Die Grenzen wurden aufs Heftigste erschüttert. Die Grenzen der Vernunft, die Grenzen jeder Moral und jedes noch so festgesetzten und niedergeschriebenen Kodex, nach dem sich das Gewissen richtet welches uns gebietet wie wir zu handeln und zu denken haben.
Nicht das Erste Mal ist es dass die Grenze, welche nur allzu schnell zu überschreiten ist von einer unüberwindbaren Mauer zu einer Kreidelinie auf dem Boden wurde. Der moralische Verfall ist überall zu sehen. Aus Löchern und Ritzen, aus der Kanalisation oder von den höchsten Türmen kriecht er schleichend hervor und greift nach jedem der nicht willens ist sich an die Regeln zu halten die uns jede erdenkliche Höhere Instanz vorgibt. Unsichtbar, verschleiert von Illusion bewegt sich der Verfall durch die Straßen und nur wenige sind in der Lage sie zu durchschauen. Die Bewohner Tyrias haben sich diesem Verfall hingegeben, haben jeden Anstand aufgegeben und manchmal frage ich mich, ob denn nichts mehr als heilig gilt, keine Orientierung mehr gewünscht wird und wir auf dem Besten Wege ins Chaos sind.
Dass kein Volk und keine Gesellschaftsschicht vor diesem Chaos gefeit ist, macht die Sache wenig tröstlich, zeigt es aber nur, dass es nicht die Umstände ausmachen sondern ein Potential tief in jeder Seele, das Potential die Grenzen zu überschreiten. Bisher war es leicht mit schlichten Analysen, Scharfsinn und Kombinationsgabe heran zu gehen. Fakten, es ging immer nur um Fakten. Indizien, Beweise, Zeugen, Aufzeichnungen. Puzzle-Teile, welche sich nach einem auf Logik basierendem System zu einem Bild zusammenfügen lassen und alle Antworten liefern, eine klare Spur bilden. Es gab immer eine Spur der ich folgen konnte, die mich direkt zur Lösung des Rätsels führte und damit auch zur Quelle des Verfalls. Die Pflanze des Verfalls an ihrer Wurzel auszureißen halte ich für die vernünftigste Antwort in dieser Frage. Es gilt die Pflanze zu packen und jede Verwickelung, jede Verbindung, sei sie auch noch so tief unter der Erde verborgen, zu lösen und den Boden vor weiterem Verfall zu sichern, auszudorren und unfruchtbar zu machen für die Saat des Verbrechens.
Die Tat, Opfer, Täter und Indizien betrachtete ich immer als einen recht engen Kreis, eine eigene kleine Illusion. Ein Kreis, den ich betrachten konnte wie ein Schachbrett, jeden einzelnen Zug durchdenken und nachverfolgen konnte von einer Position aus, die es mir erlaubte keinen der Züge und keine Taktik zu werten sondern sachlich zu beurteilen. Doch dieses Mal ist es anders dieses Mal finde ich mich in diesem Kreis wieder inmitten des Verfalls der mich einzugrenzen droht. Diesmal wurden nicht nur Grenzen der Vernunft und des Gesetzes überschritten, diesmal ist auch eine persönliche Grenze überschritten worden. Ich sehe mich inmitten Verlust von Moral und Anstand wieder und stelle am Ende fest, dass wirklich niemand vor dieser Verdorbenheit geschützt ist, auch ich nicht. Ich bin nun nicht mehr der Beobachter, der sich das Schachbrett in Ruhe besieht und logisch nachvollzieht, nun bin ich eine der Figuren, geführt in einem Spiel aus Täuschung und falschen Masken.
Im Konflikt zwischen eigenen Idealen und denen, die das Gesetz vorgibt, habe ich keine Wahl als mich direkt in den Verfall zu bewegen, die Wurzel zu finden die es auszureißen gilt, auch wenn dies bedeuten sollte, dass der Verfall versucht sich in meine Gedanken zu schleichen, mich langsam in dieselbe Illusion zu hüllen, der auch schon viele andere erlegen sind. Und hier unterscheide ich mich von den anderen.
"Wer ist denn diese Göre, die sich selbst >Detective< schimpft und dabei doch keine Ahnung vom Leben hat?"
So werde ich vielleicht in Erinnerung bleiben. Aber das ist nun auch nichts Bedeutendes mehr. Die Grenzen meines eigenen inneren Kreises wurden verletzt, das Nest geplündert und mit Verfall verseucht. Und dadurch sehe ich mich gezwungen zu handeln, mit aller Aggressivität, allen Tricks die mir zur Verfügung stehen vor zu gehen. Und wenn es bedeutet, dass ich selbst die Grenzen sprengen muss. Es kann erst wieder Frieden geben wenn die Illusion gelüftet ist und das Spiel beendet wurde. Und das Spiel wird nicht einfach, wird mir einiges abverlangen und die Fundamente meines Verstandes ins Wanken bringen. Doch wenn ich es nicht tue, tut es niemand. Hier ist es nicht die Pflicht, die mich gebietet, nicht die Ehre nicht das Gesetz. Keine logisch nachvollziehbaren Dinge, keine Schemata nach denen ich funktionieren und denken kann, die mich in der Distanz halten und die mich auszeichnen. Diesmal geht die Sache tiefer. Die Schuld ist es die mich treibt und lenkt, die Verantwortung an einem Nest, welches lange nicht mehr meines ist, an einem Küken, das darin mehr Sicherheit finden sollte als ich und ihm nun entrissen wurde. Es ist meine Aufgabe es zurück zu bringen. Egal was kommt und was es kosten mag. Vielleicht blickt die Göttin wachend über mich und führt mich durch Täuschung und Verdorbenheit der Menschen, lässt mich ihre wahren Gesichter erkennen. Und die Hoffnung, dass sich die Schuld begleichen ließe, wird mich nur noch unerbittlicher machen für all jene, die sich in meinen Weg stellen, all jene die noch nicht begriffen haben mit wem sie es zu tun haben.
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