Jugendschutz-Spoiler
Beinahe lautlos war es in dem Zimmer. Beinahe. Und doch lag das Mädchen wach und lauschte Atemzügen,
deren alleinige Existenz das Fundament für die Gedanken bildete, welche das Mädchen beschäftigten.
In der Mitte ihres Bettes lag er, selbstherrlich auf dem Rücken und so arrogant, als gehörte es ihm.
Ihr blieb nur seine Seite, aber das hinzunehmen fiel der schmalen Gestalt nicht schwer. In ihrer Natur
lag etwas Symbiotisches, etwas, das sich nicht dafür schämte einen Schritt zur Seite zu treten und
Raum zu schaffen für jemanden, der ihn dringender benötigte. Sie sehnte sich nicht danach in
irgendeinem Mittelpunkt zu stehen. Es verlangte sie nicht nach Rampenlicht. Es kostete sie nichts
unscheinbar zu bleiben. Denn sie war es nicht und für jene Wenigen die sich dessen bewusst waren,
leuchtete sie im Schatten umso heller. So hatte sie nun also den Kopf auf seine Brust gebettet.
Nicht weit von ihrem Ohr pumpte ein kräftiges, gesundes Herz Blut durch einen Kreislauf, stetig und
unverrückbar, erfüllte jemanden mit Leben, das sie Nacht um Nacht erneut gewährte, und auch jetzt
glitt eine Hand weiter unter das Kopfkissen. Wie schon so oft zuvor schlossen sich lange, schmale Finger
um den Dolchgriff.
Sie könnte es tun. Könnte es jetzt tun. Könnte es Sekunden ebenso wie Stunden dauern lassen.
Oder, wenn sie gerade besonders ungnädig war, dafür sorgen, dass er nichteinmal mehr die Chance
hatte wach zu werden. In ihren Gedanken strich die Klinge längst über jene Schlagader, die an seinem
Hals so kräftig pochte, dass das Mädchen es beinahe spüren konnte. Es wäre wundervoll.
Es wäre ... so einfach. Und alle Ketten die sie im Zaum hielten, wären mit diesem einen genommenen
Leben gesprengt. Sie wäre frei ihr Herz wieder mit Leere zu füllen, könnte wieder jenes Blatt im Wind
sein, das sich ausschließlich seinem eigenen Urteil unterwarf und vor allem hätte sie jenem fortwährenden
Schmerz endlich Einhalt geboten, der sie ganz gegen ihre Natur an seine Seite zwang. Ihr Wesen war nicht
dazu konzipiert etwas oder jemanden zu brauchen. Wie schön und unbedeutsam er wäre, wenn sein Blut ihre
Laken tränkte. Und wie gesättigt wäre ihre Gier danach, dass er ihr und nur ihr gehörte. Es gab keine Worte
dafür, wie sehr sie sich danach sehnte ihm das Leben zu stehlen. Dieses eine Leben, welches ihr so viel mehr
bedeutete als ihr eigenes.
Tief atmete sie ihn ein, als sie sich langsam über ihn schob. Geschmeidig waren die Bewegungen, nicht
unähnlich jenen eines Raubtieres, das auf der Pirsch war. Ihre Krallen, die scharfe Klinge selbst nämlich,
legte sie ihm an die Kehle. Ihm, dem der subtile Stimmungsumschwung im Raum längst den leichten Schlaf
genommen hatte und der jede ihrer Regungen genaustens belauerte, so wie sie seine verräterischen
Atemzüge. Sein Herz schlug schneller jetzt, wenn auch nicht viel. Diese Klinge zu fürchten kam ihm nicht
in den Sinn. Nicht, als diese jene empfindliche Haut ritzte, und auch nicht, als sie sich zu ihm hinab lehnte
um seine Lippen zu ihrem Eigentum zu erklären. Seine Lippen und dann sein Kinn, den Kiefer, seine Kehle.
Einen Millimeter tiefer fraß die Klinge sich, als er schlucken musste und noch einen Millimeter mehr, als ihre
Zähne sich rücksichtslos in das Fleisch seiner Schulter gruben. Blut war es, das ihre Lippen dunkel färbte,
als das Mädchen sich aufrichtete um über ihm zu thronen wie eine Königin. Und unbarmherzig war auch
das nächtliche Obsidian ihrer Augen, nun, da sie nach eben jener Schulter griff, um ihn daran an sich zu
ziehen. Sachte, ganz behutsam, denn das blitzende Silber wartete voller Verlangen darauf gefährliche
Wunden zu schlagen, wenn er nur ihre Regeln brach. Wie sehr sie sich wünschte, er würde es versuchen.
Stattdessen aber schlangen sich starke Arme um einen viel schmaleren Leib und Schläfe an Schläfe
verharrten sie, beide in der Macht badend, die diese vermeintlich zierliche Hand über sein Leben hatte.
Sekunden, ganze Minuten vielleicht, waren verstrichen, als sie sich mit der Zunge das Blut von den Lippen
nahm. Der tiefe, bedächtige Atemzug kündigte die Worte an. Eine Stimme hatte sie gerade nicht, aber selbst
in ihrem Wispern lag ein heiseres Kratzen: "Hast du dir jemals vorgestellt, mich zu töten?"
Das brummige "Hmhm." rollte ihr derb aus der Kehle entgegen und endete in einem ungewollten Stöhnen,
als sie sich nun endlich hinabließ. Die Klinge an seiner Kehle zitterte bedeutsam, als sie begann sich auf
ihm zu bewegen: "Erzähl mir davon."
Und das tat er.
Gierig drängte sich seine Kehle gegen das kalte Metall, als er ihr Worte wie Küsse auf die Schultern grollte.
Er erzählte ihr davon, wie er sie betrachten würde. Erzählte ihr mit welcher Leichtigkeit die Klinge durch ihre
Haut drang. Er sprach von der Schönheit ihres Blutes auf der viel zu jungen, zarten Haut und davon wie er
sich in ihren aufgerissenen Augen verlieren würde, während sie nach Luft zu schnappen versuchte und
begriff. Mit Hingabe versprach er bei ihr zu Bleiben bis aus dem Begreifen Gewissheit geworden war und sie
auch dann noch zu halten, wenn letztlich nichts anderes mehr als Leere blieb.
Und als der Höhepunkt sie zwang, den Kopf in den Nacken zu werfen und den Rücken soweit durchzubiegen,
dass nur seine Arme es waren die ihr noch irgendeinen Halt gaben, da wusste sie wie kalt, wie grausam, wie
unwiderruflich diese Liebe war.
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