"Dein Vater ist gefallen. Er kämpfte tapfer gegen die Invasoren, war ein Sinnbild des Königreichs in seinem Sattel. Ehre ihn, wie er es verdient."
Ein bärtiges Gesicht mit groben Zügen und rissigen Lippen schaut dem blonden Jüngling auf Augenhöhe entgegen. Der Alte trägt feine Kleider, gespickt von Broschen und Abzeichen. Unter seinem Arm klämmt ein Schreibbrett, oder wie es von der Jugend in den politischen Kreisen scherzhaft genannt wurde: Einen tragbaren Schreibtisch.
Viel zu oft sanken Männer, Frauen und Kinder auf die Knie um ihre Angehörigen zu betrauern, doch der blonde Jüngling fasste den Alten nur am Arm und nickt einmal verstehend.
"Ich danke euch für die Botschaft, Herr. Hoch lebe der König und das Königreich." Seine Stimme ist nicht brüchig, nicht von schluchzen durchdrängt. Seine Haltung im insgesamten aufrecht und stolz.
"Dieser Krieg ist noch lange nicht vorbei, aber bete zu Balthasar das die Opfer für den Sieg nicht vergebens waren." Beinahe von Ehrfurcht geschüttelt macht sich der Alte an den Abgang. Seine Stiefel klocken über das Mosaik der Halle.
"Sehr wohl, Herr Asgar." Entgegnet der Jüngling noch als der besagte alte Herr aus dem Blickfeld entschwand.
Wenig später auf dem Gang der Gemächer des Schlosses ertönen harte Stiefelsohlen auf geschliffenen Stein.
Es hat Jahre, ja sogar Generationen gebraucht um seine Familie in diese Position zu bringen. Wieviel Blut hatten sie bezahlt, wieviel gelogen, betrogen. Angehörige ins Unglück gestürzt für das Gesamtwohl. All diese Gedanken im Kopf des Reitstiefelträgers. Sein blondes, frisiertes Haar wagt nicht einen aufsessigen Hüpfer in den militantisch drilligen Bewegungen.
Er ist gar so sehr in Gedanken und mit dem Blick aus braunen Augen damit beschäftigt den unmittelbaren Weg vor sich zu inspizieren das er die aufkeimenden Geräusche kleiner Füße in hohen Absatzschuhen völlig verdrängt.
"Gerard! Du bist wieder da!" Ertönt die kindliche Mädchenstimme. Hell und unschuldig, freudig.
Die Gesichtszüge des Jünglings entspannen sich und ufern gar in ein breites grinsen aus als er die Arme aufstreckt und das junge Fräulein in eigens geschneiderten Spitzenkleid herzlich in Empfang nimmt.
"Alice!" Murmelt er glücklich in das blonde Haar des Mädchens.
"Mein Vater hat gesagt das du kommst! Warum bist du nur so groß?" Die geballten Fäuste Alices trommeln gegen die Brust Gerards.
"Nunja. Ich bin gesegnet, Kleine." Schmunzelnd ergreift er die Hand der kleinen Alice und führt sie weiter seines Weges durch den Gang.
"Ist dir Balthasar erschienen?" Macht die Kleine nur mit großen Augen zu ihm hinauf und gibt sich alle Mühe mithalten zu können. "Oh, bevor ich es vergesse, Vater will dich sehen. Ich glaube es gibt Neuigkeiten vom Krieg."
Gerard legt die Stirn in Falten und lässt sich nun mehr oder minder von Alice einen anderen Gang entlang ziehen.
Hier war es irgendwie ruhig, und stickig. Der Teppich im imperialen Rotton dämpft jegliche Schritte.
"Lass mich vor!" Löst sich Alice von Gerards Hand um sich vor ihn zu schieben und den Türhebel zu bedienen.
Als sich das Massivholz der Tür zur Seite begibt wird sich Alice eines Anblickes gewahr auf den sie wohl nicht vorbereitet war. Sie schluchzt auf und wirft sich rücklinks gen Gerard der noch hinter ihr verweilt. "Was..." Keucht das Mädchen entsetzt.
Auch Gerards Augen weiten sich als er bereits im Moment des Erblickens versteht.
Alices Vater lag mit ausgestreckten Armen verquer über seinem Schreibtisch. Sein Jackett war rückwärtig völlig durchlöchert, man musste mehrmals auf ihn eingestochen haben. Offenbar kein Kampfszenario. Ein Anschlag.
"Wachen!" Rufen Gerard und Alice synchron und rennen jeder seinen eigenen Weg durch die Gänge. "Mord!" Rufen sie noch unabhängig voneinander in weiterer Entfernung.
Zwei Patriarchen kongruent zueinander elimiert? Das konnte nur in sofern Sinn machen das ihre Machtposition derart gefährdet wurde, das der Zeitpunkt pässlich sei.
Diese Schlacht ist verloren, aber nicht der Krieg.
So die Gedanken des rennenden, blonden Jünglings der sich schleunigst auf die Suche nach den Überbleibseln seiner Familie macht.
Wer weiß, wen die Täter noch auf dem Gewissen haben würden. "Wachen!"
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