Noch lag die Küstenstadt im schützenden Mantel der Nacht, nur vereinzelt war die Schiffsglocke am Hafen zu hören, Rufe von Möwen, die sich um einen Fisch stritten, der in Kisten verladen an die örtlichen Händler gehen sollte. Hafenarbeiter, deren Rufe gedämpft an ihr Ohr drangen. Löwenstein schlief nie. Und auch ihr war der Schlaf heute nicht gegönnt, ganz anders erging es dem massigen Seeriesen neben ihr, der aufgrund von Rum und halber Rückenlage ein basslastiges Schnarchen von sich gab. Langsam und gepaart mit einem leisen Rascheln, drehte die Ärztin dem Schlafenden ihren braunen Fransenschopf zu, um ihn im Zwielicht der Kajüte zu betrachten. Es waren nun beinah drei Monde, in denen er mit ihr freudige, wie auch traurige oder ernste Momente erlebte. Drei Monde, die von Verbundenheit geprägt waren, ohne Freiheit einbüßen zu müssen, die beiden so unglaublich wichtig war.
Mit einem leisen Seufzer – der von dem Glück sprach, das sie an seiner Seite empfand, wand sich der geschundene Leib der Schiffsärztin unter der Pranke des Seebären von der Pritsche. Es rang ihm ein schlaftrunkenes Brummen ab, jedoch regte er sich nicht weiter.
Für Taraya gab es noch einiges zu tun, wenn sie dem Ruf folgen wollte, der sie gestern erreicht hatte. Serekka - die kleinwüchsige weiße Skritt-Dame war ganz aus dem Häuschen, als die Nadel vor zwei Tagen an den Docks angelegt hatte, es hagelte Umarmungen und kalte feuchte Küsse des Rattenwesens, die Tara mit der Geduld eines Brauereigaules über sich ergehen ließ, ohne auch nur einmal die Miene zu verziehen, obgleich der ein oder andere der Crew die Szenerie mit einem breiten Grinsen beobachtet hatte.
Serekka war nicht davon abzubringen, ihre Heilemacherin in den Sumpf zu begleiten und ließ es sich auch nicht nehmen, Proviant und die Küchenutensilien zusammen zu packen, die Mogra als Dankeschön für einen Gefallen in der Zitadelle erstanden und ihr geschickt hatte. Keine Minute hatte die Elonblütige daran gezweifelt, dass die Töpfe, das Besteck und Geschirr nicht irgendwann einmal nützlich werden könnten.
Geschlagen hatte sich Taraya ergeben und zugestimmt, es würde nicht schaden Begleitung zu haben.
Da für Proviant und das Packen ihrer Sachen gesorgt war, konnte sich die Ärztin um eine Mitfahrgelegenheit kümmern, um keinen Gewaltmarsch in die Funkenschwärmersümpfe unternehmen zu müssen. Am Mittag hatte sie ein kleines Handelsschiff gefunden, welches einen Außenposten der Wachsamen im Norden des Sumpfes anfuhr und sie für die Arbeit als Ärztin an Bord mitnehmen würde. Noch vor Sonnenaufgang am nächsten Tag, würde die Schwalbe auslaufen.
Genug Zeit, um sich endlich Ginger und die Welpen genauer anzusehen. Die massige Owtscharka Hündin hatte die Zeit bei Rayan verbracht – Tarayas leiblichem Bruder. Auch hier hatte es erst Umarmungen gehagelt und danach Vorwürfe, wie sie ihn mit einer Hündin allein lassen konnte, die jeden Moment ihre Niederkunft erleben würde, ohne ihn ausreichend zu unterweisen. Das Tara aber genau das getan hatte, war in der Aufregung völlig von ihm vergessen worden. Komplikationen hatte es keine gegeben, Ginger hatte keinerlei Starthilfe bei ihrem ersten Wurf gebraucht und so lagen nun vier Winzlinge mit geschlossenen Augen an den geschwollenen Zitzen der Hündin und fraßen ihr die buchstäblichen Haare vom Kopf. Ginger jedoch wirkte glücklich und reihum, schlabberte die lange feuchte Hundezunge über die kleinen Leiber der drei Rüden und dem Weibchen. Prächtige Arbeit von 'Hund', auch wenn der Vorgang des Aktes in Hektik vor dem Schrein der Sechs vollzogen wurde, bevor der Kriegshetzer mit dampfenden Ohren und geblähten Nüstern die kopulierenden Hunde eigenhändig von diesem Frevel abhalten konnte. Mit einem breiten Grinsen dachte Tara an die Wutkonserve und dessen selbsternannten Schoßhündchen zurück, die außer giftiges Kläffen nichts zustande gebracht hatte.
Ein wacher Blick begleitete die Ebonhaut bei der Untersuchung der vier Welpen, Ginger ließ sie gewähren, auch wenn die Winzlinge quietschend protestierten, als Tara sie vom wärmenden Leib der Mutter nahm. Das Weibchen stand ihren Brüdern in nichts nach, kräftig war es und schon jetzt hatte sie ihren eigenen Kopf. Schon in wenigen Wochen waren die vier bereit, sich dem prüfenden Blicken Sabras zu unterziehen, der Tara den kräftigsten Rüden im Wurf versprochen hatte. Roscoe bekam ebenso einen, während Tara den dritten behalten würde und Rayan mit dem Weibchen liebäugelte.
Nach einem längeren Gespräch mit ihrem Bruder, in dem sie ihm von ihrer Reise berichtete, ihn im weiteren Vorgehen mit den Welpen unterrichtete, machte sich Tara auf den Weg zurück zur Nadel, um noch letzte Dinge zu regeln und den Abend mit Roscoe zu verbringen, bevor beide wieder ihren einnehmenden Pflichten nachgehen mussten.
Hektisch verlief der Morgen der Abfahrt, an dem sie sogar vergaß noch einmal bei ihrem Bruder vorbei zu schauen. Immerhin schaffte es die Nekromantin noch, sich mit einem Kuss von Roscoe zu verabschieden, eh sie den Weg zur Anlegestelle der Fleute im Sprint zurück legte, die sie in ein paar Tagen im Funkenschwärmersumpf absetzen sollte. Serekka sei Dank, waren ihre Habseligkeiten bereits verladen und so erreichte Taraya das Handelsschiff noch bevor die Gangway von zwei Besatzungsmitgliedern eingeholt wurde.
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