Riemen und Gürtel von ihrer dicken Winterkleidung ab, damit diese nicht drücken, dann kriecht sie in den Schlafsack. Das Dolyak schnauft leise und schmatzt im Schlaf. Irgendwie beruhigende Geräusche.