Auf in die grünen Hügel (2)

Der Boden bebte, als eine der Ranken sich urplötzlich aus dem Erdreich drückte und mit einem ersten wütenden Rundumschlag ein paar unglücklich stehende Seraphen wie Spielzeugfiguren zur Seite wischte. Befehle wurden lautstark gebrüllt und eine möglichst effektive Formation eingenommen, um der Bedrohung schnell Herr zu werden, die bereits vor einigen Tagen verheerende Schäden in Fort Salma angerichtet hatte. Die meisten wussten mittlerweile, wie gegen die Fühler des Drachen vorzugehen und worauf zu achten war. Mavey spurtete mit dazu, überhörte allerdings den warnenden Ruf, der just in dem Moment erfolgte, als sie zum Schlag ausholen wollte, um die Ranke zu attackieren. Dann wurde es dunkel und nur wenig später blutrot.


Mit einem erschrockenen, schnappenden Atemzug ruckte die Priesterin in die Senkrechte und sah sich hastig um. Es dauerte etwas, bis sie in der Realität an kam und feststellte, dass sie auf einem Feldbett saß und nicht auf dem zerbröckeltem Holzboden des Hauses in Fort Salma, welches sie nach dem Unfall aufgesucht hatte. Ihr Magen rebellierte und kalter Schweiß hielt das ihr eigentlich viel zu weite Hemd klebend am Leib. Raus. Bemüht ruhig und leise erhob sie sich von der behelfsmäßigen Schlafstätte und macht sich auf den Weg nach draußen. Weg von den Kameraden, weg von Freunden. Sie brauchte Luft...


Nur wenige Stunden später und vor dem ersten Hahnenschrei konnte man innerhalb der Stadt das Schlagen von Pferdehufen auf dem Pflaster vernehmen, welches sich in doch sehr scharfen Galopp in Richtung dem Fort entfernte. Wer davon noch nicht aufgewacht war, wurde nur dreißig Minuten später von dem regulären Weckruf unsanft aus den Federn geschmissen. In einer Stunde würde man abreisen. Nicht viel Zeit, um die eigene Schlafstätte aufzuräumen, das Hab und Gut zu verstauen und natürlich auch noch etwas nahrhaftes in den Magen zu bekommen.


Glücklicherweise konnte man hier, noch so nahe der Heimat, auf die Mithilfe der Anwohner und Kollegen hoffen, sodass trotz der frühen Morgenstunden sich auch ein paar zivile Freiwillige fanden, die mit anpackten. Der Bäckermeister Lemmelmann hatte sich eigens für die schnell zusammen gestellte Götterfelssche' Hilfstruppe eine ganze Stunde früher noch als sonst in die Backstube gestellt und mit Hilfe seiner Frau Trude und seines Sohnes Oswald frische Brötchen, kräftiges Schwarzbrot und süße Teilchen gebacken. Bauer Schichtl stellte Eier und Marmelade zur Verfügung, nebst etwas Griebenschmalz und Salz für diejenigen die es herzhaft mochten. Apfelbauer Zipprig brachte mit seiner blonden Tochter Adele, ein blutjunges Ding, das erstaunlicherweise nur kurz zu sehen war, bevor es spurlos mit einem Soldaten verschwand, zwei Säcke voller Äpfel mit dem Versprechen, dass diese sich eine ganze Weile halten würden. Kurzum: Für das leibliche Wohl war absolut gesorgt, sodass keiner der Mitreisenden sich mit hungrigem Magen auf die zweite Etappe begeben musste. Dennoch lag der Mantel der Ernsthaftigkeit und der Unsicherheit über diesem ausgesprochen guten Morgenmahl und auch die langsam und fröhlich hervor brechenden ersten herbstlichen Sonnenstrahlen konnten nichts daran ändern, dass mancher Soldat sorgenvoll in die Zukunft blickte.


Mavey befand sich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Mitreisenden noch einigermaßen gemütlich Frühstücken konnten in einer hurtig angesetzten Lagebesprechung zwischen den führenden Kräften der Seraphen und der Priesterschaft. Die Route wurde noch einmal besprochen und die Formation, die man über den Pass einnehmen wollte. Auf viele Karren wie das letzte Mal hatte man dieses Mal ohnehin aufgrund des eiligen Aufbrechens verzichtet, sodass davon ausgegangen wurde den Zeitverlust gering halten zu können.


Auf die Minute genau eine Stunde später setzte sich die Truppe erneut in Bewegung. Jene, die durch den Gewaltmarsch des gestrigen Tages noch Muskelschmerzen hatten, wurden von ihren Kollegen mit sarkastisch aufmunternden Sprüchen bedacht, oder auch mit echtem Mitleid. Anders als am Vortag regnete oder nieselte es bisher nicht. Gegenteiliges war der Fall: Mit jeder weiteren verstreichenden Minute, welche die Sonne dazu nutzte am Firmament aufzutauchen um einen wahrlich prachtvollen Sonnenaufgang in den schönsten Farben zu zaubern, stieg die Gewissheit, dass das Wetter heute das kleinste Problem darstellen würde. Begleitet von dem motivierten Zwitschern morgendlich aktiver Vögel, dem Gackern von Hühnern und dem Grunzen von Schweinen begann der zweite Teil des Gewaltmarsches, dieses Mal mit ansteigender Schwierigkeit. Noch lange nach dem Verlassen von Tonteich, konnte man dort den Widerhall des ersten angestimmten Marschliedes des Tages vernehmen. Ein Klassiker, der dem ein oder anderen Teichler einen niederträchtigen Ohrwurm ins Hirn nagelte: „Zehntausend Mann, die zogen ins Manöver. Zehntausend Mann, die zogen ins Manöver. Warum, dideldum, warum dideldum..“

"The blade is the answer to disrespect."



Wort des Jahres 2017: "Gängeln, das"
Bedeutung: Ein Vorgang bei dem Rollenspiel erwartet wird, damit auch innerhalb des Spieles eine Reaktion erfolgen kann.