"Beruhige deinen Geist. Schließe die Augen und atme tief, atme als würdest du die Luft lange anhalten wollen. Ruhig, Wöflin. Ein... Nimm den Duft des Krauts wahr und lausche meiner Stimme. Höre auf deine Umgebung. Höre den Wind und die Tiere. Aus... Nimm die Wirkung in deinen Körper auf, lass sie sich verbreiten...wehr dich nicht, kämpfe nicht. Ein..." Finger zogen sich über ihr Brustbein, kalt und feucht. Farbe haftete an der hellen Haut der Schamanin, der Wildlebenden. Sie spürte, wie das qualmende Kraut seinen Weg in ihre Lunge und in ihren Körper fand. Spürte, wie es sich verbreitete und ihr die Sinne benebelte. Sie spürte, wie die kalten Finger sich zwischen ihren nackten Brüsten hinab bewegten und auch, wie die Rune auf ihren Bauch gezeichnet wurde spürte sie. Still saß sie da, nackt und ruhig atmend. Die Worte, die die Wilde sprach verschwammen in ihren Ohren und wurden von dem dumpfen Pochen übertönt, das von ihrem Herzen losbrach und gemeinsam mit einer Hitzewelle durch ihren Körper schoss. Keuchend ruckte sie nach vorne, krümmte sich unter den Schmerzen des Feuers in ihrer Haut. Feuer, das keines war. Schmerzen, die nur in ihrem Kopf da waren. Und doch riss sie die Augen auf, starrte noch einen Augenblick lang in die hellgrünen Augen der Wilden, ehe sie fiel. Nein...sie fiel nicht, sie wurde gerissen. Weit nach hinten und so stark, dass sie sich nicht dagegen stemmen konnte. Dann wurde die Welt um sie herum schwarz.
"Jage."
Mit einem leisen Knacken durchbrachen die großen Klauen die Eisdecke, die sich über dem Schnee gebildet hatte. Das schwarze Fell und die langen Krallen drangen in den Schnee ein und hinterließen gewaltige Pfotenabdrücke, die dort vielleicht einige Stunden sichtbar bleiben würden, ehe der Neuschnee sie vollends ausgefüllt hätte. Der gewaltige Leib schleppte sich mit bedächtigen Schritten durch die Nacht und warf Schatten auf die reinweiße Schneedecke, wo sich die Bestie aus dem Schutz der Felsen, Sträucher und Schatten der Bäume wagte. Kein Laut begleitete sonst die Schritte, die Atemzüge rasch doch still und die Augen, die im Mondlicht von dunklem Blau schimmerten wirkten in den Schatten ebenso wie diese. Der schwarze Blick haftete an dem Kaninchen, welches in dem Schutz seines Baus verschwunden war.
Die Bestie hatte Zeit. Sie hatte viel Zeit, denn nichts war ihr Feind. Nichts war ihr auf den Fersen und das dichte Fell mit der roten Zeichnung schützte sie vor dem eisigen Nordwind. Langsam senkte sich der Körper in den Schnee und die lange Schnauze zuckte leicht, als die Bestie diese in den Wind hielt um zu wittern. Es hieß nun warten. Geduckt im Schatten, zum Sprung bereit und die Lefzen leicht hebend. Es war, als würde die Bestie die einer Mischung aus Wolf und Charr glich grinsen. Die Ohren stellten sich leicht auf, um jedes Geräusch aus der Nähe des Kaninchenbaus zu hören. Sicher - es waren noch andere Eingänge zu den Bauten da, doch konnten nicht alle beobachtet werden.
Ein knacken ließ sie aufhorchen, die Ohren leicht nach außen drehen und der Blick, wie auch die Schnauze waren aufmerksam. Noch ehe die Augen den Ursprung des Geräusches gefunden hatten, waren die empfindlichen Ohren darauf eingestellt. Da! Wieder dieses leise Knacken und der massige Kopf der Bestie drehte sich langsam in die Richtung, aus welcher die Laute kamen. Die schwarzen Augen funkelten leicht, als das Reh sich in ihr Blickfeld rückte und doch fehlte der Geruch in der Nase. Der Wind kam ungünstig, wehte die Düfte fort vom Geschehen. Er war ungünstig für den, der nicht hörte und Lärm machte. Die Zunge schob sich etwas hervor und leckte über die Lefzen, ehe sich die schwarze Bestie im Schatten des Baumes in Position brachte. Geduckt, die Läufe zum Sprung gebeugt und der gewaltige Körper angespannt. Doch kein Fehler durfte geschehen, sonst wäre die leichte Beute eine verlorene Beute. Einen langsamen Atemzug...noch einen Weiteren, in welcher das Reh beim Fressen der Rinde einer Schneekirsche beobachtet wurde. Dann preschte die Bestie aus den Schatten, stürmte über den Schnee und scheuchte ob der raschen Bewegung und des Lärms das Wild auf, welches sich auf die Flucht begab. Jedoch zu spät, denn die große Bestie sprang bereits drei Fuß entfernt ab. Krallen drängten sich in Fleisch und lange Reißzähne folgten. Das Reh bäumte sich unter dem Gewicht des Jägers auf, schrie ein letztes Mal um sein Leben, ehe dieses aus seinem Körper wich.
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Schwer keuchend lag die Norn auf dem Rücken im Schnee. Ihre Lunge pfiff und ihre kränklich bleiche Haut war von eisigem Schweiß bedeckt. Sie musste sich gebissen haben, denn der Geschmack von Blut hing auf ihren Lippen, wie auch in ihrem Mund und in ihrem Inneren pochte das Feuer noch immer, welches ihren Körper erschaudern ließ. Das Rauschkraut hatte seine Wirkung nicht verfehlt, doch waren die Bilder so wirklich wie noch nie in ihrem Kopf gewesen. Die Prozedur hatte sie ausgezehrt, hatte ihr alle Kraft genommen die sie hatte. Sie wagte nicht einmal sich aufzusetzen. Doch ein Schatten, der sich über ihr Gesicht neigte, bewegte sie dazu wenigstens die Augen blinzelnd aufzuschlagen. Der stechende Blick aus hellgrünen Augen traf sie und die rauen Worte des alten wilden Weibes hallten dumpf in ihrem Kopf mit einer Tonlage, die erst den Anfang bedeutete. "Eine gute erste Jagd, Kind des Wolfes."