"Der Singvogel"

  • Kurze Zeit nach Sonnenaufgang des neuen Tages kann ein einfacher Bursche unter dem Stadttor ausgemacht werden, der kleine Handzettel für nur ein Kupfer das Stück verkauft. Das Papier ist schlicht, die Zeilen mit einfachsten Mitteln aufgedruckt. Die Auflage beschränkt sich auf nur fünfzig Exemplare, die sich dennoch bis Vormittags halten.


    Der Singvogel


    Ausgabe #001


    Leitspruch der Ausgabe:
    "Erfolg ist eine Treppe, keine Tür."


    Das Wetter zuletzt:
    "Sonniges Wetter, los Götterfels, raus in die Natur, Picknick am Waldrand, angeln am See!"



    Wenn die Luft brennt


    Ich werde in ein großes Büro geführt. Vor mir ein schwerer Schreibtisch, Akten, sogar ein Rüstschrank. Die Wächterin, die mich hereinbringt bedeutet mir mich zu setzen. Oberfeldwebel Freyja Verdandii vom zweiten ministerialen Wachregiment. Selbst die frechsten Lümmel lernen sicher Respekt, wenn sie dieser Frau gegenübersitzen, die das Kriegshandwerk schon in Ebonfalke gelernt hat und sich heute unserer Sicherheit verschreibt.
    So werden auch die Zeugenaussagen aufgenommen. Im selben Stuhl, den ich gerade belege, in diesem Raum, in nicht ungemütlicher Atmosphäre. Normalerweise werden Zeugen jedoch eingeladen und müssen keinen Termin machen, so wie ich vom Singvogel.


    Die Arbeit der Ministerialen unterscheidet sich von dem, was die Seraphen tun, so Verdandii. Nicht nur durch das Umfeld und die Personen, mit denen sie es zu tun haben. Sie erzählt mir von einem aktuellen Fall, einem vermeintlichen Überfall. Es gab Verletzte, Schüsse und zwei Aussagen, die gegeneinander stehen. Jetzt heißt es Aussagen sammeln, Zeugen auftreiben, Ermittlungsarbeit. Auf die Frage hin, ob die Arbeit auch gefährlich ist, winkt der Oberfeldwebel nur ab. Nichts, was die Ministerialen nicht für uns Bürger der Stadt in den Griff bekämen. Ein knappes Lob wird an den Leutnant ausgesprochen.


    Auf die Frage hin, ob die Männer denn leichter mit der Arbeit zurechtkommen ernte ich nur einen ernsten Blick und eine deutliche Aussage: Nein, keineswegs. Im Endeffekt ist es das ganze Regiment, das an einem Strang zieht. Für uns, liebe Leser.



    Und damit noch abschließend ein Dank an das Wachregiment, Oberfeldwebel Verdandii und die fleißigen Leserinnen und Leser dieser ersten Ausgabe des Singvogels,


    Simon Tettel

  • An der Art des Drucks und auch dem Papier hat sich zwar nichts geändert, dafür sind es heute schon zwei Kinder die ihre freie Zeit darauf verschwenden die nächste Ausgabe des unregelmäßig erscheinenden „Singvogel“ zu verkaufen. Nicht nur am Stadttor, sondern auch am anderen Ende von Götterfels, im Ossa-Viertel.


    Der Singvogel


    Ausgabe #002


    Leitspruch der Ausgabe:
    „Von innen sieht auch ein Hamsterrad aus wie eine Karriereleiter.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Leichter Nieselregen am Morgen spült den Dreck aus den Straßen!“


    Freizeit:
    „Lust auf eine süße Kleinigkeit? Versucht die Zuckerwatte an der Promenade, nahe des östlichen Marktviertels. Oder stoppt doch bei der Apfelbäuerin im Königintal vorbei und lasst euch von ihren sagenhaft guten Apfelpfannkuchen begeistern.“


    Bücher:
    „Weh dir, Ascalon“ ist ein Klassiker für jeden, der dem Drama und der Tragödie nicht abgetan ist und in kurzen Stunden die Gefühle einer ganzen Generation teilen will.



    Es grünt auch noch im Sommer



    Es ist schon früher Abend als ich mich von einer Freundin ins Ossa-Viertel, genauer zur Werkstatt des Büchsenmachers Tavington führen lasse. Mein ursprünglicher Gedanke war es diese Ausgabe seiner Auswahl und dem Service zu widmen, allerdings rieten mir einschlägige Kommentare letztlich davon ab.


    Was aber mein Interesse geweckt hat und auch euch, liebe Götterfelser Leser, einen Denkanstoß bieten soll, ist das Vorhaben des blonden Waffeningenieurs – er bringt sich ein Stück Heimat in die Stadt. Ein Gedenk an Löwenstein und Linderung für das Heimweh.


    In großen Blumenkübeln vor der Terrasse recken blaue und rote Pflänzchen ihre Köpfe der untergehenden Sonne entgegen und genießen die angenehme Wärme, die uns dieser Sommer schenkt. Insgesamt ein schöner Anblick neben den Schatten spendenden Palmen auf der unter mir vorbeiführenden Straße und ein weiterer Anreiz die Werkstatt und auch den darin liegenden Laden für Waffen und Basteleien, wie Spielzeug und Krimskrams, zu besuchen.


    Vielleicht entscheidet sich der eine oder andere Leser ja sogar dazu sein eigenes Heim ein wenig aufzuhübschen, aber es gibt vieles zu Bedenken. Pflanzen brauchen Pflege um nicht wie ein brauner Fleck am Hausputz zu hängen. Außerdem sollte man nicht einfach ins Tal spazieren und dort wilde Blümlein ausbuddeln, da diese oft spezielle Anforderungen an den Boden stellen und unseren heimischen Bienen den Tag versüßen. Denn all das Grün wäre unseren guten Met doch nicht wert. Am besten wendet sich der neu entschlossene Freizeitgärtner an einen erfahreneren Blumenliebhaber.


    Damit verabschiedet sich eure flinke Feder mit dem grünen Daumen bis zur nächsten Ausgabe,


    Simon Tettel

  • Die Auflage hat sich nocheinmal erhöht. Schon 140 Zettel, sogar auf der Vorder- und Rückseite beschrieben! Und es gehen alle weg, im Ossa-Viertel, am Tor - und auch im östlichen Marktviertel. Der Singvogel macht sich.



    Der Singvogel



    Ausgabe #003



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Ein rollender Stein setzt kein Moos an.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Drückend, schwül und stickig - Perfekt um neue Käfersorten kennenzulernen.“


    Freizeit:
    „Frühaufsteher? Lust auf Kuchen? Die Liebste länger nicht eingeladen? Versteckt im Rurikviertel gibt es fantastischen Kaffee. Haltet die Augen offen beim nächsten Spaziergang.“


    Bücher:
    „Leere Hände" zeigt Sequenzen aus dem Leben eines jungen Mannes der auf den Straßen von Götterfels landet und sein Leben von dort aus neu beginnt. Die Sprache ist zwar nicht sonderlich blumig, dadur deckt sie sich allerdings hervorragend mit der Atmosphäre die in dem Buch entsteht. Die knappen 200 Seiten sind außerdem schnell gelesen und die Struktur der Kapitel macht das Werk auch für Leser mit wenig Zeit attraktiv.



    Irren ist menschlich



    Vorneweg eine Entschuldigung, liebe Leser und Leserinnen, für den bösen Fehler den sich euer Singvogel erlaubt hat. Ein Buch nach dem Umschlag zu bewerten, eine Insitution an ihrem besten Mann zu messen - Ich weiss nicht was mich geritten hat. Natürlich spreche ich vom zweiten ministerialen Wachregiment.
    Gerade im Gespräch mit einer Bekannten spricht mich ein Wächter an, in roter Garderüstung aus Leder. Ein Wächter besagten Regiments, der mich auffordert ihn ins Büro zu begleiten. Denn ich bin festgesetzt. Ja, liebe Bürger, euer Simon Tettel wurde Opfer einer fälschlichen Anschuldigung. Aber damit nicht genug! Obwohl ich unmittelbar kooperiert habe, mich bereit erklärt habe dem Mann zu folgen, wird er handgreiflich. Er packt mich grob, schiebt mich vor sich her. Und für diejenigen, die mich noch nicht gesehen haben: Gegenüber einem Wächter kusche ich aus Sorge um mein Wohlergehen lieber.


    Man nimmt mir meine Sachen ab, alles Hab und Gut das ich bei mir führe, ohne auch nur ein einziges Wort darüber, wer mich anzeigt, was mir überhaupt vorgeworfen wird. Nichteinmal ich selbst darf mich äußern, mich erklären. Geschweige denn einen Rechtsverdreher zu Rate ziehen. Nein, das Ziel meiner Reise wird gemeinhin als "das Loch" bezeichnet. Ich starre auf dunkle Eisengitter. Die ganze Nacht lang!


    Denn erst am nächsten Tag bequemte sich der gütige Wachmann Scyoh Denomir - wenn ich den Namen richtig verstanden habe - mir endlich zu sagen was denn überhaupt Sache ist. Und ich versichere euch, ihr Götterfelser Bürger, es ist haltlos. Eine Frechheit nahezu, Erpressung und Gewalttaten werden mir angelastet, ohne jeden Beweis. Sogar die ersten Zeugenaussagen wurden aufgenommen, bevor ich überhaupt dazu komme mich zu erklären. Und dann trifft es mich wie ein Schlag: meine Zeugin, die einzige, die mich verteidigen kann in dieser ganzen Geschichte, wird nicht zugelassen. Weil sie mir zu Nahe steht. Weil ja davon ausgegangen werden muss, dass sie mich verteidigt. Aber das _soll_ sie ja. Deswegen _ist_ sie meine Zeugin. Vielleicht sollte man das den Leuten von der Ministerialwache auch noch erklären.


    Und nun stehe ich da, vom Magistrat verurteilt, hätte beinahe meinen Urlaub verschieben müssen und muss noch Strafdienste leisten. Wegen dem von mir noch gelobten zweiten ministerialen Wachregiment.


    Sollen sie doch einmal die Preise in der "Gabel & Kelle" unter die Lupe nehmen! Das sind die echten Verbrechen, liebe Leser. Aber Stoff für eine andere Ausgabe.



    In der Hoffnung auf eine schöne Ausgabe #004,


    Simon Tettel



    Hinaus aus der Stadt



    Wieder einmal treibt es mich, in Begleitung eines Freundes, nach Löwenstein. Seit der Rückeroberung hat sich einiges getan: Viele fleißige Hände leisten bemerkenswerte Aufbauarbeiten - trotz des Ausmaßes der Schäden lassen sie sich nicht unterkriegen.

    Um es auf den Punkt zu bringen, werte Leser und Leserinnen: Löwenstein blüht langsam aber sicher wieder auf. Auf dem Markt wird eine Vielzahl an Waren feil geboten. Von Tabak über Schmuck bis hin zu allerhand Tand und exotischen Früchten, bei manchen übertraf das Aussehen den Geschmack. Wenn euch der Sinn nach einem geselligen Abend steht, so bietet sich der Löwenschatten im Hinterbezirk mit Themenabenden - wie etwa 'freche Früchtchen' oder 'verrückte Hüte' - an. Für das leibliche Wohl wird in Gabel & Kelle gesorgt. Eine gemütliche Gaststätte im westlichen Bezirk der Stadt, niedergelassen in einer kleinen Höhle. Speis und Trank kann ich empfehlen, doch die Preise erfordern eine gut gefüllte Geldbörse. Ob das am Ambiente liegen mag? Oder unterstützt die Kru den Wiederaufbau?



    R.F.

  • Der Singvogel




    Ausgabe #004



    Leitspruch der Ausgabe:
    „So lange man kein Ziel verfolgt, kann man nicht vom Weg abkommen.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Unangenehm heiß mit einem Ausblick auf heftige Wärmegewitter.“


    Freizeit:
    „Seid Ihr Tierfreund? Dann besucht doch Mepis Moa-Hof! Krault den kleinen Vögelchen das Gefieder, lasst Euch eine herzhafte Bauernmahlzeit servieren und genießt die frische Luft.“


    Bücher:
    „Torheit" ist der Titel eines leider recht unbekannten Werkes. Der Autor zeigt in vielen kurzen Geschichten wie es sich der Mensch immer wieder leicht macht, sich das Leben schwer zu machen.



    Das Tal kommt jetzt zu uns!


    Für alle diejenigen unter euch, liebe Leser, die schon befürchten wir hätten mit der nächsten Welle von Flüchtlingen zu rechnen: Entspannt euch. Ich rede von der Eröffnung der bunten Laube! Ein kleiner Stand an der Stadtpromenade direkt oberhalb der Rurikstadt.


    Unter ganz entzückender Leitung findet man an der Laube eine grandiose Auswahl an Obst, Gemüse, Brot, Wurst und Käse. Selbst Spielzeug gibt es zu kaufen. Alles, was ein Götterfelser Haushalt eben braucht von Tag zu Tag. Zudem ist hier alles frisch. Das Sonnenblumenkernbrot schmeckt fantastisch mit der dicken Butter, die man hier auch bekommt und die Erdbeeren haben sich als perfektes Geschenk für die Liebste herausgestellt.
    Wer von euch nun immernoch zweifelt, dass die Stadt mit der bunten Laube einen richtigen Hauptpreis gewonnen hat, der sollte sich selbst überzeugen. Seit gestern hat der Stand geöffnet und bringt wieder etwas Leben in die Straßen unserer geliebten Heimat Götterfels.


    Das beste: Von jedem Einkauf an der Laube profitieren auch die Bauern im Umland, von denen die Waren bezogen werden. Ihr spart euch einfach den Weg ins Tal hinaus.


    Was mir jetzt noch fehlt sind fertige Kleinigkeiten auf die Hand. Dann hätte wenigstens ich mir den Weg nach Hause versüßen können. Vielleicht wären aber Blumen als kleine Sträußchen noch eine Idee. Oder Kräuter, wie Kresse und Petersilie, die man sich auf die Fensterbank stellen kann.


    Aber damit genug der Lobeshymnen und Meckerei. Seht es euch an, lasst mich gerne auch wissen, welche Erfahrungen ihr selbst gemacht habt. Lasst solche Stände bloß nicht wieder ziehen.



    Euer
    Simon Tettel

  • Der Singvogel





    Ausgabe #005



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Lache nicht über die Dummheit der anderen – sie ist Deine Chance.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Mal so, Mal so. Aber nie wirklich gut.“


    Freizeit:
    „Gönnt euch doch mal etwas in den hiesigen Tavernen. Neben Alkohol und Gesindel gibt es dort auch feine Schmankerl und ab und an auch einen Barden der etwas für die Ohren gibt.“


    Bücher:
    „Drei Fenster" zeigt in mehreren Akten auch die lustige Seite des Lebens. Das Chaos des Alltags in einer gemeinen Wirtsstube, in der nicht immer alles glatt läuft.



    Ein Rat für viele


    Das Treiben in der Stadt hat mich wiedereinmal stutzig gemacht. Als ich in der zweiten Ausgabe davon sprach, dass sich jeder ein Beispiel am Herrn Tavington nehmen dürfte und das Bild der Stadt mit ein bisschen Farbe schmücken sollte, meinte ich damit keineswegs an fremden Wänden.
    Viel besser finde ich hingegen die kindischen Versuche von Autoritäten das ganze herunterzuspielen und einen Spaß daraus zu machen. Bitte, meine Lieben, es ist doch nur ein missglückter Versuch unsere Straßen hübscher zu gestalten. Sonst wäre der sowieso schon so herrliche Melandruschrein doch nicht verschont geblieben. Hängt doch lieber Banner und Wimpel auf!


    Kaum hab ich mich aber von all dem Chaos und den Spielereien abgewandt komme ich erneut ins Stocken. Menschenskinder, ein Norn und ein Sylvari versuchen allen ernstes beim Schlossknackerwettbewerb ihr Glück mit roher Gewalt und erfinderisch-technischer Gewalt - und bringen sich dabei nicht nur in Verlegenheit, sondern auch noch alle Zuschauer in Gefahr. Ich wurde gebeten das Wort "Explosion" zu verwenden.


    Deswegen hier mein Rat: Schnappt euch doch alle eure Mit-Störenfriede, alle Gerüchtesammler und Verschwörungstheoretiker, Durchgeknallte und Halb-Durchgeknallte und stattet dem Sanatorium in Löwenstein einen Sammelbesuch ab. Da hilft man euch bestimmt und ihr helft damit uns.




    Danke und gerne,
    Simon Tettel

  • Der Singvogel





    Ausgabe #006



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Ein Klassiker ist ein Buch das die Menschen loben, aber nie lesen.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Kalt. Nass. Brr.“


    Freizeit:
    „In letzter Zeit eignen sich die Abende am besten dazu die nassen Füße gegen den Ofen zu strecken und einfach im Kreis der Lieben zu sitzen.“


    Bücher:
    Romantisch geht es zu in "Das Turnier um ihr Herz". Nichts für Männer die den Acker mit den Fingernägeln umgraben oder Frauen mit schwachen Nerven.




    Die Nacht zum Tag gemacht



    Götterfels, wir betrauern heute nicht nur den Tod von vier Bürgern unserer Stadt. Nein, wir sind heute in Gedanken bei der Einrichtung, die ein Feuer heimtückisch aus dem Herzen unseres östlichen Marktviertels, aber nicht den unseren gerissen hat.


    Erst am Morgen des gestrigen Tages musste ich mit Entsetzen beobachten, wie ach so viele fleißige Helfer versuchen das lodernde Inferno in Schach zu halten, irgendwie zu retten, was es noch zu retten gibt. Aber es ist fort.
    Kein Dach mehr über dem Kopf und ohne die schützende Hand des Mannes, den viele nur als "Trevor" kannten, sieht man die Mädchen denen er so viel geboten hat heute überall verstreut in der Stadt. Die einen ohne Arbeit, die anderen noch geschockt von den Ereignissen des Tages.


    Und mir stellt sich die Frage: Warum die Initiative nicht ergreifen? Ihr seid gefragt, liebe Leser! Ein Antrag vor dem Ministerium muss gehört werden. Ein Antrag darauf, dass all die Mädchen sich zu einer ersten, ihrer Sache fest verschriebenen Feuerwache zusammenschließen dürfen.
    Damit so ein Unheil nicht wieder über uns kommt. Könnten wir dann nicht alle besser schlafen? Wie viele freie Hände hätten noch mit angepackt, bei den Mädchen?


    Selbst eine der Damen gibt mit bedauern zu:
    "Ich arbeite auch garnicht, grad."



    Denkt an eure Stadt, wie ich an euch denke,
    Simon Tettel

  • Der Singvogel






    Ausgabe #007



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Wer nur einen Hammer hat, für den ist alles ein Nagel.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Es wird freundlicher. Nehmt euch ein Beispiel.“


    Freizeit:
    „Wann ward ihr zuletzt eigentlich am Schrein der Sechs? Ein Moment der Stille tut oft gut.“


    Bücher:
    In letzter Zeit bin ich leider kaum zum Lesen gekommen. Schickt mir doch ein paar Zeilen über euren Lieblings-Schmöker?




    Jetzt langt's!



    Es ist ja nicht genug, dass sich die Diebe und Halunken, die Beutelschneider und Bettler trotz der Seraphen in unserer schönen Stadt überall frei aufhalten können, sich in ihrer Stammkneipe volllaufen lassen und ihre kleine Machenschaften planen oder einfach die braven Bürger überfallen.
    Nein, jetzt gehen die sich auch noch alle gegenseitig an den Kragen. Ob der Grund dafür die vermehrten Überfälle in den letzten Tage sind ist fraglich. Ein Reporter würde etwas größeres vermuten. Nichteinmal wie Revierkämpfe mutet es an, sonst hätte man ja schon viel mehr gesehen davon!


    Ich sage euch, liebe Götterfelse Mitbürger und Mitbürgerinnen: Da ist etwas im Busch. Und ich vage es mich aus dem Fenster zu lehnen und sage euch, da sind nicht nur die einschlägigen Kriminellen verwickelt, sondern auch diejenigen, von denen ihr es nie erwarten würdet.
    Wer, fragt ihr? Das bin ich im Begriff herauszufinden. Und wenn das meine letzte Ausgabe des Singvogels ist, dann: Dankesehr. Danke für ein offenes Ohr für die Wahrheit. Danke für die Zeit.


    Wo wir gerade beim Thema sind, bitte lest euch doch noch den letzten Absatz durch. Ihr helft damit die Stadt sicherer zu machen, in diesen Zeiten.


    Schläft mit einem offenen Auge,
    Simon Tettel



    Fahndung:
    Der Singvogel sucht einer Person, der als "Das goldene Lächeln" bekannt ist. Sie soll Zeugenaussagen zufolge groß gewachsen sein. Erkennbar ist sie an einer Maske die von einem breiten, goldenen Lächeln dominiert wird. Daher rührt der Name.
    Die Person gilt als bewaffnet und gefährlich. Möglicherweise ist sie magisch begabt und geistig verwirrt.
    Alle Hinweise die zur Ergreifung des "goldenen Lächelns" führen könnten sollen bitte direkt an die Redaktion des Singvogels oder die zuständige Autorität gemeldet werden.
    Hinweise an den Singvogel werden in angemessener Höhe belohnt.

  • Der Singvogel





    Ausgabe #008



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Kein Mensch ist perfekt - nur die Wurst hat zwei.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Ich weiss nicht ob das noch Sommer ist.“


    Freizeit:
    „Eine undankbare Aufgabe, aber habt ihr euer Holz schon behandelt bevor es nass draußen wird?“


    Bücher:
    "Abzählreim" ist keineswegs ein Buch, das ich meine Kinder lesen lassen würde. Der Autor führt uns in die Welt des Seraphenanwärters Honigmund, der in einer Mordserie die Ermittlungen unterstützen soll. Aber irgendwann gerät er ins Visier des Täters.




    Einmal rum, um Götterfels



    Heute möchte ich mich einem Blick auf unsere schöne Stadt widmen. Nichts hat mich in letzter Zeit so gefesselt, dass ich dem eine Ausgabe widmen möchte. Deshalb gibt es diesesmal eine kleine Führung.


    Im Östlichen Marktviertel angefangen zeigt sich gleich wieder wie spannend doch der Alltag sein kann. Ein Betrunkener randaliert und wirft sich geradzu erleichtert in die Arme unserer pflichtbewussten wachen, damit er eine Nacht mit Dach über dem Kopf schlafen kann. Clever gedacht! Frühstück gibt es ja auch noch.


    Die Rurikstadt besticht dieser Tage mit hübschen Malereien und Plakaten an den Wänden ihrer großen Hallen. "Verpisst euch!", schreibt man da. Geschmacklos, wenn man mich fragt, aber wenigstens drückt der Pöbel sich deutlich aus! Nur eines haben alle noch nicht verstanden: Zivilisten mit Waffen sind ein klares Zeichen für Unzufriedenheit und fehlende Sicherheit. Vielleicht...Geht man einmal aufeinander zu? Traut ihr euch doch aus euren Hallen, bringt den Wein gleich mit und man spricht sich aus. Wie man es eben tut, auf der Straße.


    Wiedereinmal hat sich das Salmaviertel als der Sündenpfuhl der Stadt erwiesen. Trotz des hübschen Marktes und den lichten Straßen konnten die Seraphen diese Woche gleich vier Hausierer festnehmen! Vier! In einer Woche!


    Ossa. Was soll man zum Ossa-Viertel schon groß sagen? Hier trifft sich einfach alles. Ein Schmelztiegel der Rassen und Kulturen. Wo schneller eine Waffe gezückt wird als Leander am Heilhaus die Tür öffnen kann. Aber wenigstens die reichen und mehr oder minder schönen dieser Ecke Götterfels' versuchen sich am Waffenstillstand. Aber ich will auch garnicht zu lange auf der blonden Rotte herumhacken. Die haben genug zu tun mit den gelben Bändchen die sie in die Wunderlampe ausführen. Oder den ganzen Verehrern, an allen Ecken und Enden.
    Punkt an Euch, Freifrau von Flüster.


    Kommen wir zum Pavillon. Wenn wir jetzt auch nicht mehr von einem riesigen Loch in der Mitte eines der Viertel sprechen - Moment, tun wir ja doch. Jedenfalls konnten hier nicht nur die meisten Überfälle beobachtet werden, sondern auch das berüchtigte "Goldene Lächeln" festgesetzt und verhaftet werden. Autoritäten und Singvogel danken für die rege Mithilfe der Bevölkerung in diesem Fall.


    Unser Rundgang endet im westlichen Marktviertel, wo sich die vermeintlichen Gäste der Spelunke "Gewürgter Flaschenhals" eher wie Demonstranten vor der offenen Tür aufhalten als wirklich nach innen zu gehen und dem sowieso stets anders besetzten Schuppen ein bisschen Kupfer zuzuspielen. Aber gut, so sieht man wenigstens alle!



    Mit einem Dank an euch, liebe Leser, wünsche ich euch ein paar gute Tage,
    Simon Tettel

  • Der Singvogel






    Ausgabe #009



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Leben für die Nächte an die sich keiner erinnert - mit Leuten die man nie vergessen wird. “


    Das Wetter zuletzt:
    „Der Herbst kündigt sich mit Schauern und Gewittern an.“


    Freizeit:
    „Versucht doch einmal aus dem Holzverschnitt aus dem Jahr etwas neues zu bauen. Klappt es nicht, könnt ihr es immernoch verschüren.“


    Bücher:
    „Der Intrigant“ ist wie du und ich. Beängstigend wird dieser Gedanke aber erst, wenn man das Meisterwerk des Götterfelser Autoren Block gelesen hat.



    Flucht ins Krankenbett?




    Der Adel. Was soll man groß über diese Leute sagen? Jeder kennt sie, jeder hat seine eigene Gedanken zu solchen Menschen. Aber wenn sie anfangen sich so absonderlich zu verhalten wie in den letzten Tagen und Wochen, muss man sich doch einmal wieder wundern.


    Der eine fällt einfach so in sich zusammen wie ein Kartenhaus, ganz als hätte man ihm die Krücke weggetreten. Ein anderer sieht zu, dass er die Beine in die Hand nimmt und aus der Stadt entkommt. Wieder einer meint sich selbst in die Luft jagen und das ganze Salma-Viertel wach halten zu müssen.


    Aber es geht ja noch weiter! Denn selbst die Ministerialwachen hauen sich jetzt gegenseitig schon Lappalien um die Ohren. Ein nervöser Bienenstock, wie mir scheint. Nur der Grund, der bleibt mir ein Rätsel. Und dennoch werde ich euch, meine lieben Leser, nicht vor meinen Theorien verschonen. Denn, sind wir mal ehrlich, nur deswegen liebt ihr doch euren Singvogel. Wenn er schmutzig ist. Wenn er mit dem Finger auf andere zeigt. Und ich werde euch nicht enttäuschen!


    Idee Nummer eins wäre ganz naheliegend natürlich das Auftauchen dieser unsäglich hässlichen Plakate mit denen die eine oder andere Familie mit ach so gutem Ruf denunziert werden soll. Die den Adel auffordern, ganz das Vorbild, die sieben Sachen zu packen und auf Nimmerwiedersehen Götterfels! Aber es scheint mir viel zu simpel. Immerhin lässt sich so ein edler Herr doch nicht einschüchtern von einem Stück Pergament an einer Hauswand! Und Übergriffe gab es auch keine, das wüsste die Ministerialwache nämlich. Ganz bestimmt.


    Nein, wir bewegen uns in eine ganz andere Richtung. In einen Krieg, um genau zu sein. Aber einen, der nicht mit Waffen und Gewalt geschlagen wird, sondern mit Reden. Mit Worten und Versprechungen. Mit Ruhm und Ruf. Ihr lieben Bürger unserer schönen Stadt, das Ministerium krempelt sich auf links. Die blonde Bedrohung, das sage ich euch, hat ganz beachtliche Ambitionen entwickelt. Ob das den Bürger betrifft? Na selbstverständlich! Oder wollt ihr einen Strohmann wählen, der doch nur das tut was ihm in den Schädel geseiert wird? Nein, der gute Bürger wählt seinen Versager im Ministerium noch selbst und ärgert sich dann wenigstens lautstark über etwaige Inkompetenz. Lasst euch nicht für dumm verkaufen, haltet euer Ministerium sauber.



    Und sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt,
    Simon Tettel

  • Der Singvogel







    Ausgabe #010



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Heimkehr ist nie ein Schritt zurück.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Die Sonne zeigt sich noch von ihrer besten Seite, aber es wird trotzdem kalt - gerade nachts.“


    Freizeit:
    „Lange Spaziergänge bieten sich jetzt noch an, so lange es nicht den ganzen Tag regnet.“


    Bücher:
    Jeder Freibeuter kennt sie, jeder Freibeuter will sie - "Die Krone der Südlicht-Bucht". Ein Abenteuerroman der vor nichts zurückschreckt.



    Zivilcourage oder Größenwahn?




    Schon seit einiger Zeit beschleicht mich der Gedanke, dass der gemeine Seraph beim Verlassen der Wachstube nicht unbedingt penibel darauf achtet, dass er alles bei sich hat, was er für den Einsatz benötigt. Der Helm sitzt zwar, das Schwert baumelt auch an der Hüfte, aber trotzdem bleibt jegliche Vernunft am Türstock hängen.


    Und so kommt es schon den einen oder anderen Tag dazu, dass ehrliche Bürger als Abschaum abgestempelt und fortgescheucht werden, nur damit der Platzhirsch keine echten Talente aufweisen muss, um die Aufmerksamkeit der Damen zu gewinnen. Welche sich im Nachhinein selbst als Seraphin herausstellen, nur eben inkognito. Die haben schließlich was zu befürchten.
    Im anderen Fall wird eine Kriminelle laufen gelassen, weil noch nicht alles gesagt wurde, was gesagt werden muss. Die Zeit einen handlungsbereiten Bürger darauf hinzuweisen, dass die Seraphen Seraphen sind und ihre Arbeit im Prinzip grundsätzlich richtig machen, muss man sich eben auch in brenzligen Situationen nehmen. Ansonsten wäre aber vielleicht auch nie geschossen worden und die Stadt hätte kein Thema, über das man sich das Maul zerreißen kann.


    Widmen wir uns aber noch den fleißigen Helfern, die den Wirt der Wunderlampe letzte Nacht davor bewahrt haben Opfer einer Bluttat zu werden. Da wäre einerseits der blonde Hüne, der das Gewehr nicht ins Korn, dafür aber nach flüchtenden Verdächtigen wirft.
    Dann sogar ein Mitarbeiter des Singvogels, der die zweifelhafte Ehre hatte eine benommene Charr wieder ins Hier und Jetzt zu führen. Danke an dieser Stelle für den Augenzeugenbericht.
    Natürlich, und wie sollte es auch anders sein, war noch eine Priesterin verwickelt. Die stellte ihre magischen Kapazitäten wohl recht eindrucksvoll zur Schau und zog damit gleich die blinde Fixierung der Charr auf sich. Wenigstens macht der Klerus viel, aber eben nicht alles falsch.
    Und zuletzt noch ein Dank, an den nackten, besoffenen Haufen der während alledem auf dem Balkon der Unzucht gefröhnt und jegliche Tabus der Sitten gebrochen hat. Dafür, dass ihr einfach nicht im Weg standet.



    Euer
    Simon Tettel

  • Der Singvogel








    Ausgabe #011



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Der frühe Vogel fängt den Wurm - aber nur die zweite Maus bekommt den Käse.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Die Sonne geizt nicht mit ihren Reizen. Nur ab und ab stören Wolken.“


    Freizeit:
    „Packt die Kleinen ein und geht Kastanien sammeln. So sind die Racker auch den ganzen Abend noch beschäftigt.“


    Bücher:
    "Winter in Hoelbrak" sind kalt und unbarmherzig. Aber sie schenken Zeit für die Familie, Freunde, die Liebe und einen Mord.




    Öfter mal was neues




    Kaum, dass das Geschmiere in Götterfels ein Ende gefunden zu haben scheint und einer meint all die Freizeit-Virtuosen an der Farbkreide hätten tatsächlich Unterricht genommen und widmeten sich jetzt anspruchsvolleren Aufgaben, geht es wieder von vorne los. Erst im Ossa-Viertel, wo der eine dem anderen noch sein Werk verpfuschen muss indem er einfach dazumalt wie er lustig ist, dann wieder an einem der Schreine.


    Vielleicht ist das Gekritzel das Werk eines Laien von der Priesterschaft selbst, und keiner versteht worauf man eigentlich hinaus will. Oder aber der große Onkel Iorga wollte seiner Priesterin Dynmor und allen Mitgliedern der eigenen Rotte zeigen, wie lieb er sie hat. Oder wie sehr er sie hasst, der Singvogel bleibt dran. Auch der Teufelskreis ist eine mögliche Interpretation. Genau derjenige Teufelskreis den diese Stadt eben darstellt, wo einer von der Rurikhalle gleich in die Marktviertel geworfen werden kann, wenn er einmal schlecht vom falschen spricht. Möglicherweise denkt der Künstler aber auch völlig anders und er will damit, wie beim Kartenlegen, den "Magier" und "Kraft" symbolisieren. Nur hätte beides keine sinnvolle Verbindung zur Priesterschaft der Lyssa.


    Viel wahrscheinlicher wäre es, dass diese umgekippte Acht, das Zeichen der Unendlichkeit, nur zum Ausdruck bringt wie lange den Besuchern so eine Messe eigentlich vorkommt.


    Und da mir noch eine Kleinigkeit untergekommen ist, die auch Erwähnung finden will:
    Am Krug und Klinge gibt es jetzt ein Schwein mehr. Weiter nichts.



    Mit den Ohren so spitz wie die Zunge
    Simon Tettel

  • Der Singvogel







    Ausgabe #012



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Von nichts kommt nichts.“


    Das Wetter zuletzt:
    „So richtig einig ist sich da noch niemand.“


    Freizeit:
    „Tut das was ihr am besten könnt und schert euch einfach nicht.“


    Bücher:
    Wer liest denn heutzutage noch? Der „Bücherwurm – Ein dickes Buch mit wenig Inhalt“ stellt uns genau diese Frage.




    Ankündigung, Anzeige, Anschlag




    Was für eine Stadt! Da lässt man ein paar Monate nichts von sich hören und es ist immer noch alles wie vorher, nur ein bisschen anders.
    Während der nächste Alt-Drache sein Unwesen im Maguuma-Dschungel treibt, feiert das Volk von Götterfels,
    und insbesondere all die betuchten Individuen der Rasse Mensch, ein Fest nach dem anderen, so als hätte man nichts zu verlieren.


    Aber einen Alt-Drachen getötet zu haben ist doch Grund genug jetzt erstmal ruhen zu lassen.
    Zumindest bis zum Herbst. Oder nächstes Jahr. Ein bisschen Zeit zum Verschnaufen braucht jeder,
    vor allem die großen Kämpfer die in der Wunderlampe ihre Narben zur Schau stellen.

    Dann gibt es natürlich noch die Spezialisten, die sich kurzerhand gegenseitig die Rüben in der Kampfgrube einschlagen wollen,
    die es irgendwann, irgendwo gibt, geben soll oder gegeben hat.
    Und zwischendurch legt man ein Feuer am Meridian, hach, das ist ein Freudenspaß.


    Liebe Mitbürger, Freunde, Verehrer, und selbst ihr, die mich auf den Tod nicht ausstehen können:
    Fasst euch ein Herz, verschließt die Augen nicht gänzlich vor alldem, was in der Welt passiert und zieht dem Helden aus der Nachbarschaft die Ohren lang.


    Die heutige Ausgabe muss ein wenig kürzer ausfallen, dafür gibt es noch ein paar kleine Anmerkungen meinerseits im heutigen Blatt.


    • Der Singvogel sucht zum Einen bereitwillige Helfer, die nicht nur Geschichten aus der schönen Stadt sammeln und aufbereiten, sondern auch Korrespondenten aus Löwenstein, der Schwarzen Zitadelle und Hoelbrak.
    • Zum Anderen wird es einen Wettbewerb geben. Der schönste Reisebericht der bei uns eingereicht wird gewinnt einen „Zuhause ist es am Schönsten“-Korb mit vielen netten Kleinigkeiten. Alle Reiseberichte werden gedruckt und nicht korrigiert.
    • Zuletzt möchte ich noch den in Bälde folgenden Jahresrückblick ankündigen. Der Bedarf aber viel Vorbereitung und wird erst in den kommenden Wochen erscheinen.


    Froh wieder hier zu sein
    Simon Tettel

  • Der Singvogel




    Großer Jahresrückblick




    Das vergangene Jahr beginnt rasant. Löwenstein wird evakuiert, Scarlett Dornstrauch beginnt ihren Großangriff – und prägt damit die Geschehnisse der folgenden Wochen und Monate. Flüchtlinge strömen nach Götterfels, Hoelbrak und die übrigen Hauptstädte. Die Gendarranfelder quellen förmlich über. In dieser notgeplagten Zeit zeigen die Völker Tyrias so viel Solidarität, so viel Einigkeit und Empathie, wie zuletzt während den Bemühungen des Paktes im Kampf gegen Zhaitan und seine Schergen.


    Währenddessen baut der Adel die Rurikhalle um. Schokolade hat ja auch seine Daseinsberechtigung.


    Die Kriminalität in Götterfels steigt in dieser Zeit. Vorhersehbar angesichts der Situation in der sich ein Großteil der neuen Bevölkerung wiederfindet. Überfälle, Einbrüche und Schutzgelderpressung sind an der Tagesordnung und sollen auch im restlichen Jahr kaum zurückgehen.


    Doch es bleibt nicht bei einfachen Plündereien und Diebstählen. Der erste Mord der bald in aller Munde ist passiert schon im Frühjahr. Der erst frisch verlobte Ministerialwächter Laertes Acveen von Minden wird vergiftet und getötet. Lange Zeit soll kein Täter entlarvt werden.


    Die Stadt ist von der Krise in Mitleidenschaft gezogen. Krawalle und Auseinandersetzung, nicht zuletzt auch am Schrein des Balthasar, sind bald jede Woche zu beobachten. Die Zahl der Toten und vor allem der Gewaltopfer steigt stetig. Vielleicht sind es die Frühlingsgefühle, denn zeitgleich hört man aus beinahe jedem Adelshaus von irgendeiner neuen Verbindung, ob Hochzeit oder Verlobung. Manchmal auch nur harmloses Pärchengehabe.


    Derweil wird das Maidenwispern kurzerhand umgebaut. Hatte sowieso einen neuen Anstrich bitter nötig.


    Mittlerweile spürt man auf den Straßen des Molochs den wir unsere Heimat nennen einen wachsenden Unmut die Fremdrassen betreffend. Wobei „fremd“ hier nur zutrifft, wenn der Leser ein Mensch ist. Aber damit befasst sich die Stadt nicht. Wir lesen lieber was die von mir hoch verehrte Freifrau von Flüster über den Adel schreibt. Frau finden, Haus bauen, Baum pflanzen. Klingt einfach verträglicher als sich ständig mit den Problemen unserer Zeit herumzuschlagen.


    Das Ministerium aber macht seine Arbeit. Irgendwann ist ein Lando Stark zu einem Treffen auf die Gipfelspitze gereist und hat sich dort mit Botschaftern der Charr unterhalten. Andere Diplomaten sollen auch da gewesen sein. Worüber gesprochen wurde, was das für uns bedeutet und ob es nicht doch Urlaub war, davon haben wir nie erfahren.


    Etwa im zweiten Quartal machten dann die Iorgas von sich hören. Irgendein Tumult, vermutlich ging es um Geld. Bald jedoch wird die blonde Sippe wieder von Priester Dronon abgelöst, der durch das Königintal wütet und Gespenster seiner gefährlichen Phantasie jagt.


    Das Maidenwispern ist bis dato noch nicht fertiggestellt. Zumindest hat niemand etwas gegenteiliges gehört. Und dann zieht die Nebelfeuerkompanie auch noch aus! Vermutlich damit man die restlichen Räume auch renovieren kann.


    Der Abzug der Seraphen hätte garkeinen besseren Zeitraum treffen können. Bei so vielen Flüchtlingen in der Stadt kann man nun mal nichts besseres tun, als darauf zu hoffen, dass sie sich gegenseitig abmurksen. Und wie auf Zuruf wird das erste namhafte Gebäude der Stadt abgefackelt. Nicht das letzte, wie wir später erfahren.


    Wir bewegen uns um die Mitte des Jahres, als zum ersten Mal die Ranken auftauchen. Heute weiss jedes Kind, dass es sich dabei um einen Vorboten von Mordremoths Erwachen handelt. Zum Glück aber nicht bei uns, sondern in Löwenstein und weit weg in den Kessex-Hügeln. Für manche weit genug weg um einfach weiterzumachen wie gehabt und die Stadt ein bisschen aufzuhübschen. Leider wurden die Versuche von der Allgemeinheit als Schmierereien abgetan und weitestgehend entfernt.


    Wenn nicht so, dann eben anders. Irgendein Witzbold zündet gleich das zweite Haus in Götterfels ab. Und gleich danach geht auch noch Weißau in Flammen auf. Die einzig logische Konsequenz? Mehr Wachen im Salma-Viertel.


    Während die Anzahl der Einbrüche wieder steigt konzentriert sich die Gerichtsbarkeit lieber auf die Kinderfänger, die sich neuerdings durch die Straßen treiben. Zumindest auf eine davon, immerhin waren die Geschädigten von Adel. Und die Täter auch. Und der Richter und der Staatsanwalt vermutlich auch, so wie wir die Leute kennen. Was am Ende bei den Verhandlungen herauskam weiss keiner so genau. Dafür haben die Sitzungen einfach zu lange gedauert, am Ende war ja der Richter kaum mehr wach.


    In der Rurikstadt ist das Maidenwispern derweil in Vergessenheit geraten. War das mal fertig?


    Während die Asura irgendwelchen Unfug mit Melonen im Palastgarten anstellen, steigt der gemeine Götterfelser von Krawallen auf Prügeleien um. Eine in der Lampe, eine im Hals, ein bisschen in den Gassen und Hinterhöfen. Im Umdekorieren übertrifft uns niemand. Und im Saufen, wie uns die Seraphen mittlerweile beweisen. So sieht Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung aus, liebe Leute.


    Es geht dem Herbst entgegen und während die einen Grund zum Feiern haben, sehen die anderen sich lieber eine Hinrichtung bei der Hinrichtung an. Oder nehmen daran teil, je nachdem auf welcher Seite des Gesetzes man steht.


    Die Bauarbeiten in der Rurikstadt gehen so lange weiter. Aber nicht am Maidenwispern, sondern an einem der Türme der Stadt. Vielleicht für einen besseren Blick auf das Katastrophenprojekt „Seraphenschenke“.


    Götterfels spaltet sich inzwischen nicht nur politisch, sondern auch geographisch. Im Norden schmückt man das Ossa-Viertel mit leuchtenden Kürbislaternen. Im Süden werden Razzien durchgeführt. So ist jeder beschäftigt und man sieht wenigstens diese soziale Schere, von denen der eine oder andere zu sprechen wagt.


    Die TAZ hat es gegen Ende des Jahres dann auch zum Exklusivbericht aus dem Inneren des Gefängnisses geschafft. Der Singvogel fühlt sich als Vorbild für kleinere Medien geehrt. Wir berichteten in Ausgabe #3.


    Weil es vermutlich genausoviel Spaß macht über den Adel zu lesen, wie über ihn zu schreiben, halte ich mich diesmal kurz. Die Schönen und Reichen spielen wieder verrückt, bringen sich um, bringen einander um, heiraten, trennen sich und sehen dabei unverschämt gut aus. Außerdem ordnen sie überall Umbauarbeiten an. Außer im Maidenwispern, da wird schließlich noch gebaut.


    Der Winter kommt und viele Götterfelser geben sich gleich der ersten Krankheitswelle hin. Angeblich ist man die Grippe dann ja für die restliche Jahreszeit los. Dafür kann man immer noch Feuer in fremden Gebäuden legen. Brand Nummer 3, so spät im Jahr noch. Weil wohl niemand mehr damit gerechnet hat liefert sich die Ministerialwache zu diesem Zeitpunkt einen Kampf mit irgendwelchen Unruhestiftern im Ossa-Viertel.


    Kaum, dass die Schwarzmaler den Winter verfluchen und sowieso niemand in dieser Stadt überlebt, wird das Heilhaus geschlossen. Niemand fechtet gerne aussichtslose Kämpfe aus. Vielleicht ein guter Rat für die Ministerialwachen?


    Irgendwas muss der Adel dann wieder falsch gemacht haben, dass es nicht nur zu Unruhen und einer Demonstration kommt, bei der die einzige Demonstrantin gleich beschossen wird, nein, es wird auch gleich das nächste Gebäude abgebrannt. Und keine Sorge, es ist nicht das Maidenwispern.


    Irgendwelche reiche Wohltäter wollen die Situation dem Anschein nach entschärfen. Die Brücke wird ein Symbol für den Bettler und Herumtreiber. Aber war die Brücke nicht schon immer eine Lösung für Pechvögel? Was will der Adel uns sagen?


    Es kommt zum hoffentlich letzten Todesfall in Götterfels, der von sich reden macht. Ein Asura, direkt vor der Wunderlampe erschlagen, wo doch mittlerweile jeder seine Liebe zur Vielfalt predigt. Andere würden sagen, es war nur ein Asura.


    Brand 5 und 6 und 7. Eigentlich hatte jeder damit gerechnet, dass wir mehr schaffen. Nächstes Jahr reißen wir uns zusammen, liebe Mitbürger, die Messlatte ist hoch gelegt.


    Und so klingt das Jahr langsam aus. Der Adel liefert sich seine letzte Schlacht, die Wintertagsschmuck-Herausforderung. Man ist schließlich erst reich, wenn man viel Geld für unnützen Schund ausgibt. Schön ausgesehen hat es, zumindest bis es kitschig wurde. Die sozialen Einrichtungen haben wieder viele Spenden gesammelt, Geschenke wurden ausgetauscht und für eine Woche gab es nichts als Schnee, Süßkram und heißen, roten Wein.


    Damit will ich auch abschließen. Aber denkt nicht, dass das alles war, denn das neue Jahr steht schon in den Startlöchern und überrascht uns Tag für Tag mit neuen Katastrophen. Vielleicht hat noch nicht jeder in dieser Stadt seine guten Vorsätze aufgegeben und ich komme endlich dazu erfreulicheres zu verkünden.




    Auch in diesem Jahr euer steter Begleiter
    Simon Tettel

  • Der Singvogel






    Ausgabe #013



    Leitspruch der Ausgabe:
    „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.“


    Das Wetter zuletzt:
    „Von früh bis spät einfach herrlich.“


    Freizeit:
    „Wer sich im Sommer nicht für seine Figur schämen will, der sollte jetzt anfangen sich körperlich zu ertüchtigen.“


    Bücher:
    Allen magiebegeisterten jungen Leuten in unserer Stadt empfehle ich heute „Der Meister“. Ein Roman der trotz aller Fantastereien irgendwie aus dem Leben gegriffen wirkt.



    Egoistische Ignoranz




    Es ist mal wieder typisch. In der ganzen Welt geht es drunter und drüber, aber der Singvogel schreibt nur über das, was in der Straße um die Ecke geschieht. Aber sind wir mal ehrlich, das bewegt unser Leben.


    In dieser Ausgabe eures Lieblingsmagazins möchte ich, dass ihr wieder einmal mein Leben begleitet. Denn was ich heute zu berichten habe kann einem jeden von euch passieren.
    Ich wurde beklaut. Während der eine nun brüskiert und erschrocken Luft holt, mag der andere vielleicht abwinken und sich denken „Das ist doch was alltägliches.“. Und ich möchte beiden Recht geben!


    Aber was dann geschah, was überhaupt erst Anlass für diese Ausgabe ist – und ich versichere euch, ich habe nie so energisch die Lettern gesetzt – schlägt jedem Fass den Boden aus!


    Denn ich habe den Dieb gefunden. Die Diebin, um genau zu sein, die Elster Myoka. Auf frischer Tat habe ich sie ertappt, wie sie gerade dabei ist dem Brücken-Iorga einen Bären aufzubinden. An dieser Stelle muss ich leider gestehen, dass mir die Anwesenheit einer gewissen Alessa Di Saverio und eines ziemlich mürrisch wirkenden Priester der Kormir, den Wind aus den Segeln genommen haben. Ich habe also abgewartet, bis der Iorga für einen Brief das fünffache von dem bezahlt, was zuvor für die bezaubernde Helena schon zuviel gewesen ist.


    Dann aber habe ich ihn doch darauf aufmerksam gemacht. Hab ihm erklärt, dass er sich lumpen lässt. Dass der Brief sogar mir schon zum Verkauf geboten wurde, wo ich doch gar keiner aus der blonden Sippe bin. Und zu guter Letzt, dass es eine Diebin ist, die sich da hinter seinem Rücken vor mir versteckt.


    Und er nimmt sie in Schutz. Drückt ihr Silber in die Hand und lädt sie zum Essen ein.


    Barmherzigkeit und Gnade, das sind Werte die ich meinen Kindern vermitteln will, aber solch stupide Arroganz würde ich ihnen mit dem Gürtel austreiben! Aus blinder Eitelkeit und geheuchelter Ritterlichkeit dem Verbrechen das Tor nach Götterfels aufzustoßen ist kein Akt der Güte, Herr Iorga. Wenn die Brücke dazu dient Übeltäter für ihre Machenschaften zu belohnen - Hut ab, sie ist ein voller Erfolg.


    Und dem einzigen, der Bedenken äußert, noch den Mund zu verbieten, einem Geistlichen unseres geteilten Glaubens, ist eine Frechheit, die ich nicht in Worte fassen kann. Vielleicht wird es Zeit, dass der Adel Demut übt.


    Aber was kümmert es den blonden Tölpel? Wer Tauben im Ossa füttert, muss sich keine Gedanken machen, dass sie ihm im Salma auf das Dach scheißen.


    Zu guter Letzt ein Rat für die Contessa: Die Stadt ist kein Dschungel und ihre Bewohner keine Tiere. Ein Kleid tut es beim nächsten Spaziergang eher als die Abenteurer-Verkleidung.




    Nimmt für euch kein Blatt vor den Mund
    Simon Tettel

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