Wiegende Grashalme im Wind. Sanftes hin und her wippen. Ruhe. Hypnotisierendes Wackeln.
Der Rote blinzelte, versuchte die Gedanken auf anderes zu lenken, auf wichtiges. Dunkle, nachtschwarze Augen richten sich zurück auf das Höflingslager, ganz nach den Grenzen Zinderhangs. Hier gehörte er hin, hier hat er die Aufgabe seines Zwillings übernommen. Hier hatte er seine Aufgabe als Hüter wahrgenommen und hatte sie noch niemals vernachlässigt. Bis zu seinem Aufbruch in den Hain - der sein ganzes Leben verändert hatte.
"Alea", hallte es leise im Kopf nach. Selbst ein Blinzeln verjagte den Gedanken an die kleine Grüne nicht. Mit ihr fing der ganze Ärger irgendwie an. Sie zu seiner Aufgabe machen, war ein Fehler, den er schmerzlich lernen und erkennen musste und doch, noch immer fragte er sich was aus ihr geworden war. Wo ihre Wege sie inzwischen hingeführt hatten, ob es ihr gut ging, ob sie jemanden bei sich hatte der sie beschützte. Im Hain konnte niemand etwas über den jungen Spross sagen. Eigentlich wollte er sich nicht nach ihr erkundigen, doch konnte er es am Ende nicht lassen und sogar Avil hatte geholfen, sich nach dem Spross umgehört.
Glyzavo schloß die Augen, als eine leichte Windböe die Gedanken an Alea mit sich nahmen, hinaus in die Welt über die kleine Füße sicher gerade tanzten, unbeschwert, unverletzt und ungeduldig - so wie ihr Wesen nunmal war.
"Zavo? Wo tragen dich deine Gedanken schon wieder hin, hmm? Du bist keine zwei Wochen aus Götterfels zurück und mir kommt es vor, als müsse ich mit einem ganz anderen Sylvari auf Patroille gehen. Das fühlt sich nicht gerade sicher an." Natürlich fühlte der Rote ihre Unsicherheit und doch bekam sie von ihm nur ein Lächeln. Kein öffnen seiner Emphatie, jedenfalls nicht weiter, als er es auch anderen zeigte. Er wollte es nicht teilen, wollte das Erlebte aus Götterfels für sich ganz alleine haben, dafür keine schiefen Blicke und neugierige Fragen erhalten. Er hatte sich verändert. Ja. Aber er war immernoch er selbst. "Du musst mir auch noch sagen, was mit deinem Finger passiert ist." "Verschenkt, sagte ich doch." "Lustig..",schnaufte Arvil aus und rollte mit den Augen. Auch wenn sie keine Lüge in den Worten des Roten erfühlen konnte, wollte sie seinen Worten einfach nicht glauben. "Man verschenkt doch nicht einfach einen Finger." "Ich schon." "Nein, gerade du nicht. Ich hätte von Vilon sowas erwartet, der würde auch seinen Kopf verschenken, aber nicht du. Das macht dich anders als Ere.." Der Blick den Arvil erhielt lies sie augenblicklich verstummen. "`Tschuldige bitte." "Hmpf",kam es verärgert vom Roten. Sie wusste genau, dass er ihr verboten hatte seinen Namen zu nennen. Das war der Deal gewesen. Er trat die Ausbildung zum Hüter an, für seinen Bruder und sie würde in seiner Nähe nie wieder dessen Namen nennen. "Wir sind fertig. Den Rest geh ich alleine", murrte der Rote in die Richtung seiner doch ehemals guten Freundin. "Nein Zavo. Wir gehen den Weg immer zusammen. Der Hof ist hier sehr nah, ein Träumer alleine ist viel zu leicht angreifbar." Das Grinsen auf dem Gesicht des Roten lies die Hüterin erneut verstummen. Ja, der Rote war noch immer ein Träumer. Seine Verbindung zum Mutterbaum war ungebrochen, hell, warm, leuchtend. Etwas das man nicht so leicht brach. Doch die Verbindung zu den Geschwistern, zu ihr, war angekratzt. Bevor weitere Worte folgen konnten setzte sich der Rote bereits in Bewegung. Er war ein schneller wendiger Läufer und das dunkle Blattwerk ließ ihn in der Abenddämmerung schon nach wenigen Sekunden verschwinden. Er würde die Nacht nicht zurück ins Lager kommen - wie die letzten Nächte schon nicht.
"Wahnsinniger",murrte Zavo, auf einem dicken Ast sitztend. Die Beine hingen hinab, baumelten langsam vor und zurück, wie eine Uhr dessen Pendelwerk kein Halten kannte. "Unmögliches Vieh", murrte er weiter. Den Blick gesenkt auf die rechte Hand - an der der kleine Finger fehlte. Der Baum war früher ein gern genutzter Ruhepunkt von seinem Zwilling und ihm gewesen. Doch als dieser verschwand, wurde der Baum zu einem Ort schmerzhafter Erinnerungen. Es war das erste Mal seit Jahren, das man hier wieder saß ohne den Erinnerungen zu erliegen. Denn diesmal war der Kopf voll mit andern Gedanken. Gedanken denen er in Ruhe nachgehen wollte. Gedanken die er auseinander fummeln musste um Sinn zu sehen in Worten die gesprochen worden waren, in Gesten die getan worden waren - und doch fand er den Sinn einfach nicht. Welchen Sinn hatte es gehabt sich immer wieder in dessen Nähe zu begeben? Er hatte nicht gefunden wonach er gesucht hatte. Darauf gab es wohl auch keine Antwort. Einmal, ja einmal dachte Zavo er wäre ganz nah dran. Er könnte mit eigenen Augen sehen wie sich etwas verändet was von Veränderung ausgeschlossen ist und doch - wurde es am Ende nichts. Ein schweres Seufzen entkam der Brust des Roten, als dieser den Kopf in den Nacken legte und zwischen den Blättern hinauf gen Himmel blickte. Blau. Dunkles Blau mit kleinen gelben Sternen. Gelbe Sterne die sanft leuchteten. Sanftes Leuchten. Zartes Glimmen. Zartes, sanftes Glimmen. Ayu. Wunderschön. Rein. Unschuldig. Das letzte Mal als er sie sah, stand sie am Melandru Brunnen in der Obhut Marys die bestimmt seiner Bitte nachkam. Ob die Blaue immernoch in Götterfels war? Ob sie immernoch hoffte er würde zurück kommen, ihre Hand ergreifen, sie mit sich nehmen und für immer ein Teil ihres Daseins werden? Wieviele Teile konnte man von sich selbst vergeben? Konnte man sich selbst überhaupt teilen? Hatte nicht Eretheyn damals den Großteil mit sich genommen? Hatte sein Zwilling nicht fast sein ganzes Dasein zerstört, als Gefühle ihn überkamen, die mit keinem körperlichen Schmerz der Welt gleich zu setzten waren? Und wenn man es doch beschreiben müsste, wäre "entzwei gerissen" die wohl passendste Beschreibung.Wie konnte er sich selbst an jemanden vergeben, wenn er doch gar nicht eins war mit sich selbst? Hatte der Mutterbaum das für ihn vorgesehen? War es sein Schicksal für immer zerissen zu sein, um auf seinem Weg in weitere Teile gestückelt zu werden?
Zavo schloss die Augen und ließ sich nach hinten fallen. Dumpf das Geräusch, als sein Körper auf dem Boden aufschlug und kurze Schmerzwellen durch seine Glieder zuckten. Er lebte. Er lebte noch immer. Und fühlte sich erneut schmerzlich zerrissen und einsam - was wohl erklärte warum er die Nächte wieder hier verbrachte. Am Baum. Der einzige Zeuge, wenn sich Zavo öffnete und die innere Ruhe wich - dem Sturm seiner Gefühle.
Morgengrauen, zartes gelb, fluffige Wolken, Windstille.
"Bin zurück." Murmelte der Rote leise, als er den Kopf gerade durch den Farnvorhang stecken wollte, als ihm Arvil bereits entgegen blinzelte. "Ich weiß. Habe dich schon eine Meile gegen den Wind gespührt", antworte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war das erste Mal, das sie ihn wieder früher erfühlen konnte, seitdem er zurück war. "Du bist also wieder da?" "Ich war nie weg", antworte Zavo mit ruhiger Stimme - und doch war es diesmal eine Lüge. Er hatte einen Teil dort gelassen, dort am Baum und jeden Abend würde er diesen Teil genau dort besuchen gehen. Doch solang es nicht Nacht war musste er funktionieren, seiner Aufgabe hier nachkommen, die schützen die seinen Schutz brauchten. Lider schlossen sich über nachtschwarze Augen, kaum das der Rücken das Moosbett berührt hatte.
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