In der Tür lehnte, wie ein plumper und zu allem Überfluss noch schief in die Landschaft gestellter Felsbrocken, der Hausdiener Vito mit den hängenden Tränensäcken einer kurzen Nacht und mahlte mit dem Kiefer. Adrian kam seinetwegen nicht hinter dem Schreibtisch hervor, sondern musterte ihn vom Platz aus mit einem Blick, aus dem Wärme und humorvolle Weitsicht strahlten, und sein sinnlicher Mund war zu einem Lächeln verzogen.
„Ja, fahr nur fort, Vito“, forderte er , indem er ein schweres Glas aus Kristall schwenkte, sodass der Whisky darin Runden drehte, „Das Fräulein Goldwasser war da und hat nach der Magistra gefragt. Und dann? Was hast du ihr geantwortet? Oder was gab es, dass du jetzt hier stehst und mich schafköpfig anglotzt?“ Auf seinen Wangen ruhte eine unbesorgte Eleganz, doch auch gespannte Neugier, denn er musste, da er Vito kannte, schon die ein oder andere lustige Vermutung haben.
Der Hausdiener hatte immer noch Verband um einen seiner Unterarme gelegt. Er hatte sich schon daran gewöhnt, ihn still zu halten und benutzte entgegen seiner sonstigen Art die gesunde Hand der anderen Seite, um sich das stark gewachsene Kinn zu reiben.
„Du hast dich im letzten Monat mit Victor und Alexej darüber lustig gemacht, wie hässlich du sie findest. Da hab ich ihr gesagt, sie sei einem Gerücht aufgesessen. Als sie dann weg war, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, ob das in deinem Sinn war. Falls es verkehrt war, tuts mir leid. Zurückholen werd ich sie ja aber wohl nicht sollen, oder?“
Vito sah nicht zu Adrian. Er hielt seine Augen dumpf auf die dunkle Täfelung des hohen Zimmers gerichtet, bis ein melodisches Lachen vom Schreibtisch her sie von dort fort lenkte.
„Du hast in deiner frechen Eigenmächtigkeit schon richtig gehandelt“, sagte Adrian, und auch wenn seine Stimme in Leichtfertigkeit schwamm, war sie doch zu erhaben, um als närrisch durchzugehen. „Schick die Hässlichen ruhig alle weg. Schick auch die weg, von denen du weißt, dass ich sie oder ihre Töchter nicht mögen werde.“
Ob soviel sorgloser Einfalt schwieg Vito. Es hielt nicht lange, denn es gab noch etwas, das seine Gedanken beschäftigte, solange es nicht angesprochen war.
„Und junge Männer? Es war heute in der Früh einer da, der nach der Magistra gefragt hat.“
Da klimperten in Adrians Glas die Eiswürfel, als er vollkommen jäh anhielt, es zu drehen. Aus seinem zu Jugend neigenden und dennoch scharf geschnittenen Gesicht starrte Verwunderung, und weil er vor Verwirrung nicht wusste, was er machen sollte, schaute er sich um.
„Aber derjenige war doch wegen einer anderen Sache hier, oder?“, fragte er verblüfft.
Vito zuckte, und dabei schürzte er in unbedarftester Manier die Lippen, lediglich mit den Schultern.
„Na dann“, murmelte Adrian, der jetzt seinen Blick gefangen und ruhig zu dem Diener gelenkt hatte, wobei er zerstreut abwinkte. „Männer schickst du, wenn sie wegen Avancen kommen natürlich auch weg – oder warte. Nein.“
„Nein?“ Nun war es Vito, der perplex die Augen aus dem Kopf drückte. „Ich schick sie nicht weg?“
Entweder war es der Anblick des verzweifelten Vito, der Adrian überlegen ließ, oder er folgte gedanklich inneren Vorgängen, jedenfalls lächelte er bald wieder und hob bei einer für einen Mann fast zierlichen Kopfbewegung die Stirn so an, dass er schräg zu seinem Hausangestellten spähen konnte.
„Nein, schick sie nicht weg, Vito. Mach aber auch keine große Sache draus. Leite sie gleich an mich weiter. Die Magistra muss damit nicht belastet werden.“
„Dann...“ Vito schien noch immer nicht zu wissen, was er davon zu halten hatte. „Soll ich den Mann von heute Morgen kontaktieren?“
„Von wem sprechen wir denn?“
Vito sagte ihm den Namen.
„Schick ihn mir vorbei.“
Vito nahm die Anweisung hin, aber sie bewirkte fühlbaren Redeunwillen in ihm. Da er wusste, dass er weder nachfragen noch scherzen durfte, wollte er über die Angelegenheit am liebsten möglichst schnell das Gras der Verschwiegenheit sprießen lassen. Er versicherte sich, dass alles geregelt war. Da saß Adrian in seiner besten Mode, längst wieder mit seinem Whiskey und einem Stapel Unterlagen beschäftigt, die er für seine entfernten Basen Sinea und Bianka Blauvelt machen wollte, übertrug mit mannhaftem Ernst Informationen und nahm seinen Bediensteten gar nicht mehr wahr, der sich zum ersten Mal im Leben fragte, ob er bei all den exzentrischen Farbentscheidungen und exklusiven Essgewohnheiten seines Herren blind für etwas gewesen war, das ihm jetzt wie eine kalte Hand der Erkenntnis in den Nacken fuhr und ihn aus dem Büro schob.
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