Das Fürstenhaus de Cerro

  • (Der amtierende Fürst Alejandro de Cerro vor einem Wandgemälde der Ländereien)


    Auf dem Weg zum Weinanbaugebiet durchquert ihr den Nordosten der Gendarran Felder. Die Siedlung Ascalon habt ihr schon vor einem Tag hinter euch gelassen. Durch das im Sommer dicht bewachsene Grasland reisend, passiert ihr Bäche, kleinere Wälder und Siedlungen, die nicht fern des alten Guts entstanden sind. Leider erblickt ihr gleichsam Spuren von Zentaurenübergriffen, könnt in der Weite Rauchfahnen aus deren Lagern ausmachen und seht von erhöhtem Blick aus auch die pfahlbewehrten Pfützen in der Landschaft selbst, die den Peinigern der Bewohner des Gendarran eine Heimstätte sind. Ehe die Kronen der Harathi Ausläufer den Horizont vereinnahmen, erahnt ihr an deren Südhängen bereits die fernen Reihen Reben und erste Bauten, die Nachts von Feuern und Fackeln erhellt wie goldene Sterne den Weg durch die Schwärze weisen.


    Vorbei an einer zerfallenen, abgebrannten Mühle, taucht ihr in einer Talsenke in das letzte, dichte Tann vor den Bergen. Kühle berührt eure Haut, bis sich im Schatten eine alte Wehrmauer aufbäumt. Die Stämme und der alte, einst mit Kalk geputzte Wall machen es den Zentauren schwer, zu folgen, denn sie müssten alles niederbrennen und die Katapulte schätzend auf den Wald und die Mauer richten um in das Land der Familie de Cerro einzudringen. Es bliebe ihnen der Versuch, für ihre Art nicht abwegig. Doch aus einem euch noch nicht auf Anhieb erkennbarem Grund bleibt das Gut verschont. Ein großes Holztor, bewacht von Söldnern, die sich bissige Kommentare und feiste Sprüche nicht immer verkneifen können, öffnet sich vor euren Füßen oder eurer Kutsche, eurem Lastkarren. Gleich wie, die Männer, die euch einlassen, lassen den Prunk den ihr erwartet habt noch missen. Einzig alte, dem Wetter geopferte Tafeln mit dem familiären Zeichen versichern, der Weg ist der Richtige. Drei Sensen, zwei Schwerter und eine Mesmermaske erzählen gerahmt vom Schildwappen von der harten Arbeit und den schweren Zeiten, sowie den Lehren unter den Jüngern Lyssas, die das de Cerro Land prägten.


    Das Dickicht lichtet sich in den Hügeln und nun ist der Wein bis auf wenige kleine Mohn und Hopfenfelder allgegenwärtig. Bachläufe furchen die romantischen, im Herbst so goldenen und im Sommer satten Rebenreihen. Eine Gruppe von Arbeitern grüßt euch auf ihrem Weg zurück zu den eigenen, verstreuten Reetdachhäusern. Alle wohlauf, genährt, wie man es sich als einfacher Bauer eben wünschen sollte. Mancher Gruß erfreut um neue Gesichter, so mancher eher im Anstand erhoben. Erfahren sie vom Herren über all das hier Güte oder Zwang? Wie Speere, stehen Zypressen entlang der Hauptwege Spalier und geleiten euch auf dem letzten Stück des Weges hoch zur Siedlung auf der höchsten Hügelkuppe. Zur Rechten, gut fünfhundert Schritte vom Hauptsitz entfernt, erkennt ihr eine Ruine, die über und über mit wunderbarsten Blütenpflanzen bedeckt ist. Wuchernd oder in Kübeln, locken sie Schmetterlinge und Vögel an. Man scheint die Überreste zu hegen wie ein Heiligtum, auch wenn zum Großteil nur mehr die Außenmauern um einen Brunnen mit Kurbeleimer übrig geblieben sind.


    Von hier an wechseln sich die Zypressen mit Statuetten nackter Schönheiten mit Dwaynas Flügeln ab. Sieben zählt ihr, die sich langgezogen aneinanderreihen. Ein breiter Bogen mit Holzschild kündet noch ein mal vom Herren des Bodens unter euch. "Fürstentum de Cerro," prangt es in kantigen Lettern. Darunter erklären schwere Worte eigenen Stolz und der Überzeugung. "Blut zu Wein. Ehre durch Verdienst. Lyssa zur Ehr." Eben diese Göttin hebt hinter dieser Verewigung gehegter, wenn auch umstrittener Werte alle Blicke gen Himmel.


    An der hohen Mauer entlang, blickt ihr hinauf zu roten Dächern. Weiß gekalkte Wände, die den goldenen Sonnenschein auffangen. Unzählige Bauten für Angestellte und Gäste wohl, die sich um das Fürstenheim scharen. Hohe Flaggen, der Lyssa und den Trauben gewidmet rahmen die Pforte. Wenige gerüstete in weiß und schwarz lackiertem Rüstwerk patrouillieren. Oben auf den mit Ried überdachten Mauern zwei Späher. Was jetzt ruhig und traumhaft besänftigend an den Bergen lehnt, kann nicht allein dem Wein gebühren, schwant es euch. Lästerzungen behaupten von je her, dass der Fürst, gleich seinem Vater Abstriche in Sachen Fertigkeiten macht, wenn Wachen und Bedienstete dem Auge schmeicheln. Wenngleich ihr euch auch gerade keine Meinung über ihr Können bilden könnt, müsst ihr zumindest zugeben, dass ihr von Wohlgestalten jedes Alters umgeben seid. Ein Fest für den Sehsinn, gleich wer sich vor euch verneigt, euch ein Lächeln schenkt oder den Leib in Arbeit wähnt.


  • (Das Portrait des werten Papa Leon de Cerro.)


    Das Weiß von Reinheit und Vollkommenheit am Leib, im Schilde und an wehenden Fahnen. Das zeitlose Schwarz, elegant, standhaft und die andere Seite eines erhellten Wandels gegenüber jeder Gutmütigkeit. Geziert vom Gold das vom Reichtum erzählt und die Mären mit Schätzen füllt. Doch dies war nicht allzeit so. Noch ehe hinter den schneebedeckten Bergen am östlichen Horizont der große Nordwall errichtet wurde, so erzählt man sich, wanderte der Ahne des amtierenden Fürsten, der Mönche Macias nach einer sieben Jahre langen Reise durch das karge Land im Norden des unwirtlichen Gendarran. In einer sternenklaren Nacht unter Mondschein, flüsterte ihm eine göttliche, verführerische Stimme im Schlaf zu, dass seine Reise ein Ende habe. Sieben Stunden solle er noch wandern, in einer jedes Jahr bedenken, dann solle er sich niederlassen. Und so durchwanderte er die ersten Sonnenstrahlen und dort, wo in der Sanduhr das siebte Mal das letzte Korn durch die Enge des Glases rann, pflanzte er die auf der Reise gesammelten Samen in trockenen Staub. Er nährte sie mit Wasser, das er weit schleppte, mit seinem Schweiß und seinem Blut und Gebeten, die er auf Knien in Demut zum Firmament hinauf rief, verzweifelt und voller Sorge um den nächsten Tag. Einzig der Wein spross und als Macias danieder lag, ausgezehrt, geplagt vom Hunger und von Einsamkeit, erschien eine dunkelhäutige Schönheit, die er zuerst seinem Wahn zu wissen glaubte, hob sein Haupt, gab ihm von ihrem Brot, einen Schluck elonischen Weines und sprach, die Zeit des Klagens sei bald vorüber. Asilah war ihr Name, jene, die nebst dem Rebenkeimling den ersten wilden Mohn aussähte, ihn mit einer Träne um Macias Leid benetzte und nach vier Tagen, in denen sie den kraftlosen Mann in ihren Armen wärmte und behütete kam der Regen. Alles, was Macias ausbrachte, brach aus dem Grund, überflutete den Berg mit sattem Grün. So zumindest, die Legende.


    1322 n.E. verstarb Fürst Leon de Cerro, liebevoll von allen Papá genannt im Alter von stolzen achtundsechzig Jahren in seinem Bette und der damals vierundzwanzig Jahre alte, zweite Sohn der Chandela, Alejandro erbte das Fürstentum de Cerro. Sein älterer Bruder, Cesare de Cerro verzichtete zur eher geringen Verwunderung, wohl den eigenen Werte- und Idealvorstellungen wegen auf die Nachfolge seines Vaters. Die gelebte Kultur des Hauses lebt somit im Blute eines wahren de Cerro weiter, wie manche Zungen anerkennend, andere ganz und gar spöttisch behaupten. Selbst in den Lehren der Mesmerei bewandert, wohingegen Cesare früh das Schwert führte, hält Alejandro nicht nur die magische, exklusive Veredelung des Weines durch auf dem Gut lebende Winzer und andere Mesmer in Ehren. Auch gilt der Lebemann als Erbe aller Sünden seines Vaters und seines Großvaters. Die Familie de Cerro sorgte von je her mit undurchsichtigen Verhältnissen dafür, dass man ihnen durchaus neiden, jedoch auch mit Vorsicht oder, vor allem unter den konservativen Adelshäusern mit Hohn begegnen konnte. Nicht, dass sie sich je auf einen öffentlich ausgetragenen Streit eingelassen hätten, der ausuferte. Niederen Absichten und üblen Nachreden, begegnet ein de Cerro zu aller erst mit erhobenem Kinn. Eines jedoch geriet, zumindest nach Außen hin nie ins Wanken. Das Bildnis von Reichtum, Überfluss und von großen Zügen aus der Flasche des Lebens. Ein Leben, das in Trunkenheit des freien Willens erblüht, stets bemüht politisch vor der Regierung Krytas zu glänzen, auch wenn es dafür nötig ist, den einen oder anderen Minister zur exklusiven Verkostung auf die Weinberge der Begierde zu laden.

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