Der Regen hatte den Weg den sie benutzten aufgeweicht, die nackte Erde
hatte das Wasser gierig aufgenommen, so gierig das es sicher
schneller voran gehen würde abseits des Weges weiter zu ziehen, auf
dem festen Grün. Fest war der Weg hier schon lange nicht mehr. Auch
wenn es bereits aufgehört hatte zu Regnen konnte man noch von den
nahen Bäumen das leichte nieseln von Tropfen vernehmen wenn der Wind
die Blätter in Bewegung brachte.
Das schmatzende Geräusch der Stiefel und das schnaufen von Männern, um
den Karren weiter zu bringen, waren in der letzten Stunde die dominante
Geräuschkulisse gewesen, ebenso wie das stetige Muhen des Ochsen.
Lenarius hatte sich dem Händler und seinen Gefährten angeschlossen da es zu
dieser Zeit doch sicherer war in einer Gruppe, als alleine zu reisen.
Nun jedoch erwies sich der Ochsenkarren, mit seiner Fracht als ein
großes Hindernis. Ständig gruben sich die Räder in den Schlamm und
eben so häufig musste der junge Mann mit anpacken um den Karren zu
befreien.
Von Shaemoor waren sie zu fünft aufgebrochen. Der Händler und seine
zwei Freunde, Lenarius und noch ein weiterer Reisender der das Ziel
Löwenstein hatte. Als Konstanz hatte sich der Reisende vorgestellt. Eine schief
sitzende Nase im Gesicht, zwischen zwei gelbbraunen Augen und unterhalb des
verschwindenden Haaransatzes. Anfang 30 schätze Lenarius ihn, die
ein oder andere graue Strähne begann das schwarze Haar zu zersetzen.
„Junge, das nächste mal suchen wir uns lieber eine Reisebegleitung ohne
Wagen.“
Konstanz war eindeutig von redseliger Natur. Im Normalfall
hätte Lenarius dies nach spätestens der Hälfte der bisherigen
Reisezeit entnervt zurück gelassen, doch lies das ständige Gelaber
seine eigenen Zweifel in den Hintergrund treten.
Lenarius nickte. „Aber besser als keine Reisebegleitung.“
Der Händler, mit seiner blauen Mütze aus Wolle blickte kurz zu den Beiden am
hinteren Ende des Wagens. „Weniger Reden, mehr schieben!“ Ein Ton
in der Stimme der in diesem Moment keine Widersprüche zuließ.
Ja auch sein Nervenkostüm hatte unter dem Wetter und dem schlammigen
Weg gelitten, doch ging es hier immerhin um seinen Beruf, womit er
eben seine täglichen Brote verdiente. Mit was genau der Mann
Handelte wusste Lenarius nicht, es war ihm auch egal gewesen, er
hatte nur eine Reisegruppe nach Löwenstein gesucht.
Also stemmten sich die Beiden am hinteren Ende des Wagens wieder gegen
diesen. Schlamm rutschte unter den dreckigen Stiefeln weg und
arbeitete so aktiv gegen ihre Bemühungen. Am vorderen Ende trieb
der Händler den Ochsen an und seine beiden Freunde schoben einer links,
einer rechts des Wagens. Schlamm wurde links und rechts der Räder aufgetürmt
während diese vor und zurück wippten. Schließlich kam der Wagen wieder ins Rollen,
war wohl von einfachem reinen Schlamm auf schlammigen Boden gekommen und
versank nicht mehr gänzlich. Endlich.
Ein'flatsch' ertönte rechts von Lenarius als Konstanz Bekanntschaft mit
dem Boden machte und er sich auch fast eine Kostprobe genehmigt
hätte.
„Scheiße.“ Konstanz griff nach der Hand die Lenarius ihm hinhielt um wieder auf
die dreckigen Beine zu kommen.
Nach ein paar vergeblichen Versuchen den Schlamm von den Leinen zu klopfen
schüttelte der Mann einfach nur den Kopf und stapfte dem voran rüttelnden Wagen
hinterher.
Wieder kam der Wagen zum stehen.
Sie hatten die Siedlung Ascalon vor ein paar Stunden hinter sich gelassen als der
Händler den Ochsen zum halten brachte. Die Straße war nicht mehr so schlammig
doch auch noch nicht gänzlich getrocknet.
„Was denn nun...“ Konstanz vollendete seinen Satz nie. Ein Baumstamm lag
auf dem Weg.
Schlechtes Zeichen.
Händler und Freunde schauten sich aufmerksam ja leicht panisch um, Konstanz ebenso.
Lenarius tat es ihnen gleich und schloss zu dem Mann mit der blauen Mütze auf.
Dieser war in der Zwischenzeit von dem Wagen abgestiegen und
seine beiden Freunde hatten sich um ihn versammelt.
Konstanz blieb weiterhin leicht nervös hinten am Wagen.
„Banditen?“„Die wären doch schon längst auf uns los gegangen.“ „Dwayna
erweise uns Gnade, drehen wir einfach um?“ Die Drei blickten zu
Lenarius als dieser dazu trat und kurz fragend zwischen den drei
besorgten Gesichtern hin und her blickte.
„Wir führen den Karren drum herum, haltet weiterhin die Augen offen.“
Mitdiesen Worten wandte sich der Händler wieder ab und zog seine blaue
Mütze vom Kopf was eine lichte, graue Haarpracht offenbarte.
Die anderen Beiden nickten nur knapp Lenarius zu und prüften kurz den Sitz ihrer
Schwerter. Lenarius selbst trat zurück zu Konstanz der etwas um den
Wagen herum getreten war um besser mithören zu können.
„Wird schon werden.“ Das war alles was er dazu zu sagen hatte.
Es erwies sich als schwierig den Wagen die Böschung des Weges hinauf zu
bringen. Gerade deshalb weil das Gras immer noch feucht war. Wieder
einmal stemmten sich Konstanz und Lenarius von hinten gegen den Wagen
während man versuchte diesen nun vom Weg ab zu bringen. Zentimeter
für Zentimeter arbeitete sich der Ochse weiter voran und zog so den
Wagen immer weiter vom Weg runter. Der Druck auf die Schulter von
Lenarius wurde schlagartig größer, und der Wagen kam zum stehen.
„Beim Arsch...“ Mehr bekam Konstanz nicht mehr von sich. Es sollten die
letzten, recht unüberlegten Worte des Mannes gewesen sein. Der Pfeil
der sich in den Unterleib des Mannes gebohrt hatte zitterte noch
leicht, kam gar nicht gänzlich zur Ruh bevor dieser mit einem
gequälten Aufschrei und ungläubigen Gesichtsausdruck zusammen
brach.
Lenarius blieb recht perplex am Wagenende zurück und drückte weiter gegen
diesen. Die Augen des jungen Mannes waren auf den im Schlamm liegenden gerichtet,
dessen Blut sich mit dem braunen Untergrund zu mischen begann und
dessen Winden es noch schlimmer machte. Plötzlich kam ihm der Wagen
Stück für Stück entgegen. Lenarius und der Ochse allein konnten
den Wagen mit seiner Fracht nicht halten und wurden zurück auf die
Straße gezogen beziehungsweise geschoben.
Der Händler und seine zwei Freunde hatten von dem Wagen abgelassen um sich ihrer Waffen
zu bedienen, zu den gequälten Geräuschen von Konstanz gesellten sich
nun auch die panischen Rufe des Ochsen der von irgendetwas nach
hinten gezogen wurde und die Rufe der Männer. Die Rufe des Händlers
und seiner Freunde, sowie die Rufe der sieben Banditen die für
Lenarius aus dem Nichts gekommen waren.
Die Kleidung die diese Männer trugen war wild zusammen gewürfelt. Nicht
unbedingt in einem schlechten zustand, doch schien kein Teil zum
anderen zu gehören. Auf Gesichtsmasken verzichteten sie, was ihre
ruppigen Bärte und nicht so guten Zähne offenbarte während sie mit
ihren Waffen in der Hand johlend und brüllend auf die Gruppe
zugerannt kamen. Lenarius kam nur schwerlich in die Gänge. Der
Schock saß noch zu tief. Konstanz hatte Glück gehabt, der Wagen
hatte ihn nicht überrollt, oder war es vielleicht doch mehr Pech
gewesen? Ihm schenkte Momentan ohnehin niemand Beachtung.
Der Schock löste seinen stählernen Griff um die Glieder von Lenarius
und gab seinen Verstand wieder frei, Angst trat an seine Stelle und
ließ den jungen Mann auf der Stelle weg von den Banditen eilen,
diese hatten ihre Absichten ja bereits mehr als nur deutlich gezeigt.
Doch weit kam er nicht. Im Schlamm und seiner Eile verlor er den Halt
und stürzte. Die Kühle feuchte des Bodens begrüßte ihn
und begann sich sofort durch seine Leinenhose zu arbeiten. Wieder
ertönte ein Schrei hinter ihm. Zwischen den schlammigen Geräuschen
der Schritte meinte er das verstärkte plätschern von Wasser zu
hören.
Hastige Schritte gefolgt von noch mehr hastigen Schritten und dem Johlen von
Männern. Ruppiges Lachen, Freude, Angst.
Er war gerade dabei sich wieder in die Höhe zu stemmen, seine Füße
suchten Halt auf der schlammigen Straße, das Herz hämmerte ihm in
den Ohren als ein Ruck durch ihn ging. Auf einmal verflog die Angst,
ja beruhigte sich gar sein Herzschlag. Eine Wärme, durchlief ihn,
erst wohlig warm bis sie schließlich wie glühendes Eisen brannte.
Sie breitete sich von seinen Kopf ausgehend aus und dann...dann kam ihm der
Boden entgegen. Oder Kam er dem Boden entgegen? Es war schwer zu
sagen, eine seltsame Benommenheit ergriff Besitz von ihm und ein
Klingeln in den Ohren begann die Geräusche um ihn herum zu
überdecken. Die rufe des Ochsen, das Johlen, das Betteln um
Gnade...alles trat in den Hintergrund, wurde von diesem Klingeln
verschluckt.
Schließlich umfing ihn Schwärze und ein modriger Geschmack.
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