Die Stufen sind schwer, ganz so wie sich sein Gemüt anfühlt, aber er nimmt sie bis zur mittleren Etage der rechten Spirale Lyssas. Am Brunnen angekommen bleibt er stehen, lockert den dunklen Schal um seinen Hals etwas und zieht die Handschuhe aus. Er stopft sie in die kleinen Taschen seiner Anzugjacke und verlegt sich darauf zu warten. Dabei betrachtet er den Brunnen und die Spirale an sich, wobei der Zauber des Winters noch auf sich warten lässt und der Charme des Herbstes bereits fehlt. An einigen Stellen wirkt es kahl, fast schon leer. Ihre Schritte würde er überall erkennen, aber hier sind es zusätzlich die Absätze, die ihr Kommen ankündigen. Langsam wendet er sich um, sein Gesichtsausdruck alleine wirkt bereits alarmierend.
Seine Mimik gibt Ernsthaftigkeit wieder, viel zu ernst und er lächelt zwar, was zwangsläufig an ihrem Auftreten liegt, aber es verfliegt genauso rasch wieder. Dennoch, trotz allem, streckt er seine Hand nach ihrer aus und deutet einen Handkuss an, lässt die Hand wieder sinken, aber nicht los.
„Ich kann dich anlügen, aber das will ich nicht. Jedwede Art sein Interesse einzustellen ist schmerzhaft. Die letzten Wochen befand ich mich am Abgrund und mein einziger Gedanke war, dass ich dich mit herunterreiße. Natürlich verdienst du Besseres, natürlich wünsche ich mir das ich wieder zu dem Mann werde, der der ich war als ich dachte ich würde dich nicht mit ins Dunkel ziehen. Du bist Licht, aber ich kann nicht mit dir in der Sonne stehen.“
Lucas weicht nicht aus, er redet direkt und ohne zu stocken. Wie ein Mann der weiß was er sagt und tut wirkt er und während er die schockierende Erkenntnis in ihren Augen und ihrem Antlitz aufkommen sieht, nickt er langsam. Paradoxerweise streichelt er über ihren Handrücken mit seinem Daumen.
Dass er die Ohrfeige verdient, weiß er. Dennoch tut sie weh. Sie erinnert ihn mahnend an seine Leichtfertigkeit, an das Leben das er sich gewünscht hat und welches partout nichts für ihn sein soll. Ihre Hand zieht sie zurück, was er zulässt und beobachtet dann ihren Rückzug. Stolz, was ihn lächeln lässt und mit erhobenem Haupt – als hätte er sie nie damit verletzen können. Vermutlich sollte er vor ihr mit ihrem Vater sprechen, andererseits kennt Adya ihn besser als Lucas sich selbst. So bleibt er Kopfschüttelnd am Brunnen stehen und betrachtet den zwiespältigen Fluss des Brunnens.
Es ist kalt in der Dunkelheit, aber er hat einen Weg gefunden sich zu wärmen.
Zu späterer Stunde schlendert er zum Friedhof und bleibt an der Grabplatte stehen, auf welcher der Name seines Vaters steht. Er war lange nicht hier, die Blumen am Boden verkünden das Sophie und seine Mutter immer noch täglich her pilgern und es rührt ihn an. Den Namen liest er und auch den Spruch, welcher ebenfalls eingemeißelt ist: ‚Wer im Gedächtnis seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, der ist nur fern; tot ist nur, wer vergessen wird.‘ I. Kant
Gegen den Stein gießt er etwas aus seinem Flachmann, teurer und wohlschmeckender Whiskey.
„Ich vergesse dich nicht, aber ich lebe jetzt weiter.“ Murmelt er.
Im Anschluss nimmt er eine Blüte aus dem Strauß und wendet sich zum Gehen um.
Kommentare 2