Schmatzend, das Geräusch, als ich meinen Fuß aus dem Moorboden zog, nur um beim nächsten Schritt wieder bis knapp unters Knie darin zu versinken.
Der Gestank von fauligem Boden, toten Pflanzen und sicher auch dem ein oder anderen verroteten Tierkadaver stach mir in der Nase, ließ mich vermehrt blinzeln. Er machte das doch mit Absicht. Eretheyn musste einfach hier sein. Wir wussten schon lange, dass ein Hoflager hinter der Moorfläche lag. Sie warfen die Farnhund einfach ins Gewässer, wenn sie zu "schwach" waren um die Verwandlung zum Alptraumhund durchzustehen, damit das Moor sie verschluckte. Eretheyn konnte es nie leiden, wenn man die Farnhunde behandelt hatte, als wären gleich, als hätten sie einen besonderen Platz an der Seite meines Volkes. Früher dachte ich immer es wäre Angst. Ich neckte ihn das er sich Farnläuse holt, wenn er das Lager mit einem Farnhund teilt. Doch jetzt weiß ich das er sie hasste. Er hasste so viel.. sogar mich. Weiter trugen mich meine Schritte, immer tiefer ins Moor hinein. Der Blick nach links und rechts. Meine Geschwister mit gezogener Waffe und doch fühlte ich mich das erste Mal schutzlos. Ohne Eretheyn im Rücken war ein Kampf für mich neu. Ich wusste wie er sich bewegt, er wusste wie ich mich bewege. Tat er einen Schritt nach links, tat ich einen nach rechts. Wir hatten so viele Jahre zusammen trainiert, dass wir Eins wurden. Im Kampf wurde aus zwei Zwillingen - ein Sylvari. Unser Atem ging gleich und hätten wir einen Puls, hätten sicherlich auch unsere Herzen im selben Takt geschlagen. Doch jetzt fühlte ich das erste Mal die Angst in mir aufsteigen. Wir würden nicht zusammen kämpfen, sondern gegeneinander. Wir waren Feinde.
Ich hatte es für mich beschlossen. Schon vor Monaten. Es war der Moment als ich meine Lider öffnete und die Decke der Baumhütte anblickte. Bekannte Geräusche, vom Treiben in Zinderhang. Leises Lachen und dann das Schimpfen der Truppköchin. Es gab wohl mal wieder Extrawünsche oder Nörgelei über ihr Essen am Abend. Und doch waren auch die Nörgeleien gut gemeint. Niemand hatte hier etwas an ihrem Essen auszusetzten, niemand hatte in diesem Lager überhaupt etwas auszusetzten. Außer mir...
Es war mein Wunsch nach Zinderhang zu kommen und die selbe Ausbildung wie mein Zwilling zu erhalten, nachdem ich eine Veränderung bei ihm fühlte. Eigentlich wollte ich immer Gelehrter werden. Ich wollte zur Abtei, alte Schriften lesen lernen, mein Wissen vergrößern und es dann, wenn der Moment gekommen ist um zurück in den Traum zu kehren, mit all meinen Geschwistern teilen zu können. Es war für mich eine so unglaublich schöne Vorstellung zu wissen das es in ganz Tyria so viel gibt was ich mit eigenen Augen sehen möchte, was ich riechen möchte, fühlen unter den eigenen Faserspitzen. Doch unter all den wunderschönen Dingen die da auf mich warten würden, gab es eines was ich niemals sehen wollte - den Tod meines Zwillings. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen wie es ist jemanden zu verlieren der so sehr ich ist. Die Verbindung die Sylvari eingehen können untereinander ist so viel tiefer, so viel unerklärlicher für Menschen und ihr Verständnis davon das ich schon längt aufgehört habe ihnen es zu erklären. "Ah du liebst ihn." Die Standartantwort. Und ja, womöglich tue ich das, doch ich konnte mir das nicht aussuchen. Ich wurde mit ihm an meiner Seite geboren, ohne ihn kann ich nicht sein, ohne ihn bin nicht ich. Ohne Eretheyn - bin ich nicht komplett.
"Zavo? Kommst du?" Sanfter, glockenklarer Klang riss mich aus meinen Gedanken, die mich schon wieder so tief hinab zogen, dass ich fast vergass meine Emphatie zu regeln. Das Haupt leicht zur Seite gedreht, knisterte es leise in meinem Ohr, als sich das Blatt, welches mir als Kissen diente, anfing zu knittern. So blieben mir die folgenden Worte ihrer lieblichen Stimme untersagt und nur die Lippenbewegung erzählte von den Dingen die sie sagte. Ein unbewusstes Lächeln schob sich auf meine Lippen. Irgendwie war sie wunderschön. Der Körper klein, zierlich, sehr schlank umhüllt von dichtem Blattwerk welches im Wind sofort zu singen begann. Tagsüber war sie unscheinbar und ich glaube, dass dies etwas war was ihr überaus gut gefiel. Als ich Eretheyn hierher folgte war sie es die meine Ausbildung zum größten Teil mit übernahm. Sie kennt mich, sehr gut. Sie weiß um mich und meine Gefühle Bescheid und hat nie auch nur einen vorwurfsvollen Blick für mich übrig. Ganz egal wie eng ich an den Grenzen zu den Höflingslagern patroilliere, sie kommt immer mit. Sie lässt mich nie alleine. Ob aus Angst ich könnte doch schwach werden, oder doch einfach weil sie sich um mich sorgt - sie ist es die meinen Rücken deckt. Sie ist es die mich zurück holt, wenn ich dabei bin mich zu verlieren. Sie ist es die mich ablenkt wenn die Sehnsucht zu groß wird, ich mich verkapsel und an der Last drohe zu zerbrechen. Sie hat der Mutterbaum geschickt. "Hallo? Zavo zieh die Raupen aus den Ohren und hör auf mich so dümmlich anzuglotzen." Die Schärfe klang fremd in der zarten Stimme, die einem Meer aus Glockenblumen im Wind gleich kam. Ich schob meinen Körper vom Mooslager, streckte mich und ging auf sie zu um mich an ihr vorbei hinaus zu schieben. Neben ihr neige ich mich leicht hinab, die Mundwinkel zucken. "Du bist auch tagsüber sehr hübsch", und noch während ich mich aufrichte weiß ich genau - das ich dafür Extraschießübungen machen muss. Verschlafen und dann noch frech. Leise höre ich sie hinter mir murmeln. Die Stimme, die wie der Wind über Felder weht, wird mich den ganzen Tag begleiten. Und ich bin froh, denn es ist das was mir die Kraft gibt. Sie ist es, die mir hilft ihn zu verschließen, tief in mir. Vor der Hütte greife ich nach meinem Pflanzenbogen. Leise schmatzend beginnt dieser sich an meinem Blattwerk festzusaugen....
... während ich meinen Blick über Zinderhang streifen lasse.
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