Feldzug I

Die Tür fiel ins Schloss und die Geräuschkulisse, die der massige Priester charakteristisch mit sich führte, entfernte sich langsam aber sicher von ihrem eigenen Zimmer. Noch immer lag sie auf dem Bett, genauer gesagt auf einer schon fast luxuriös bequemen Kissenlagerstatt, die ihren Rücken in dem derzeitigen Zustand gut unterstützte. Der Blick riss sich fort von der Tür, fand halt in dem mittlerweile nur noch lauwarmen Tee, den sie in einer Tasse noch immer in der Hand hielt und zum ersten Mal seit langem, war die Priesterin froh, den Sohn in weiser Voraussicht heute bei ihrer Mutter gelassen zu haben.


Um der Wahrheit Genüge zu tun hatte sie selbst nicht daran geglaubt lebendig zurück zu kommen von Thrymaer – nicht nach allem was sie von diesem Mann wusste. Auch war die Hoffnung, sich in seinem Beisein überhaupt beherrschen zu können nur sehr gering vorhanden. Sie erwartete insgeheim, dass all die so sorgsam aufgebaute Ruhe sich im Beisein von diesem Ungeziefer in Luft auflösen würde. Aber nichts von alldem Geschah. Irgendwie schaffte sie es nicht ausfällig zu werden, besonnen zu bleiben, ihm immerhin nur die Breitseite des Kurzschwertes im Zorn ins Gesicht zu schlagen. „Wenn ihr mich umbringen wollt, dann nehmt das Schwert“ In einem neuerlichen Anfall von Wut umfasste Mavey die Teetasse fester und drückte zu, bis die Knöchel weißlich hervor lugten. Vermessen und Arrogant war es auch noch in diesem Augenblick Ansprüche geltend machen zu wollen. Wenn sie ihn umbrachte, dann so, wie sie wollte. Zwei Sachen bewahrten sie effektiv davor ihn direkt an Ort und Stelle umzubringen: Der Umstand, dass die Tat auf offener Straße begangen worden wäre und sie nicht wegen ihm in den Kerker kommen wollte und das Fenster des Hauses, welches während des Gespräches der Beiden auffällig gekippt wurde – vermutlich um dem Dialog lauschen zu können.


Im Grunde genommen wurde nicht viel gesagt und er stellte sich ihren Fragen und Äußerungen erstaunlich offen. Gerechnet hätte sie mit mehr Fanatismus, vor allem, als sie ihn auf das nicht beachten einiger göttlicher Domänen ansprach, doch nichts dergleichen passierte. Er hörte sich alles an, antwortete ruhig, ja sogar mit Sachlichkeit, ähnlich wie sie. Unbequem war die Wahrheit und nicht zwangsweise vollständig für die Ohren ihres Mannes geeignet, das wusste Mavey spätestens ab dem Moment, als Thrymaer erklärte, dass man sich dieses Experiment mit dem bulligen Priester quasi hätte sparen können. Dass es nicht notwendig war. Sinnlos und stumpf verschwendete Zeit. Wie konnte er nur.


„Verflucht seist du“ , zischte sie in den Tee hinein, setzte die Tasse an und leerte sie in einem Zug. „Verflucht seist du und alle, die wahrhaftige Freundschaft mit dir halten. Möge Grenth dir deine Sünden niemals vergeben und das Reich Balthasars für immer für dich versperrt sein.“ Sie musste gar nicht über die Worte nachdenken. Sie waren da: Einfach so. Und genauso wie die Worte einfach so da waren, wusste die Klerikerin auf einmal, was zu tun war.


Beseelt von wüsten und plötzlich aufgetauchten Aktivismus wuchtete sie sich umständlich aus der bequemen Position nach oben, stellte die Tasse auf der Kommode ab und zog sich ein sehr weites Hemd über den Kopf, das derzeit allerdings gerade so den Bauchbereich abzudecken vermochte. Noch während sie sich auf den Weg zu dem außerordentlich aufgeräumten Schreibtisch machte, überdachte sie die Worte, die sie für diesen Brief benötigte, setzte sich umständlich dank des Schwangerschaftsbauches auf den Stuhl und nahm Pergament, sowie Feder zu Hand. Eine gute halbe Stunde sollte vergehen, bis sie endlich fertig war.


Am Ende betrachtete sie das Geschriebene, las es einmal, zweimal und schließlich noch ein drittes Mal durch, um den Inhalt auf dessen Korrektheit zu überprüfen. Zufrieden und mit absoluter Entschlossenheit faltete sie das Pergament und legte es in einen geeigneten Briefumschlag. Noch während das rote Siegelwachs von der Kerze zum Schmelzen gebracht wurde und in dicken, schweren Tropfen auf den Umschlag fiel, kamen Mavey ganz leise Zweifel. Zweifel an diesem Pfad, den sie einschlug. Zweifel ob der Vermessenheit die sie an den Tag legte. Zweifel, die zwickten, zwackten und wollten, dass sie den Brief wieder zerriss, nichts tat und die Situation so stehen ließ.


„Nein!“ , knurrte sie entschlossen und drückte das Siegel des Balthasars in die weiche Unterlage, das dort den Abdruck seines gehörnten Prunkhelmes hinterließ. „Dieses Mal nicht Mavey. Dieses Mal nicht.“

Kurze Zeit später wurde die Botschaft einem Schreinpagen übergeben mit der Anweisung diesen an den Grenthschrein auszuliefern. Sie begleitete den Boten sogar bis nach draussen zur Statue des Kriegsgottes und sah ihm mit auf dem Steiß verschränkten Armen noch eine Weile nach wie er den Weg zum Bestimmungsort der Nachricht einschlug. Sogar als der Bursche schon längst außer Sichtweite war, stierte sie noch in die Richtung. Erst Minuten später gelang es ihr sich abzuwenden. Mit einem leisen seufzen wandte sich die junge Frau um in Richtung des steinernen Monument des Kriegsgottes, des Meisters der Herausforderung. Eine unausgesprochene Frage lag in dem Blick, den sie an ihn richtete, auch wenn sie wusste, dass sie keine Antwort erhalten würde. Schlussendlich hob sich die Rechte mehr einem rituellen Automatismus von selbst an, um der göttlichen Statue zu salutieren. Zeit für die Nachtruhe.

"The blade is the answer to disrespect."



Wort des Jahres 2017: "Gängeln, das"
Bedeutung: Ein Vorgang bei dem Rollenspiel erwartet wird, damit auch innerhalb des Spieles eine Reaktion erfolgen kann.