Die Reise beginnt ... endlich ... - der erste Tag

<Ihr blättert langsam um und eure Augen erfassen einen neuen Eintrag in diesem Büchlein und es scheint abermals die Neugierde zu sein, die euren Blick wieder über die schwungvoll-filigranen Linien gleiten lässt. Wohl hat die Reise der jungen Norn endlich ihren richtigen Anfang gefunden.>


Ich habe im Borealis-Wald, beim Helden-Bierrat auf den Mann gewartet, ganze zwei Tage und zwei Nächte lang. Zwar sind die Felle dort gut und über das Bier singen wohl die Skalden, jedoch wollte ich so schnell wie möglich meine Reise beginnen. Ich habe mir nochmal seinen Rat durch den Kopf gehen lassen, bezüglich meiner Sachen, die ich mitnehmen möchte. Zwar meinte er, ich solle ja nichts vergessen, doch habe ich meine Kleidung und die unnützen Dinger reduziert auf einen Rucksack. Zwei Rucksäcke sind doch etwas unsinnig, wenn man nicht einen Packdolyak dabei hat. Ich habe noch einige Kleinigkeiten bei den Ständen beim Bierrat gekauft, als er sich wohl endlich zeigte. Ich bin immer noch der Meinung, dass er sich angeschlichen hat, obwohl er sagte er stünde dort schon seit Stunden. Aber im Grunde war es mir ja egal, ich war sogar erleichtert, dass er überhaupt mit auf die Reise kommt, nicht nur weil er so ein hübscher Bursche ist, nein, viel mehr, weil ich in der Wildnis wohl nicht die begabteste Norn bin. Aber er war ja endlich da und nun konnte es ja losgehen. Wir ließen auch keine weitere Zeit verstreichen und machten uns auf den Weg in Richtung Götterfels.


Am späten Nachmittag erreichten wir unseren ersten Zwischenstopp. Die Siegerspitze an den Dunkelflussklippen. Ich wollte Trygve unbedingt den geräucherten Honigdolyak probieren lassen, den ich immer gegessen habe, als ich noch mit meinen Eltern in den Hügeln lebte. Hier gibt es den besten Honig der Zittergipfel und das beste geräucherte Dolyakfleisch in den Hügeln, außerdem hat er haufenweise Kinder. Ich hoffe das die nicht alle ihm gehören, wenn doch, hat die Frau eine beachtliche Leistung vollbracht. Jedoch wollte ich nicht so frech sein und ihn danach fragen, zumal seine Frau gerade nicht anwesend war. Wir verbrachten einige Momente im Gehöft vor dem Feuer. Probierten das geräucherte Dolyak mit Honigkruste und Dunkelbier, dass Trygve in einem Schlauch am Gürtel trug. Ich liebe Honig auf geräuchertem oder gegrilltem Fleisch und dazu ein schönen Humpen, oder wie in diesem Fall ein Schlauch mit Dunkelbier. Das alles vor einem warmen Kaminfeuer und das Leben ist perfekt. Nun ja … für diesen Augenblick zumindest und dieser Augenblick dauerte recht lange. Ein guten Sonnenschritt am Himmel vergangen, als wir uns endlich wieder auf den Weg machten. Da mir Trygve beim betreten des Gehöfts einen Schneeball ins Gesicht warf, rächte ich mich, indem ich diese Armee aus kleinen Kindern auf ihn hetzte. Ich glaube ich habe lange nicht mehr so gelacht, auch wenn Trygve mir bitterliche Rache geschworen hatte. Das war es wert!


Die Sonne schob sich langsam gen Horizont und färbte die Wolken in ein sanftes, orange-rot. Wunderschön war dieser Anblick, nur selten habe ich solch einen Sonnenuntergang gesehen. Ich nachhinein muss ich zugeben, dass wir ziemlich oft angehalten haben um kleine Zwischenstopps zu machen. Jetzt war schon wieder der Zeitpunkt für einen Stop. Die Doppelsporn-Freistatt auf der großen Straße die Löwenstein, Hoelbrak und viele kleine Dörfer in Kryta verbindet. Überall auf dieser Straße finden sich diese Freistätten. Besetzt von Löwengardisten die ihr Hauptquartier in der freien Stadt Löwenstein haben. Dort will ich auch auf meiner Reise hin! Doch erstmal sind wir noch in den Hügeln und von den Zinnen der Doppelsporn-Freistatt hat man einen wundervollen Ausblick auf den Jägersee. Es war Zeit für eine Zeichnung…

<und mit diesen Worten erstreckt sich eine große Kohlezeichnung über den Rest des spröden Papiers. Es zeigt die verschneiten Ebenen der Hügel. Dazwischen ein Teil des gefrorenen Jägersees, an dem sich das Gehöft Krennaks befindet, sowie einige vereinzelte Eisbrutwölfe, die das Bild gekreuzt haben, als sie es wohl gezeichnet hat. Nichts wird beschönigt, alles wurde so festgehalten, wie sie es gesehen hat. Das macht die Zittergipfel, die Hügel der Wanderer im speziellen aus. Für die junge Novizin wohl einer der schönsten Orte dieser Welt. Abgeschlossen wird diese Kohlezeichnung mit der Bergkette im Hintergrund, die die Hügel der Wanderer vom Land Ascalon abgegrenzt>



Nachdem ich das Bild gezeichnet hatte und wir einen Schluck aus Trygves Dunkelbierschlauch nahmen, setzen wir die Reise fort. Weiter in Richtung Norden, weiter in Richtung Svanirdom, wo einst das Gehöft meiner Eltern lag und dort, wo mein Vater zornerfüllt wütete. Ich bin oft an diesem Dom vorbeigewandert, auf meinen früheren Reisen in die Schneekuhlenhöhen und jedesmal verweilte ich an der Kreuzungs-Freistatt, dort wo die Statue Joras steht, um einen Blick auf diese Anordnung von Kristallen aus eisigen, finsteren Blau zu werden. Jedoch habe ich es nie gewagt diesen Ort zu betreten. Ich bin keine Kriegerin und es würde nur meinen Tod oder Schlimmeres bedeuten, wenn ich dorthin gehe. Damit hätte ich niemanden einen Dienst getan, also habe ich es auch nie in Erwägung gezogen. Doch irgendwann. Vielleicht nach dieser Reise. Vielleicht auf meinem Rückweg. Doch zu diesem Zeitpunkt wollte ich den Dom nur hinter mir lassen und hoffentlich sieht Trygve meine Zweifel und meine Trauer nicht. Es gehört sich nicht für eine Novizin des Raben der Vergangenheit hinterher zu trauen. Viele haben in ihrem Leben Leid erfahren, was macht mich da so besonders? Was macht mich anders als die anderen? Ich habe nicht mehr Aufmerksamkeit verdient, als andere, die deutlich mehr verloren und erlebt haben. Ich muss stark sein, für diejenigen, die meiner Hilfe und meiner Aufmerksamkeit bedürfen. Doch bevor wir den Dom endgültig hinter uns ließen, wollte ich natürlich, wie auf jeder meiner Reise in den Norden, der Statue von Jora einen Besuch abstatten. Ich hatte extra für die Reise ein blutverschmiertes Stahlsegment aus der Rüstung meines Vaters dabei um es der Statue zu Füßen zu legen. Kein Opfer, kein Ritual. Ich dachte nur, dort ist es besser aufgehoben, als bei Großmutter. Die Statue und die Freistatt hinter uns lassend, näherten wir uns dem Pass, der in die Höhen führte, aber auch dem Dom kamen wir dabei gefährlich nahe. Seit der Alt-Drache Zhaitan durch die geballte Macht alle Völker bezwungen wurde, wussten auch die Söhne Svanirs, die kriechenden Anbeter Jormags, dass Alt-Drachen sterben können. Sie wurden unruhiger und aggressiver gegenüber Reisenden. Sie ließen nur noch selten Personen in ihre Nähe. Von Nicht-Norn oder Frauen nicht zu reden. Doch zum Glück konnten wir ohne große Zwischenfälle den Dom passieren. Wir werden wohl noch häufiger auf die Söhne und die Eisbrut stoßen. Gerade in den Höhen, wo es von diesen Widerlingen wimmelt.


In meiner endlosen Weisheit und wieder von neuer Fröhlichkeit ergriffen, nachdem wir diesen Schandfleck in den Hügeln passierten und endlich das Gebiet der Höhen betraten, wollte ich etwas Feuerholz hacken, um für das anstehende Lager ein Feuer zu machen. Meine Großmutter zeigte mir zwar wie man ein Feuer macht, jedoch nicht, dass man dafür nicht irgendwelche Stämme in der Wildnis umhacken kann. Trygve schien da etwas besser Bescheid zu wissen. Er hielt mich davon ab, ein wehrloses Bäumchen niederzumähen, mit der Begründung dass es sowieso zu feucht ist zum brennen. Die meisten Lager haben getrocknetes Brennholz liegen, wir müssen es nur wieder mit neuem Holz auffüllen. Sehr gut gemacht, Finja. Da will ich dem Herren zeigen, wie gut gewappnet ich für diese Reise bin und möchte ein Baum, na gut, Bäumchen fällen und dann sowas. In seinen Augen muss ich ja sehr gut abschneiden. Eine junge Norn, die keine Ahnung von der Wildnis hat, keine Ahnung mit dem Waffenumgang und schon gar keine Kampferfahrung aufweist und ich scheitere an einem banalen Feuer. Und zu allem Überfluss falle ich auch noch den kleinen Abhang hinab und lande mit dem Gesicht vorran im Schnee. Der erste Reisetag geht ja grandios zu Ende.


Die Peinlichkeiten hinter mir lassend, gingen wir den Weg weiter. Es war nicht mehr weit bis zum ersten, regulären Rastplatz. Die Nacht lag schon in der Luft und Wind kam auf, ein leichter Schneesturm kündigte sich an und ich wollte unbedingt vor dem Schlaf noch etwas essen und trinken.


Der Wind hat zum Glück nochmal abgeflaut, als wir endlich das Lager erreichten. Es war verlassen, entgegen meiner Informationen, doch störte das mich und Trygve nicht sonderlich. Während er die Feuerstelle wiederentzündete, bereitete ich die Schlafstätte in einem der verlassenen Zelte vor. Ich machte wohl das, was ich am besten konnte. Das Feuer, bei dem erhöhten Wind, wäre wohl eine stundenlange Aktion geworden und Trygve schien darin deutlich geübter zu sein, als ich. Die Schlafstatt vorbereitet, das Feuer entzündet, setzt ich mich neben den hübschen, blonden Burschen. Seine Nähe war recht angenehm und ich bin dankbar für seine Begleitung auf dieser langen Reise. Er kennt sich sehr gut aus in der Wildnis und ich bin mir sicher, ich lerne auch von ihm noch etwas. Vielleicht wie man jagt oder fischt. Ich kann zwar fischen, doch ist es etwas anderes, es von jemanden zu lernen, der das schon sein ganzes Leben lang macht. Da kann ich mir bestimmt etwas abgucken. Aber jetzt konnte ich ihm eine kleine Freude machen, als ich einen Teil meines Reiseproviants offenbarte. Eine große, saftige Eberkeule. Natürlich ohne Haare, jedoch mit Haut. So kann man sie perfekt über dem offenen Feuer zubereiten. Ich hatte zwar auch Gewürze dabei, aber ich holte ihm schnell seine eigene Blechbüchse mit dem Salz aus dem Rucksack. Im nachhinein muss ich lachen, über meine dämlich-jugendliche Art, als ich mich wieder dicht neben ihn setzte und nach dem Essen immer wieder leicht eindöste. Mich dabei wohl unbewusst an ihn gelehnt. Er nahm dies wohl zum Anlass mich zu wecken, damit wir doch die Schlafstätten im Zelt aufsuchen können. Bei dem aufkommenden Wind und dem beginnenden Schneesturm draußen zu schlafen, kann selbst für dick eingepackte Norn, schmerzhaft enden. Also legten wir uns ins Bett. Den Grauen ließ der Jäger wohl vor dem Zelt wachen, jedoch wollte ich ja auch etwas für unsere Sicherheit tun und bat den Raben um seine Unterstützung. Er schickte uns geisterhafte, gesichtslose Schemen, die das Feuer und das Zelt umwanderten. Sie sind keine Bedrohung, geschweige den können sie jemanden Leid antun. Nur Reflexionen von Ahnengeister. Wie ein Spiegelbild auf einer Wasseroberfläche bei Nacht. Nur schwer sind die Umrisse erkennbar, von Details nicht zu reden. Doch für Svanirsöhne und andere tumbe Gestalten, reichten diese Schemen aus um diese vom Lager fernzuhalten. Nicht mehr als Spukgeister in ihren Augen, doch für uns drei heißen sie mehr Sicherheit. Ich würde es ihm wohl am Tag darauf erklären, sollte er sie überhaupt mitbekommen. Doch fürs erste, wollte ich nur schlafen…


<damit endet abermals ein weiterer Eintrag in dem Büchlein und ein weiteres Mal können Eure Augen wohl die Fortsetzung des Tagesbuchs auf der nächsten Seite ausmachen, so Eure Neugierde noch nicht verflogen ist.>