Stille – Trügerisch und nicht von Dauer, doch jetzt allumfassend. Verlassen lag das Deck der Fleute hinter ihr, die See dunkel vor ihr, nur das fahle Mondlicht spiegelte sich auf der ruhigen Wasseroberfläche.
Die Tage auf See tröpfelten zäh ins Getriebe der Zeit, trieben es an und die Schwalbe den Sümpfen entgegen. Mit einem Seufzen lösten sich die schmalen Phalangen von der Reling am Bug, gefolgt vom Leib der Ärztin. Sie vermisste Roscoe und das wurde ihr mit jeder Sekunde ohne ihn schmerzlicher bewusst, ein nagendes Gefühl von Leere. Unvollständigkeit beschrieb es wohl ganz gut.
Tagsüber hatte Taraya nicht einmal die Zeit, um ihren Gedanken genug freien Raum zu lassen, denn die Crew der Schwalbe hatte eine unglaubliche Tendenz zu Verletzungen oder Krankheiten. Das Angebot, regulär als Schiffsärztin auf dem Handelsschiff anzuheuern, lehnte die Nekromantin ab, was dem Kapitän – Ann Harrington – äußerst schlechte Laune bescherte und einem armen Matrosen eine Platzwunde am Kopf. Die darauffolgende Standpauke an den Kapitän ließ den ersten Maat den Atem anhalten – zurecht, denn Ann war nicht für ihr ruhiges Gemüt bekannt. Tara musste ihr den Wind aus den Segeln genommen haben – zumindest für den Moment, denn bis auf die Zornesröte, die in das blasse Gesicht des Kapitäns stieg und dem Ausdruck eines fassungslosen Dolyaks schwieg die Frau.
Der Respekt der Mannschaft war ihr so sicher, aber auch eine äußerst unangenehme weitere Überfahrt, wann immer Ann es schaffte eine Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, der Ärztin das Leben schwer zu machen.
Aber bald war es geschafft, nur noch einige Stunden, wenn das Wetter mitspielte. Bisher standen die Zeichen gut. Zeit, um noch ein paar Stunden Ruhe zu suchen.
Ein weiteres Seufzen erklomm die Kehle der Elonblütigen, perlte leise über ihre geschwungenen Lippenbögen, eh eine Hand durch ihr Haar fuhr. „Schlaf gut, Seebär.“ Gemurmelte Worte hinauf zum Nachtgestirn, eh flinke Schritte sie unter Deck trugen.
Dort aber lauerte die nächste Gemeinheit des Kapitäns und mit einem gellenden Schrei und zwei gebrochenen Zehen, ließ die Ärztin die gesamte Mannschaft senkrecht in ihren Hängematten sitzen. Eine Rattenfalle! Ruhe war für diese Nacht nun tatsächlich nicht mehr denkbar. Nur die beruhigenden Worte und Mobilisierung aller Kräfte, die der erste Maat aufbringen konnte, vermochten es, die Ärztin zur Ruhe zu rufen, die ganz den Anschein machte, den schlanken Hals des Kapitäns mit einem klaffenden Grinsen zu verzieren. Tara jedoch rührte sich nicht, nicht einmal die kleinste Muskelzuckung war zu sehen, nur das eisige Toxin, welches Ann anstarrte und keiner weiteren Worte bedurfte. Nur mit Mühe gelang es dem ersten Maat den Leib der Schiffsärztin herum zu drehen, damit sie die gebrochenen Zehen versorgen konnten.
Jetzt saß sie mit einer zur Hälfte geleerten Flasche Rum und verbundenen Fuß allein in ihrer Kajüte, vor der Tür der schwarzhaarige erste Maat, der dem Frieden nicht ganz zu trauen schien. Doch bis zum nächsten Morgen blieb der Frieden gewahrt, selbst als sie im Norden der Sümpfe an einem kleinen provisorischen Steg eines Wachsamen-Lagers anlegten, machte Tara keine Anstalten den Kapitän anzugreifen, jedoch würdigte sie Ann auch keines weiteren Blickes mehr, die Mannschaft jedoch wurde herzlich verabschiedet, eh die Wölfin sich humpelnd auf den Weg durch den Sumpf machte.