Wieso Spoiler? Es besitzt eine Szene, die möglicherweise triggern könnte. Man nehme es mir daher nicht übel.
Spoiler anzeigen
Finster verdeckten Wolken die Mondsichel. Dunkelheit um diese Zeit war nichts neues, denn vom Kloster erschallte gerade das Mitternachtsläuten vom Wind getragen. Thalaniel stand vor dem Finsterlicht. Den Mut zusammennehmend öffnete sie mit leisem Knarzen die Tür und betrat den Kurort. Mit wenigen Schritten gelangte sie zum Tresen, auf welchen sie zwei Mal klopfte. Ein kurzes Geklirr war aus der Küche zu vernehmen, als auch schon Unuda mit einer Schüssel Reis und buntem Gemüse in der einen und Stäbchen in der anderen Hand aus diesem heraustrat. Schmunzelnd und kurz winkend kam die Dunkle zu ihr heran. Ihr Mut floh und das Einzige, was übrig blieb, war ein schales Schmunzeln, welches täuschend echt wirkte.
„Einen guten Appetit, wünsche ich.“ Sie versuchte zur Ablenkung etwas Gemüse zu stibitzen. Die Schüssel wurde daraufhin näher hingehalten und sie nahm sich ein Stück warmen Brokkoli. Diesen fing sie an anzuknabbern.
„Dankeschön. Schön dich wieder zu sehen, Liebes. Du warst eine ganze Weile verschollen.“ Wo anfangs noch leise gegluckst wurde, wandelte sich die Miene Unudas in eine zunehmend ernstere um. Sie hatte sich Sorgen um die Jüngere gemacht. Ehrliche Sorgen um ihre Schülerin. Ihr Liebherz.
Thalaniel schloss für kurze Zeit die Augen und verzog das Gesicht merklich zu einer Grimasse der Schuld. „Ich war in Götterfels und der Umgebung für einige Tage, allerdings musste ich für kurze Zeit in den Hain. Vor ein paar Tagen fand eine Versammlung statt.“ Eine Welle von Schuld überrollte sie, als sie sich erinnerte an leise geflüsterte „Tschüss“, bevor sie die Tür knarzend hinter sich zu zog. Kurz erschien ein Bild, das eine Gruppe Sylvari im Halbkreis zeigte, ehe dies wieder verschwand.
Leise lachend sprach sie: „Mach dir keinen Kopf“, ehe sie kurz blinzelte und den Kopf schief legte. Die Frage konnte man aus ihrem verwunderten Gesicht herauslesen. „Versammlung?“
Ein Nicken war die Antwort und die erklärende Erzählung der Geschehnisse folgte: „Es gab im Sylvari-Lager in den Kessex-Hügeln einen Angriff der Mordrem, der mit Müh und Not verhindert werden konnte. Wegen Diesem versammelte man alle Sylvari im Hain um einige Grundlagen der Kampfkunst mit Schwert, Axt und Bogen beigebracht zu bekommen, sofern man will. Auch anderes wie Kochen oder Erste Hilfe wird in den folgenden Tagen angeboten.“
Nachdenklich mhte sie und rieb sich übers Kinn. „Ich habe davon gehört, allerdings nicht wirklich daran teilgenommen. Ich habe anderweitig genug zu tun. Namentlich ein ganzes Haus voller Patienten“, sprach sie aus.
Ein knorriger, dunkler Auswuchs einer Augenbraue wurde angehoben, ernst fragte die Jüngere, ob denn noch alle Patienten leben.
„Soweit ich sagen kann, ja“, lachte sie für ihre Verhältnisse laut auf, eh sie versucht ernsthaft fortfuhr, „Wir sind immerhin ein Kurort. Wer ohne meine Erlaubnis stirbt ist ein toter Mann.“ Ein typischer Unuda-Witz, meist sehr schwarzhumorig. Das Grinsen der Jüngeren konnte nur mühselig unterdrückt werden.
So weiter lief der Abend bestehend aus Erkundungen der Ausbeute und nach Informationen, welcher schlussendlich im gemeinsam geteilten Bett landete. Beide erschöpft von ihren
gegenseitigen Liebkosungen, so lagen sie nun in einander geschlungen. Die Decke aus weiss getünchtem Stoff über sie gelegt. Vergessen war das Versprechen.
Als Thalaniel die Augen aufschlug, rankte sich der Körper ihrer Geliebten um sie und hielt sie fest. Langsam schälte sie sich aus den Armen und aus der Wärme. Ein leises Aufbrummen war die erfolgende Reaktion der schlafenden Unuda. Befreit und aufgerichtet auf der Bettkante sitzend betrachtete Jüngere der beiden die andere beim Schlafen. Mochte ihre Meisterin bei Tage noch so einen Ausdruck vollkommener Gelassenheit besitzen, so weichten diese in der Schlafenszeit auf oder verhärteten wie jetzt. Sanft streichelte eine nachgrüne Hand eine verirrte Strähne violetten Zweighaares aus dem Gesicht. Unbewusst schmiegte sich das Gesicht an die glatten Fasern der Handinnenfläche und ein feines Lächeln zierte die vollen Lippen der Dunklen.
„Schatten der Angst verfolgen Euch… Quälen Euch… Erwecken Euren Hass…“
Das Gefühl lodernden Hasses stieg in ihr auf. Abrupt wendete sie sich ab und verschloss ihre Welt. Weg. Weg von ihrer Geliebten. Mit einer ihrer Klingen flüchtete sie möglichst lautlos ans Fenster. Dieses wurde mit schnellen Griffen geöffnet, der kleine Körper kletterte hindurch und blieb auf den Holzschindeln des schrägabfallenden Daches stehen.
Noch immer wehte ein kräftiger Wind und fegte trockenes Laub über den Vorplatz. Wolken wurden über den Himmel getrieben. Hie und da funkelten einzelne Sterne am Nachthimmel, während die abnehmende Mondsichel noch genügend Licht abwarf. Das Bild hatte etwas Einsames an sich. Und diese spürbare Einsamkeit war Beruhigung für die vor Jahren geborstene Seele.
Eine merkliche Herbstkühle hatte sich ausgebreitet. Kurz schlotterte der Körper der frostigen Temperaturen wegen und sie zog das Fenster hinter sich zu. Ihre unbedeckten Füsse suchten auf den Schindeln kurz Halt, ehe sie sich hinsetzte und ihren ledernen Mantel fester zu zog. Ihr war zwar kalt, doch der Hass in ihr erwärmte die erkalteten Glieder von
innen heraus.
Kurz schlossen sich die dunkelrosanen Iriden. Für einen Augenblick erbot sich der Gedanke an die Folgen der nächsten Tat. Unuda würde sie für psychisch krank halten, falls sie jemals davon erführe. Doch konnte sie selbst damit nicht aufhören, es zu tun. Nicht wenn sie es seit damals tat. Verletzen, sich oder andere. Ihren Hunger stillen. Für einen flüchtigen Moment zumindest.
Wieder hörte sie das vertraut-verhasste Flüstern um sie herum. Das Wispern in ihrem Geist. Stimmen ihres Albtraumes.
„Albträume jagen Euch… Brechen Euch… Entfachen Eure Blutgier auf ein Neues…“
Die Augen öffneten sich. Die linke Hand umfasste den Griff der kristallinen Klinge, deren Farbe gleich einem dunklen Eismeer auf welchem sich ein silbriger Schimmer lag. Der rechte Ärmel des Mantels wurde zurückgeschlagen, entblösste eine Vielzahl an dünnen Narben einem verwinkelten Geflecht Wurzeln ähnelnd. Ein letztes Mal fuhren sanft
Fingerkuppen über die Erhebungen, ehe Thalaniel die Schneide ansetzte und die glatten Fasern in Millimetertiefe durchtrennte. Sofort quoll goldener Harzsaft aus der Wunde. Es rann über den Arm und tröpfelte auf das verwitterte Holz der Schindeln. Der Schnitt brannte im stetigen Wind und ein schmerzerfülltes Zischen liess sich vernehmen. Und doch löschte das Brennen der Schnittwunde das Feuer in ihrem Innern ein klein wenig.
Wieder und wieder fügte sie ihrem Geflecht neue Narben hinzu. Bis der Brand eingedämmt, der Hunger gestillt und die Wärme der Kälte weichte. Die Klinge abgewischt an den blutbesudelten Holzschindeln versenkte sich in ihrer Scheide. Sie stand auf, blickte auf ihren zugerichteten Arm, der Schnitte sich schon verharzt hatten. Es würde nicht lange dauern, bis zum Mittag vielleicht, dann sollten auch diese vernarbt sein. Mitwisser ihres Hasses und ihrer Blutgier.
Das himmlische Nachtblau verblasste am Horizont, als die kleine, gemarterte Gestalt vom Dach ins Haus zurückkletterte. Ein leises Schnarchen war mittlerweile zu vernehmen und
vom Bett her schimmerte der Körper Unudas cyanfarben.Gut, sie war bis jetzt noch nicht aufgewacht. Thalaniel beeilte sich in die Küche zu kommen. Dort wusch sie sich ihr Blut ab und schlich mit ebenso leisen Schritten nach oben. Zurück ins Schlafgemach huschend, schlüpfte sie schlussendlich zu ihrer Geliebten unter die Decke. Ihr ausgekühlter Körper verzerrte sich nach der Wärme und wurde sogleich mit dieser belohnt. Unuda wickelte automatisch ihren Körper um den kleinen Leib des Neuankömmlings und spendete ihre Wärme.
Unbemerkt von Thalaniel, die längst in einen traumlosen Schlaf entglitt, lächelte die Dunkle, sie hatte ihr Liebherz zurück.