<in einem dunklem, abgegriffenem Leder eingefasst, liegt das kleine Büchlein vor Euch, jedoch weist der Einband keinerlei Schrift oder Wort auf. Lässt man die Art des Buchinhalts wohl unerwähnt. Allein die Tatsache, dass das Leder hier und da einige Kratzer und Kerben aufweist, scheint Euch zu bestätigen, dass das Büchlein keiner Bücherei entstammen kann, oder dort nicht sonderlich pfleglich behandelt wurde. Als man den dünnen Buchdeckel öffnet, strömt Euch eine Mischung aus Tinte, Kohle und unidentifizierbaren Gerüchen in die Nase. Wohl scheint der Ursprung des intensiven Geruchs, die feine Kohlezeichnung auf dem ersten Blatt des Buches, deren Entstehungszeitpunkt wohl noch nicht all’ zu lange zurückliegen kann. Sie zeigt einen Raben, einen der vier großen Geister der Wildnis. Darunter steht in feiner, gar filigraner Kaligraphie geschrieben:>
<als Ihr wohl umblättert, bemerkt ihr die raue Beschaffenheit des Papiers, auf dem die filigranen Lettern stehen. Es wirkt nicht so, als sei das Buch von gehobener Qualität oder Machart, viel mehr nutzt man es wohl schlichtweg als das, wofür es einst entworfen wurde. Als Träger von Wort und Schrift. Wohl haftet die dunkle Tinte ebenso an dem schlichten Papier, wie an teurem Pergament. Scheinen die folgenden Zeilen auch so gut lesbar zu sein…>
Eine Reisetagebuch soll ich schreiben, so sagten mir die Ältesten. Ich solle mein Wissen niederschreiben, damit ich mich am Ende meiner Tage an diese ehrenvolle und aufregende Zeit erinnere, wenn mein Geist vernebelt ist. Es soll mir Halt in dunklen Tagen und finsteren Nächten geben. Das diese Aufgabe schwerer ist als ich gedacht habe, haben sie mir nicht gesagt. Zur Not benutze ich das Buch für Zeichnungen, sollten mir einmal die Worte ausgehen. Aber ich könnte ja erstmal damit anfangen, wer ich bin und warum ich auf diese Reise gehe, hoffe ich doch, dass nicht nur Norn diese Worte lesen.
Also … beginnen wir!
Ich bin Finja, Tochter des Tjalmar, geboren auf einem kleinem Gehöft in den Hügeln der Wanderer. Mein Vater und meine Mutter waren berühmte Kämpfer und ihre Legenden waren ruhmreich. Sie durchzogen die Hügel und angrenzenden Gebiete, auf der Suche nach Abenteuern und Gefahren, die sie bewältigen konnten. Sie schützten die Gehöfte und Tavernen entlang größerer Straßen vor Jötunen, Modniir-Zentauren, Schauflern und der Eisbrut. Sie lernten sich auf diesen Abenteuern kennen und lieben, jedoch endeten diese Ausflüge für meine Mutter, als ich zur Welt kam. Meine Mutter und mein Vater liebten mich mehr als jedes Abenteuer, welches ihre Legende wachsen lässt und aus diesem Grund ließen sie sich, nahe Hoelbrak, in den Hügeln der Wanderer nieder. Mein Vater verdingte sich als Jäger und meine Mutter als Gerberin, sie bereuten es nicht, ihre früheren Abenteuer gegen mich eingetauscht zu haben, obwohl ich manchmal dachte, dass sie es vermissten. Wir lebten zum Glück so nah an Hoelbrak dran, dass es nur ein halber Tagesmarsch bis dorthin war. Meine Großmutter, die Mutter meiner Mutter, lebte dort und sie war eine Schamanin des Raben. Ich verbrachte oft Wochen bei ihr. Lernte von ihr wie man Heilkräuter benutzt und Tinkturen herstellt. Wie man aus tierischem Fett und Kräutern Heilsalben herstellt und zudem brachte sie mir etwas über die Geister bei. Bärin, Schneeleopardin, Häsin, Wolf, Rabe. Sogar die ehrenwerten Geister, die bei unserer Flucht aus den nördlichen Zittergipfeln im Kampf gegen diese Echse fielen, brachte sie mir näher. Der Vielfrass, der Adler, der Ochse und die Eule, die beim ablenken des Drachen fiel. Doch während meines Aufenthalts bei meiner Großmutter, erreichten traurige Botschaften Hoelbrak. Die Söhne Svanirs und Eisbrut haben einen Großteil der nördlichen Gehöfte überrannt und nichts als Schutt zurückgelassen. Ich erfuhr erst später, dass bei diesem Angriff meine Mutter starb. Ich habe meinen Vater niemals rasend oder wütend gesehen, doch dies war der Augenblick, indem er wohl alles war, nur kein Mann mit Gnade. Er suchte sich in dieser Nacht seine alte Rüstung aus einer Truhe, sowie die riesige Zweihandaxt, die ich oft bewundernd betrachtete, als er mir von seinen Abenteuern erzählte und einer gewissen, störrischen und naiven Frau die ihn begleitete. Er meinte meine Mutter, die ihm dann immer auf den Hinterkopf haute, für seine doofen Kommentare über ihre Neugierde. Doch an diesem Tag war er … ein Krieger. Nicht mein Vater und sein Ziel waren Svanirsöhne. Meine Großmutter versuchte ihn zwar zu beruhigen, doch selbst sie konnte ihn nicht beruhigen und so zog er aus und ließ seiner Wut freien Lauf. Er kam erst Wochen später wieder zurück. Seine Rüstung war nicht mehr das eisige, kühle Stahlgrau, nein. Blutrot war sie. Gefrorenes Blut klebte auf den großen, groben Stahlplatten und fing sich in kleinen Bächen in den filigranen Verzierungen. Die Axt hatte er nicht mehr bei sich, er muss sie wohl in einem Svanirleib zurückgelassen haben. Er sprach nie darüber was dort vorgefallen ist, doch konnte ich es ihm ansehen. Er war erleichtert und doch beschämt. Er war zwar ein Krieger, doch kein Schlächter und seiner Rüstung zu urteilen, war es nichts weiter als ein zornerfülltes Massaker, dass der Mann dort vollzogen hatte. Es dauerte Jahre, bis mein Vater wieder der Mann war, den ich einst so liebte. Doch in seinen Augen lag für immer dieser Makel. Als habe er die Bärin enttäuscht, als er seine Axt ergriff und die Söhne niedermähte. Heute lebt er zurückgezogen am Eisklamm. Ich sehe ihn nur sehr selten, er verließ mich und meine Großmutter, als ich acht Jahre alt war. Ein Jahr nach dem Vorfall mit meiner Mutter. Meine Großmutter zog mich groß und obwohl ich schon immer eine Kriegerin wie mein Vater und meine Mutter werden wollte, so reifte der Wunsch den Geistern zu dienen. So begab ich mich in die Ausbildung zur Rabenschamanin und werde diese Ausbildung hoffentlich mit der kommenden Abschlussreise erfolgreich bestehen.
Was mich zum Grund meiner Reise bringt. Warum machen wir Novizen der Geister solch Reisen, solch Abenteuer in die gefährliche Welt? Damit der Geist, in dessen Dienst wir uns gestellt haben, sieht, ob wie würdig sind und die Lehren in die Welt tragen können. Man unternimmt während der Zeit als Novize viele Reisen. Manchmal mit einem bestimmten Ziel, festgelegt durch die Ältesten, oder ein Wunschziel. Uns ist freigestellt, wohin wir bei solch Wunschzielen reisen. Ob nur zur Siegerspitze in den Hügeln, oder gar bis in den Eisklammsund, ist erstmal egal. Doch die meisten Novizen wissen, dass die Wahl des Ziels, wohl ebenfalls eine Prüfung ist. Es zeigt unseren Willen, die Lehren der Geister in die Welt zu tragen. Und wer in den Eisklammsund geht und dort den Wanderern und Kriegern die Worte der Geister bringt und lebend zurückkehrt, bestenfalls Gesund und mit Geschichten, der ist wahrlich gewillt, ein Schamane zu werden. Ich habe während meiner Reisen die Hügel bereist, den Pass von Lorna, auch in den Höhen war ich gewesen, jedoch nie im Eisklamm-Sund. Gibt es auch nicht viele Novizen, die es jemals gewagt hätten, dieses Gebiet zu betreten. Nur in Begleitung der größten und stärksten Krieger Hoelbraks und selbst dann würde ich es mir wohl zweimal überlegen. Die Abschlussreise eines Novizen ist in der Regel eine langwierige Angelegenheit. Man verlangt nicht nur das, dass Ziel ausgesucht wird, sondern auch, dass man Wissen und Geschichten mitbringt. Also wählte ich als Ziel, Götterfels. Ich möchte etwas über die Geschichte der Menschen erfahren, etwas über ihre Götter lernen, etwas über ihre Sicht auf die Nebel wissen. Doch die Reise wird lang und ich bin noch nie alleine gereist, zumindest nicht solch eine weite Strecke. Doch bin ich mir sicher, dass mich der Rabe leiten wird. Doch zuerst muss ich Vorbereitungen treffen für die Reise...
<damit endet wohl der erste Eintrag in diesem alten, abgegriffenen Büchlein. Keine weitere Kohlezeichnung findet sich unter den filigranen Lettern. Jedoch scheint es auf den folgenden Seiten weiterzugehen mit den Einträgen.>