Eine Einleitung

  • Auf einem der größeren Anwesen in Beetletun, vor etwa einer Woche:

    „Es ist beinahe Mitternacht, Herr.“
    Martha, die vierzigjährige Köchin des Hauses setzte sacht ein Glas Tee an den Rand des Schreibtisches, und der Tonfall der treuen Angestellten ließ eine Spur von Sorge in dem sanften Tadel erkennen.
    „Geh nur zu Bett, Martha. Ich möchte nur noch schnell die Lieferscheine mit den Angaben vom ...“ der Rest des Satzes ging in einem Murmeln unter, während Eric sich bereits wieder konzentriert in eines der Geschäftsbücher seines Vaters samt eines wild über den Tisch verstreuten Haufens Lieferscheine vertiefte.
    Als der gebräunte junge Mann das nächste Mal aufsah waren die Kerzen ein gutes Stück weiter heruntergebrannt und Martha hatte sich längst zurückgezogen. Mit einer Hand fuhr er sich über den steifen Nacken, während er den Rücken ein wenig durchstreckte.

    Der Tod seines Vaters traf den 25-jährigen äußerst hart. Nicht so sehr auf der emotionalen Ebene – sie waren sich immer viel zu ähnlich gewesen, als dass sie sich hätten gut verstehen und emotional verbunden sein können – sondern vielmehr aus dem simplen Grund, dass der älteste Sohn die Pflicht und Verantwortung hatte, das seit vielen Generationen in Familienhänden befindliche Geschäft zu übernehmen und am Laufen zu halten. Ein ältester Sohn, der erst vor 2 Jahren, nämlich genau ab seinem 23. Geburtstag, in die wirklichen Kerngeschäfte eingebunden worden war und nun im günstigsten Fall ein wenig überfordert zu nennen war.

    Freilich nicht so sehr aufgrund der Schreib- und Kalkulationsarbeiten, auch nicht ob der plötzlichen Bürde, die seine Schultern in einem Alter zu tragen hatten, in dem andere Männer sich des Lebens freuten und sich erste Gedanken um Heirat machten. Denn das waren Dinge, die ihn noch nie großartig interessiert hatten. Doch ihm war bewusst, dass er das 'Gesicht' des Unternehmens werden musste.
    Um seinen Geschwistern, seinen Angestellten und sich selbst ein ordentliches Auskommen sichern zu können würde er die himmlische Ruhe und Zurückgezogenheit des Familienanwesens in Beetletun verlassen müssen und raus gehen in die Welt.. raus in die Stadt Götterfels.

    Sein Gesicht verzog sich bei diesem Gedanken und er seufzte leise auf. Während er noch einen kurzen Gedanken zu seinen Geschwistern schickte und inständig hoffte, sie würden zurechtkommen ohne ihn, erhob er sich langsam aus seinem Sessel und löschte die Kerzen.

    ~~~ ~~~ ~~~


    Ein paar Stunden vorher, an einem anderen Ort:

    Gelangweilt, ja gar missmutig lässt die frischgebacken 18-jährige die Türe ins Schloss fallen und sieht sich im Tavernenzimmer um. Keine herumliegende Wäsche auf dem Boden, keine Stiefel, über die sie fluchend fallen könnte, die beiden Betten leer. Wie beinahe jeden Abend, wie beinahe jede Nacht, war ihr Bruder wohl erneut auf der Pirsch.

    Da war sie nun, die so viele Jahre lang ersehnte Freiheit.
    Die Möglichkeit, all das zu tun, das ihr zuvor streng verboten worden war, damals, zu Hause.
    Damals, vor Scarlet Dornstrauch.
    Als ihr Vater noch lebte, und ihr geliebt-gehasstes Kindermädchen. Und die zahlreichen Aufpasser, die sie einen nach dem anderen doch immer wieder erfolgreich vergrault hatte. Oh, wie sie die vielen Einschränkungen und Verbote gehasst hatte... Und wie verheißungsvoll das Angebot geklungen hatte, alleine mit dem Bruder nach Götterfels zu ziehen - Dem tollen, lockeren Bruder.
    In Gedanken hatte sie sich ausgemalt wie sie die Nächte zu Tagen machte, ein Dutzend neuer Freunde und Freundinnen um sich, wie sie die vielen Einkaufsmöglichkeiten für eine komplett neue Garderobe der aktuellsten Mode nutzte und von jungen, gut aussehenden Männern umgarnt wurde...

    Und hier steht das kleingewachsene, dunkelhäutige Mädchen mit Haselnussaugen nun, gelangweilt statt vergnügt, einsam statt frei.
    Die mitgebrachte Flasche Wein findet genauso Platz auf ihrem Bett wie das alte canthanische Legendenbuch, welches sie zu Kinderzeiten bereits verschlungen hatte, und einmal mehr versinkt sie nur kurz darauf in der alten Zeit...

    Irgendwo hier musste doch dieser doofe goldene Löffel erwähnt sein!

    ~~~ ~~~ ~~~


    Zur selben Zeit, in einer anderen Taverne:

    Gegröle und lautes Lachen drang durch den Schankraum der Kneipe, wo Luca sich für einen Krug Bier niedergelassen hatte. Der Dunkelhäutige streifte die fingerlosen Handschuhe ab und strich sich die Mütze vom Kopf, welche in einer seiner Manteltaschen Platz fanden. Ein Iro kam zum Vorschein, der durch die kurzgetrimmten Haarseiten betont wurde. Gelangweilt und müde, ließ er sich in seinem Stuhl zurücksinken und trank vereinzelt eine paar Schluck aus seinem Krug; zumindest sollte es so wirken.
    Tatsächlich lag seine volle Aufmerksamkeit auf den tuschelnden Gesprächen am Tresen, nur selten schwang sein Blick jedoch in dieselbe Richtung. Nebenher machte er sich gedanklich Notizen über interessante Wortfetzen: Namen, Aufträge, Verbindungen, alles was für die Beschaffung von schwer zu erlangender Ware nützlich sein könnte.

    Die Anwesenden im Raum weiter unter Augenschein nehmend, blieben seine dunklen Augen an einer blonden zierliche Dame am Tresen hängen, welche sich in der Nähe der murmelnden Gestalten aufhielt und soeben von ihrer Begleitung allein zurückgelassen wurde. Ein diebisches Grinsen ließ Lucas rechten Mundwinkel zucken. Wieso sollte sich Arbeit und Vergnügen nicht verbinden lassen?
    Samt Krug zu ihr hinüber schlendernd, setzte er sich neben sie auf einen der Barhocker und forderte den Wirt auf, ihr was zu trinken zu bringen. Kurz darauf streckte er ihr seine Hand hin:
    "Hey! Ich bin Leo."

    (Lucas Part geschrieben von Luca!)

    2 Mal editiert, zuletzt von Hannah (22. Mai 2014 um 13:00)

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