Ein missbilligendes Brummen konnte der Priester sich nicht verkneifen, als er Nico nachsah. "Latrinendienst...hrrn.", schnaubte er ob dem durch seine Hand erteilten Strafmaß in sich hinein – und dachte an damals.
~ Rückblende - 27. Tag des Kolosses 1297 ~
Eichwalds Hand war nie gnädig gewesen. Von Anfang an nicht. Der einzige Akt der Gnade, den er durch den stämmigen Priester mit dem mächtigen roten Bart erfahren hatte, war seine Rettung gewesen. Der Junge dankte ihm nicht dafür, und er vermochte nicht zu sagen, ob er dem Gott danken wollte, dem zu dienen er nun bestimmt war.
Als der Stock seinen Rücken zum dritten Streich traf, fragte er sich, ob dies hier nur eine neue Version dessen war, was er an Vater gehabt hatte. Aber als er keuchend aufblickte und die starrenden Gesichter der anderen Novizen sah, die das Geschehen umringten, wusste er, dass es anders war. Er sah Gleichgültigkeit, sah Mitgefühl, sah grimmiges Unbehagen, sah Schadenfreude darüber, nicht selbst der Sündenbock zu sein. Alles verborgen unter einem Mantel eingeprügelter Disziplin, aber präsent Nichts desto trotz.
Keiner von ihnen tat etwas gegen die Hand des Peinigers, denn keiner wollte als nächstes dran sein. Ein festes, schnappendes Geräusch verkündete den Aufprall des harten, hohlen Holzes auf blanker Haut. Zum vierten Mal.. und zum fünften und zum sechsten. Ächzend fletschte der Novize die Zähne, biss sie aufeinander und hielt den Oberkörper stur aufrecht. Es war der Trotz, der ihn dazu befähigte, denn das bisschen Disziplin, das sie ihm schon eingeprügelt hatten, brauchte er, um auf den Knien zu bleiben und die Hände hinterm Steiß still zu halten.
Er hasste sie, hasste sie alle bestialisch, dafür, dass sie ihm nicht einfach helfen konnten, während sein Rücken sich rot färbte, rot wie das Element ihres gemeinsamen Gottes. Den Priester natürlich hasste er noch mehr, mit einem rasenden Zorn, wie er ihn das letzte Mal gespürt hatte, als er Hamlin zusammengeschlagen hatte. Heiß pumpte er durch seine Gefäße, dieser Zorn, brannte von innen heraus und ließ ihn dürsten, den Spieß umzudrehen. Hamlin war schwach gewesen. Er aber war nicht schwach.
Der siebente Hieb traf den unbeugsamen Burschen mit einer bösartig beißenden Präzision, die ihn zwang, in schmerzlichem Keuchen nach Luft zu schnappen. Etwas Blut rann ihm inzwischen an den Flanken herab, aber wirklich ins Gewicht fiel das nicht mehr. Der Leib ruckte und krümmte sich unweigerlich tiefer. Der Boden lockte bereits. Und auch wenn er nur für dieses kleine Vergehen eines jugendlichen Geistes so hart gestraft wurde, wollte er nicht nachgeben.
Verbissen warf er den Kopf in den Nacken, als der Priester ein achtes Mal auf ihn eindrosch, und in seiner Sicht tanzten langsam kleine Sterne vor lauter Schmerz. Er verbot sich selbst, zu schreien. Stattdessen konzentrierte er sich auf den steinernen, gehörnten Helm, der das Ganze etwas abseits aus vielen Metern Höhe überblickte.
Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass Balthasars Statue ihn in diesem Moment genau im Fokus hatte, nur ihn und keinen der anderen. Als würde er ihn abschätzen. Ihn prüfen, wie viel er noch würde aushalten können. Er fragte sich nach dem Sinn hinter all dem. Wohin es ihn bringen würde. Wohin, im Endeffekt, hatte es ihn bisher gebracht? Es war egal. Er wollte siegen und ihnen allen sein Blut ins Gesicht spucken.
Pfeifend nahte der Stock. Noch zwei mehr.
~ * ~
Dronon klemmte sich die erfolgreich hervor gefriemelte Zigarette in den Mundwinkel. Dann tasteten die in roten Stahl gehüllten Finger nach einem Streichholz. Alte Zeiten, ja..
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