„Wer bist du denn?“ Sophie klingt fassungslos als die Frau, wenig adrett mit zu viel freier Haut, in die Küche marschiert und so tut als wohne sie hier. Es dauert etwas, bis die Verknüpfungen gezogen sind, vor allem als sie sich so früh am Morgen daranmacht, Alkohol aus der Kammer unter der Treppe zu bergen. Bevor ihre Mutter sich erhebt, tut es Sophie, legt jener die Hand an die Schulter und schüttelt den Kopf. „Ich kümmere mich darum.“ Und damit meint sie wohl nicht alleine die Schabe in der Vorratskammer. Mit zwei Flaschen Whiskey kommt sie heraus, aber nicht großartig weiter, denn Sophie nimmt ihr die Flaschen ab, stellt sie achtlos auf die Kommode neben der Türe und packt das Flittchen dann am Oberarm.
„Du bist hier fertig, kriegst du noch Geld oder hat er dich schon bezahlt?“ zischt sie und zerrt sie mit zur Haustüre, wobei das Weib zu keifen anfängt. Aber der Durchzug hält was er verspricht, sie hört gar nicht richtig zu und schubst sie wenig später aus der Türe nach draußen, wo es bitterlich kalt ist. Der Schubs war nicht fest, dennoch torkelt sie weit genug. Als das Weib ansetzt wieder auf die Türe zu zugehen, engt Sophie ihre Augen, schüttelt den Kopf und löst den kleinen Geldbeutel. Ungefähr weiß sie was darin ist, sicherlich viel zu viel, dennoch wirft sie es ihr zu Füßen.
„Ich rate dir, verschwinde. Sonst lernst du mich kennen, Schätzchen.“ Die sonst weichen Gesichtszüge der jüngeren Schwester sind hart, sogar das dunkle Blau ihrer Augen gibt jene Härte wieder. Sophie hat ihre innere Lynn nach vorne geholt und es hilft. Ist die Türe zugeknallt, zählt sie innerlich und langsam bis 10. Aber das Mädchen scheint das Weite gesucht zu haben, denn niemand hämmert gegen die Türe. Zur Treppe wendet sie sich um und erklimmt jene, wobei sie jeden Schritt nutzt, um eine andere Person an Lynns Stelle zu bringen.
Statt wie gewohnt zu klopfen stößt sie die Türe auf, zögert nicht lange und lässt den auf den Weg aufgelesenen Eimer mit Wasser über dem Bett auskippen. Es hat den gewünschten Effekt, der Penner in Gestalt ihres Bruders, schreckt auf und kommt direkt zu stehen. Die Arme verschränkt sie und hebt für einen Moment schweigend die Augenbrauen.
„Du hattest genug Zeit. Wenn du also nicht willst, dass alle Welt von deinem verlotterten Lebensstil erfährt, rate ich dir wieder zu dir zu kommen. Außer du möchtest das Ileana oder Adrian hiervon erfahren? Das kann ich einrichten, Lucas. Sehr gut sogar.“ Von der Kommode schnappt sie sich ein Beutelchen aus blauem Samt. „Das hast du nicht verdient.“ Statt noch irgendwelche Worte zu verschwenden oder in die zornigen Augen ihres Bruders zu schauen, macht sie kehrt und verstaut in einem Versteck das Beutelchen mit seinem Namen drauf, bevor sie zur Mutter nach unten einkehrt.
„Denkst du er beruhigt sich wieder, Liebes?“
Sophie seufzt ein wenig bei der Frage ihrer Mutter, ihre Hand legt sie über die der alten Frau.
„Ich denke das jeder anders trauert. Wir haben ihm das allerdings jetzt ausreichend erlaubt in meinen Augen. Wenn er nicht zu sich kommt, werde ich andere Schritte einleiten. Aber wir bekommen ihn wieder, versprochen.“ Eindringlich.
Sie hasst es wenn sich ihre Mutter Sorgen machen muss.
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