"Ich habe Angst." "Ich will nicht sterben, bin doch gerade erst erwacht." "Warum werde ich wach, wenn uns alle hassen?" "Warum können wir nicht zur Mutter?" Viele Stimmen hallten im Kopf des roten Hüters. In seiner Wohnkapsel war es ruhig. Das Glimmen der Pflanzen, welches den Raum erhellten war fort. Er wollte es dunkel. Er wollte das Nacht ist und selbst wenn im Hain die Sonne durch jeden noch so kleinen Spalt schien, wäre es hier nun stockdunkel. Zartes Licht, gesendet vom Hüter selbst traf auf die Kapselwände und tauchte den Raum in blauen Schimmer. Reflektionen an den Pilzen, die als Hocker dienten, an den Weidenmatten in den man schlief und das Gefühl hatte von damals - als man noch in der Kapsel lag und schlief. Sicherheit, Geborgenheit im Traum so nah an Mutter. Der nachtschwarze Blick stierte auf die Hände hinab. Pulsierend schob sich das Leuchten durch die feinen Adergebilde unter der dicken roten Rindenhaut in die Fingerspitzen hinein. Ein Gefühl von Wärme durchströmte den Roten, als er versuchte seine Gedanken zu kanalisieren. Ruhe musste er finden. Ruhe um zu tun was getan werden musste. Es war kaum ein Jahr her, als er in den Hain zurück kam, als er wusste das er Zinderhang verlassen musste um seiner Wylden Jagdt zu folgen. Erinnerungen der eigenen Erlebnisse mischten sich mit den Stimmen der Sprösslinge die Schutz suchten in den Häusern der Zyklen. Viele waren in den letzten Wochen erwacht. So viele. Wie konnte Mutter nur verlangen, das er stark genug war dies alles zu meistern? Wie konnte sie nur verlangen das er bereit dafür war? Und doch, als Zavo ihr all diese Fragen stellte war ihr Lächeln sanft. Sie war so wunderschön, so rein, so, so, so unbeschreiblich. Er wusste in dem Moment das sie es gar nicht verlangen brauchte. Er würde immer alles tun um den Hain zu schützen. Um seine Geschwister zu schützen, um seine Mutter - wenn es sein muss mit seinem Leben zu schützen.
Den Rücken durchgedrückt wurde das Glimmen ein klein wenig stärker. Hell leuchteten die Spitzen des Blatthaars auf, in feinen Bahnen die sich den Nacken hinauf zogen und schließlich unter dem festen Blattwerk verschwanden. Er hatte sein Blattwerk geändert. Über Wochen hinweg wurde es härter, fester. Die langen Blätter, die er noch als Späher trug hatten sich verkürzt, wurden holziger. Viel hatte sich geändert in seinem Leben. Zu viel in so kurzer Zeit. Und doch war es richtig. Es musste so sein. Er musste der sein der schützend vor allem Stand was er liebte. Die Mundwinkel zuckten leicht hinauf als die Gedanken zu einer kleinen Nachtblüte wanderten. Trist in den Farben, unscheinbar. Ein wenig knorrig und harsch in ihren Worten - jedenfalls in den Worten zu ihm. Manchmal. Und einen ziemlich guten Schlag hatte sie auch. Unbewusst wanderten die vier Finger der rechten Hand ans borkige Kinn, stichen über die Unebenheiten die sie so perfekt getroffen hatte. Und ja, er hatte es verdient, ziemlich sogar. Das Glimmen fachte an, als ein dunkles Lachen durch die Kapsel hallte, hervor gepresst aus seiner Brust und dann fand er sie - die Ruhe nach der er sich sehnte und die er brauchte um all das zu tun. Er trug schon immer diese Beherschtheit in sich, wenn es drauf ankam. Man konnte ihn sonst für recht mürrisch,unterschwellig aggressiv halten, was aber sicherlich nur an seiner Größe lag. Und das er hin und wieder schnaufte und auch mal die Kiefer aufeinander presste. Wieder zuckten die Mundwinkel hinauf. Es war interessant zu sehen, wie man auf ihn reagierte wenn man ihn das erste Mal traf...
Zavo drückte auf das eigene Blattwerk, welches seine Brust bedeckte. Der knorrige Wuchs gab kurz nach und verfestigte sich dann doch, je stärker das Blattwerk berührt wurde. Sehr gut, es hatte noch einmal an Festigkeit zugenommen. Kaum das der Druck verschwand wurde es jedoch wieder weicher und ließ ihm jeglichen Bewegungsspielraum, den er für sich brauchte. Schritte hallten dumpf über den Boden, als die Kapsel sich wieder öffnete und das Licht des Tages hineinließ. Er hatte seine Meditation beendet und auch musste er seine Kameraden einsammeln, für eine Reise nach Zinderhang. Die Bitte auf Hilfe ließ keine Zeit mehr zu, die Höflingslager dort machten immer mehr Ärger, verfielen wohlt dort einige dem Drachen und wie man es nicht anders kennt vom Hof - wurden eben die ausgemerzt die schwach und unbrauchbar waren.
Zurück in der Kapsel blieb ein kleines Bündel, aus dem Marmelädchen, welches auf Arvils Lager lag, ein kleiner Zettel dazu.
Die nächsten Tage werden ereignisreich. Patroillen, Gespräche mit Hütern, Besuche bei den Sprösslingen und die Reise nach Zinderhang, Grenzkontrollen, Konfliktregelung mit dem Hof, Vorbereitung der Ventaris Runde. Es war viel, doch er würde all das meistern. Er war nicht allein, auch wenn ihm etwas fehlte, etwas das immer bei ihm gewesen war. Doch nun hatte er etwas Neues. Etwas das irgendwie... sogar besser war.
Zielstrebige Schritte aus der Kapsel hinaus- ein schiefes Grinsen auf den scharf geschnitzten Gesichtszügen, als der Sitz der Klingen nochmal überprüft wird.