Devin stand am offenen Fenster seines Zimmers, auf seiner Faust saß ein Vogel. Das Tier trug ein schwarz-grause Federkleid und blickte ihn aus hellblauen, intelligenten Augen an. Eine Dohle. Zart stricht nur ein einziger Finger über den kleinen Kopf seines Schützlings. Der Vogel kam freiwillig und holte sich die Zuneigung seines Herrn ab. Der Butler musste sich nicht fragen, was es sein konnte, das ihn zu einer solchen Position erhob. Es schlich sich der merkwürdigste Gedanken ein, den er jemals erdacht hatte. Die Antwort, welche er auf sein Leben implizieren konnte. Freiheit. Der Vogel kannte seinen Herrn. Diesem stets treu ergeben, kehrte er immer wieder aus freien Stücken auf die Faust des Mannes zurück, der ihn mit viel Liebe aufgezogen hatte. Bedingungslos gestaltete sich diese Bande, denn weder Devin, noch der kleine Gefährte stellten Ansprüche, die unerfüllbar waren. Es folgte eine schwungvolle Bewegung aus dem Handgelenk, daher entfaltete die Dohle ihre Flügel und flatterte davon, gesellte sich unter Ihresgleichen. Der Schwarm genoss die vollkommene Freiheit über dem Dach des Anwesens. Zwölf an der Zahl. Ein jedes dieser Geschöpfe lag ihm nicht mehr oder weniger am Herzen. „Freiheit“, schoss es ihm durch den Sinn. Frei zu fliegen und wieder zu ihm zurückzukehren, wenn sie ihn vermissten. Auch wenn es Tage dauerte, bis Devin seine Dohlen wieder bei sich hatte, liebten sie ihn gerade dafür, dass er sie auch nach dieser entbehrungsreichen Zeit noch immer begrüßte und es ihnen nicht nachtrug. Der größte Loyalitätsbeweis überhaupt, die Rückkehr eines freien Wesens, aus freien Stücken. „Du musst los lassen.“, sprach er sich laut formulierend zu, wandte sich vom Fenster ab und ließ sich unweit davon auf einer Scheselong nieder. Die Hand, welche zuvor noch der Dohle einen Sitzplatz geboten hatte, strich gedankenverloren über den edlen, sandfarbenen Stoff, der so weich wie das Gefieder des Tieres schien. Die Glieder des Jungen Mannes fühlten sich augenblicklich bleiern an, als habe man ihm Gewichte an diese gebunden, damit sie ihn unerbittlich niederzwangen. Langsam sackte er nach rechts weg, zog die Beine an und schloss die Augen. Lange Minuten oder gar Stunden lag er einfach so da, ohne dass der gnädige Schlaf erlöste und weniger trübsinnige Träume schenkte. Zeit spielte gerade keine Rolle. Alleinig die eigenen Gedanken leisteten ihm Gesellschaft, bedrängten ihn mit der einen harten Wahrheit, die er nur zu gerne verleugnen würde und brannten wie Gift in seiner Seele.
Gib frei. Freiheit. Du musst loslasse. Lass doch endlich los. Es tut dir gut. Lass es zu. Sei nicht blind. Lass los, es kann so einfach sein.
Erst als er Flügelrauschen vernahm, da es sich drei der Rabenvögel auf der Fensterbank gemütlich machten, kroch wieder etwas mehr Leben in die lethargisch daliegende Gestalt des Butlers. Er griff in seine Westentasche, zog eine kleine schwarze Taschenuhr hervor und schob sie sich zwischen die erlesene Polsterung der Scheselong und seinem Ohr, lauschte. Tick, tack, tick, tack, konnte er vernehmen, wie die Zeit voranschritt. „Bald.“, sprach er sich gut zu und musste tatsächlich lächeln. So trübsinnig er auch gewesen sein mag, lange hielt dieser Zustand niemals an. Immer wieder fand er flüchtig zu der einen Tatsache zurück, die sich wie Balsam um seine Seele legte. Unbewusst. Geheim. Tick, tack, tick und mit dem nächsten Klacken des Zeigers, welcher durch das filigrane Zahnradwerk der Taschenuhr bewegt wurden, schien es ihm klar zu sein. Er selbst wollte keine Freiheit, doch er vollbrachte es, sie anderen Geschöpfen zu schenken. Tack.
Meine Inspiration:
37S99j5iwOU
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