Die Eulenhütte und Kirschblüten - der zweite Tag

<als Ihr wohl zur nächsten Seite blättert, knistert und knackt das geringwertige Papier leise und unterstreicht wohl die mindere Qualität des Büchleins. Jedoch wirkt das geschriebene Wort auf den rauen Seiten dagegen wertvoll und erhaltenswert. Abermals in einem satten, tiefen Schwarz geschrieben, erblicken Eure Augen die filigranen, feinen Linien, die die Worte der jungen Nornnovizin zeigen.>

Die Sonne schien wunderschön rötlich oberhalb der dichten Wolkendecke, als ich mich aus den Fellen rollte. Obwohl Trygve wachen wollte, schien er doch eingeschlafen zu sein. Mich stört das nicht, scheint die Nacht wohl ruhig verlaufen zu sein und sein Grauer und die Reflexionen der Ahnen etwaige Unruhestifter ferngehalten zu haben. Durch den kleinen Spalt, die die Zeltplane teilte, flackerte noch das schwache Licht der Flammenkinder, die beeindruckenderweise den leichten Schneesturm die Nacht über standgehalten haben. Ich zog mich langsam an und kramte einen Topf aus meinem Rucksack, um mir und dem schlafenden Jäger, zumindest glaubte ich das er schlief, etwas Tee zu bereiten. Ich hatte extra für die Reise ein Beutelchen mit Minzfencheltee gekauft, verfeinert mit getrockneten Schneebeeren, auf die ich unbedingt auf dem Weg zur nächsten Raststelle achten wollte. Meine Großmutter sagte mir, sie wachsen in Hülle und Fülle in den Höhen, also würde es wohl nicht so schwer werden, welche zu finden. Aber erstmal wollte ich Tee kochen, auch wenn ich im Nachhinein erfuhr, dass Trygve wohl eher der Schnaps- und Biertrinker ist. Nun, für das nächste Mal weiß ich dann wenigstens Bescheid. Heute hatten wir vor die Eulenhütte zu besuchen, die nicht weit vom ersten Rastplatz lag und obwohl Trygve sich immer noch sträubte dort hinzugehen, blieb ich stur.


Den Tee verhunzte er zwar mit seinem Kirschschnaps, aber am Ende hat er ihn getrunken, auch wenn er wohl kein Freund von Tee ist. Der Weg zur Eulenhütte kostete uns einige Zeit, da die Söhne Svanirs, die wir auf den Weg dorthin trafen, recht redselig waren und mein Begleiter sie erstmal überzeugen musste. Mit was er sie überzeugte, schreib ich besser nicht auf, reicht es wohl zu erwähnen, dass sie am Ende wohl doch nur hirnlose Männer sind. Eigentlich sollten mir die Söhne egal sein. Es sind nur Idioten, jedoch macht mich ihre Art, ihr Denken, ihre Respektlosigkeit gegenüber den Geistern rasend. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich wohl jeden dieser tumben Idioten den Schädel eingeschlagen. Doch das hätte nur Trygve und mich in unsinnige Gefahr gebracht, also ließ ich es besser und wir kamen ja auch so zu meinem Ziel. Die Eulenhütte. Sie hatte schon bessere Zeiten gesehen und auch hier mussten wir die Söhne mit etwas Überredungskunst überzeugen. Doch am Ende konnten wir ins innere des zerfallenen, fledermausbewohnten Gebäudes. Es war schon längst nicht mehr das, was es mal war. Eingestürzte Dachbalken stützte die Decke nicht mehr und so konnte das Dach den Schneemassen nicht länger standhalten. Eisige Luft zischte heulend durch die baufällige Ruine und schlug die einstige Wärme in die Flucht, die den Ort einst erfüllt hatte. Ich fand alte Lehren der Eule zwischen dem Schutt und dem Schnee. Alte Schriften die wohl der Eule gewidmeten waren…


<ein Stück Pergament wurde in die Seiten des Büchleins geklebt. Alt. Abgegriffen. Von getrockneter Nässe ganz wellig. Die Schrift auf diesem Stück Pergemant ist schwer zu lesen und scheint wohl eben jene alte Eulenmitschrift zu sein, von der die junge Norn in ihrem Büchlein geschrieben hat>



Der Ort bedrückte mich. Ich konnte das Gefühl nicht beschreiben, doch wollte ich unbedingt so schnell es ging wieder aus der Hütte hinaus. Die Söhne waren schon fort. Irgendwas hat sie wohl verjagt, was es war, war mir im Grunde egal. Ich wollte nur Weg. Auf einem Hügel in Sichtweite der Hütte ließen wir beide uns nieder. Ich schenkte der verfallenen Hütte noch eine Zeichnung. Soviel Zeit musste sein.


<eine weitere detailierte, jedoch farblose, Kohlezeichnung findet sich auf den Seiten des Büchleins. Sie zeigt eine verfallene Hütte, deren Front schon bessere Zeiten gesehen hat. Ein tiefes Loch klafft in der sonst von Milchglas verzierten Gebäudefront. Nur grob ist das innere des heiligen Ortes erkennbar. Man sieht umgestürzte Pfeiler und Balken. Jedoch ist es leicht sich vorzustellen, was für ein glanzvoller, ehrwürdiger Ort das einst gewesen sein muss. Ist das Gebäude ja nicht vollends eingestürzt>



Die Zeichnung ist mir nicht ganz so toll gelungen im Nachhinein bemerkt. Irgendwie waren meine Gedanken und meine Gefühle wo anders. Trygve bemerkte dies und schenkte mir sehr lange seine Aufmerksamkeit. Ich muss sagen … seine Augen sind aus der Nähe sehr schön. Naja … zumindest haben wir uns lange genug an der Eulenhütte aufgehalten und ich war insgeheim doch sehr froh, dass wir den Ort langsam verließen.


Auf den Weg zur nächsten Raststelle nahe den Menschenlanden, fanden wir sogar einige Sträucher mit Schneebeeren. Tiefrot und leicht überreif, doch gerade die überreifen Beeren sind unglaublich süß. Obwohl ich mir vornahm einige für Tee und Quark mitzunehmen, konnte ich nicht anders, als den ganzen Beerenstrauch leer zu essen. In Gegenwart von Trygve nicht sonderlich schicklich, sich mit den Beeren vollzufressen und vermutlich ein hübsches Bild abzugeben, während der Mund blutrot verschmiert ist. Zwar gab es üüüberall diese Beerensträucher, doch zu dieser Jahreszeit waren die Beeren oftmals so überreif, dass sie wieder bitter geschmeckt hätten, oder die Sträucher wurden von Wildtieren geplündert. Aber ich hatte auch nicht vor, einen riesigen Korb mit Schneebeeren zurück nach Hoelbrak zu bringen. Meine Aufgabe und der Zweck meiner Reise waren ein anderer, also zogen wir weiter. Weiter Richtung Westen.


Unser Weg führte uns zur Schneeweh-Freistatt, ein weiterer Außenposten Löwensteins und von dessen Zinnen man einen wunderschönen Ausblick auf den Isenfall-See hat, auf dem vereinzelte Eisschollen herumtrieben. In der Ferne konnte ich sogar die rosa Blüten der Schneekirschbäume erkennen, die die Gelehrtenkluft am Ossenkamm umsäumten. Noch ein spontanes Zwischenziel auf unserem Weg zum Gehöft von Durgar. Ich musste unbedingt diese Blüten aus der nähe sehen, außerdem hat mit Trygve erzählt, der Besitze des Gehöfts hätte einen riesigen Zuber. Kirschblüten duften in warmen Wasser wunderbar, auch wenn ich dort schon angenommen habe, das Trygve wohl weniger der Freund von Kirschblütenduft ist. Egal. Es wird gemacht!


Der Weg zur Gelehrtenkluft war beschwerlich und die Zentauren des Modniir-Stammes, die Seraphen und die Söhne Svanirs lieferten sich nah der Straße immer wieder vereinzelte Scharmützel. Es war schwer diese zu umlaufen, hatte ich nicht unbedingt die Lust auf einen Kampf oder eine Auseinandersetzung. Und beim Raben, wir schafften es zur Gelehrtenkluft, ohne einen Kratzer oder Kampf und wahrlich, meine Großmutter hat nicht gelogen. Der Duft von Schneekirschen lag deutlich in der kalten Abendluft, dämmerte es wohl schon, hat der Weg von der Eulenhütte, hier her, doch etwas an Zeit beansprucht. Ich pflückte einige Blüten vom Baum und Trygve schob mir gar eine Blüte in mein Haar. Ich bin eigentlich keine Frau, die Männern etwas abgewinnen kann, also … ich bevorzuge auch keine Frauen, nicht dass wir uns da falsch verstehen, doch bis jetzt gab es für mich nur meine Lehren und meine Ausbildung. Doch … diese Geste. Diese vereinzelte, rosa-weiße Blüte, die der Bursche da in mein Haar steckte, war … es war schon sehr angenehm und ich vernahm ein dezentes Kribbeln in den Fingerspitzen und dem Unterarm. Keine Ahnung, was dies zu bedeuten hat, jedoch gefiel mir das Gefühl und ich musste mich schon selbst zur Eile antreiben und diesen Moment zerstören, damit wir nicht wieder Ewigkeiten in unserem Blick hängen blieben, obwohl es mir gefallen hätte.


Der Weg von der Gelehrtenkluft zum Gehöft von Durgar war nicht lang, doch feucht. Man musste durch das kühle, gar eisige Uferwasser des Isenfall-Sees laufen und der eiskalte Wind, der gegen Abend wieder zunahm unterstützte es, dass ich begann zu frieren und umso glücklicher war ich, als wir endlich das Gehöft betraten und tatsächlich, Trygve kannte den Besitzer tatsächlich ganz gut, dass er uns den Zuber und eine tolle Mahlzeit bereitstellte. Ich kann mich noch an jede einzelne Speise erinnern. Dicke Scheiben dunkles Brot, Speck, saftiger Braten in Scheiben im eigenen Saft, anscheinend vom Schwein, eingelegte rote Beete, Käse von strengem Geruch und am Ende noch zwei Krüge mit dunklem Bier. Ich hoffe meine Großmutter nimmt mir die folgenden Zeilen nicht übel, doch so gut habe ich noch nie gegessen oder getrunken. Vielleicht war es einfach die Umgebung, oder der Mann der mit mir aß. Vielleicht war das der Grund warum es mir so schmeckte. Ich weiß es nicht, in diesem Moment galten meine Gedanken nicht der Reise. Sie galten dem Mann … Trygve Hammarbö. Und ich sollte nun aufhören, von dem Essen und dem Trinken zu erzählen. Mir läuft immer noch das Wasser im Mund zusammen und ich neige dazu, meinem schlafenden Begleiter ein Stück aus seiner Schulter zu beißen, wenn ich weiter daran denke. Also weiter. Nach dem Essen schob der Wirt und der Jäger den Zuber tatsächlich durch die volle Hütte in die dunkle Ecke, wo die Schlafstatt sich befand. Sie war vor den Augen neugieriger Hüttenbesucher durch lederne Vorhänge geschützt. Sehr gemütlich und bestimmt werde ich auf meiner Rückreise nochmals hier halt machen.


Das Bad war sehr angenehm. Obwohl ich nichts gegen strengen Geruch habe, roch es in der Hütte auch nach Schweiß, Fleisch und altem Holz, so roch ich wohl doch leicht streng, habe ich seit dem Beginn der Reise nicht mehr anständig gebadet oder mich gewaschen. Norn, die wohl viel auf Reisen sind, werden wohl über diese Worte lachen, was ich den so rumjammere. Doch ich bin keine Norn die oft reist, oder wandert. Ich habe den Großteil meines Lebens in der Nähe oder in Hoelbrak verbracht und habe eigentlich stets die Möglichkeit gehabt, ein Bad zu nehmen, also sind meine Worte doch berechtigt, unterscheidet sich wohl jeder Norn. Wie jedes Blatt am Baum eine andere Form hat. Das ich die Hütte mit dem Duft der Schneekirschenblüten erfüllte, schien wohl niemanden zu stören, würde der Duft wohl auch nicht sehr lange verweilen. Es reicht, wenn er an mir und Trygve haften bleibt, der sich ebenfalls in den Zuber begab. Auch wenn ich nichts dagegen habe, dass er mit mir badete, war ich da wohl nicht sonderlich zimperlich, war es dann doch etwas … Neues. Etwas erfahrenswertes. War das doch der Grund für meine Reise. Sie sollte nicht nur für die Ältesten sein, damit sie sehen, ob ich bereit bin, nein. Sie ist auch für mich, soll sie mich für mein weiteres Leben prägen und der Norn … Trygve. Er prägte mich … auf eine besondere Art, die ich noch nicht so ganz zu verstehen vermag. Doch unsere Reise ist noch lang und ich bin mir sicher, ich werde noch einiges über ihn und mich lernen.


Wir waren solange in diesem Zuber, dass ich gar nicht bemerkte, wie das Wasser doch deutlich abkühlte und ich mich endlich aus dem nun kühlen Nass begab. Ich duftete tatsächlich nach Schneekirschenblüten und ließ es mir nicht nehmen, müde wie ich war, pitschnass ins Bett zu fallen. Die Felle rochen streng, doch wirkten sie frisch ausgeschlagen und sauber. Der Mann kletterte auch sogleich neben mich ins Bett und ich konnte es mir nicht verkneifen mich an ihn zu lehnen, als ich in das Reich der Träume glitt. Der Tag … war ereignisreich, voller Dinge, die ich gelernt, die ich erfahren habe. Über die Eulenhütte zum Beispiel. Aber auch über mich … und Trygve. Mir gefiel die Reise … und auch meine Begleitung und ich hoffe, dass sie so weitergeht, wie bisher.


<damit endet wohl der Eintrag in diesem Buch. Abermals lässt Euch wohl die Vergangenheit ahnen, dass auf den nächsten Seiten weitere filigrane und feine Lettern Euch erwarten. So Eure Neugierde immer noch lebendig ist, werdet Ihr sie wohl stillen.>