Gewaltdarstellungen, daher im Spoiler:
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Fräulein Marquess wollte sie nicht einlassen ~ Adrian Iorga habe wichtige geschäftliche Termine und wolle unter keinen Umständen gestört werden ~, so erteilte sie ihr nur mit dem nötigsten an Respekt, Auskunft. Gwennis wusste, welchen Besuch er hatte und sie ließ sich nicht beirren, pochte in forderndem Ton, der keinen Funken zu viel Höflichkeit enthielt, darauf ihn zu sprechen. Fräulein Marquess war eine massive Wand, genauso flexibel, genauso einfühlsam und genauso respektvoll. Sie war nicht mal bereit ihm mitzuteilen, dass sie da war und unbedingt mit ihm sprechen musste. Sie ließ die Adelige sogar von den Wachen hinaus befördern, wo sie dann allerdings einen mittleren Aufruhr veranstaltete, bis Adrian davon Wind bekam und Alexej Iorga sie schlussendlich doch zu ihm brachte. Fräulein Marquess mochte das nicht gefallen
und Gwennis hätte unter anderen Umständen sicher mit Genugtuung den Sieg über Fräulein Marquess gefeiert. Aber jetzt stand ihr nicht der Sinn danach. Etwas anderes beschäftigte sie weit mehr, das auch der Grund für ihr kommen war.
Jetzt stand sie mit Alexej und Adrian im Treppenhaus vor Adrians Arbeitszimmer.
„Gwennis, was ist hier los?“
Er flüsterte, damit der Geschäftstermin hinter der Türe nichts von den Tumult mitbekam.
Alexej war sichtlich angepisst, über die Scherereien, die sie ihm gemacht hatte. Er warf Adrian ein fast liebevolles Lächeln zu, das etwas Düsteres, todbringendes versprühte. Dann tat er einen Schritt zurück um den Blickkontakt zwischen Adrian und Gwennis nicht zu stören.
„Ich weiß, dass er hier ist Ian. Ich muss unbedingt mit ihm sprechen, allein!“
Ihre Antwort war ebenso ein Flüstern, aber trotzdem deutlich resolut.
„Warum…gerade... jetzt?“
Sie presste angespannt ihre Lippen aufeinander und erwiderte dann hörbar ungeduldig:
„Eine Familienangelegenheit, Ian. Bitte lass mir nur fünf Minuten mit ihm.“
Sie setzte bereits vorausgreifend einen Fuß auf den obersten Treppenabsatz, auf dem auch Adrian und Alexej standen.
Adrian schloss die Augen, für eine Sekunde, vielleicht auch für länger. Sein Kiefer biss fest aufeinander.
„In Ordnung.“
Adrian stand noch eine Sekunde lang da, dann teilte er Alesha über einen Blick mit, dass sie ihr das Feld überlassen sollten.
„Stifte keine Unruhe!“
Murmelte er ihr zu und trat gab den obersten Treppenabsatz vor der Türe frei.
Gebannt blickte sie zur Türe, wartete bis die beiden Männer das Treppenhaus verlassen hatten. Jetzt mischte sich Nervosität unter den Zorn, der sie angetrieben hatte herzukommen. Ihr Mund war mit einem Mal wie ausgetrocknet, so dass sie sich mehrmals auf die Zungenspitze beißen musste, sie auspresste wie eine Zitrone, um überhaupt sprechen zu können. Ihre Hand drückte langsam die Klinke herunter, öffnete die Türe und betrat angespannt das Büro. Sie schloss die Türe geräuschvoller, als sie es eigentlich wollte. Vielleicht war ein Luftzug im Treppenhaus oder ihre innere, unkontrollierte Unruhe Schuld daran. Ihre klackernden Schritte und das rascheln ihrer Röcke verrieten sie, es war nicht der Hausherr, der zurück an seinen Schreibtisch kehrte.
Er wusste längst, dass sie es war, die hinter ihm an der Türe stand. Er hatte ihre unverwechselbar kindliche Stimme draußen aufgebracht Einlass fordern hören. Er saß selbstgefällig, tief zurückgelehnt in einem der roten Ledersessel vor Adrians Schreibtisch, die Vertragspapiere vor sich auf der Tischkante. Seine rechte Hand umfasste einen Whiskeyschwenker mit dem Glasboden auf der Armlehne des Sessels. Er richtete sich nicht auf, sah sich nicht mal um, als sie hereintrat. Er führte nur das Glas zu den Lippen und nippte gelassen daran.
„Warum bist du hier Gwennis?“
Sein tiefer Bariton war monoton, fast schon gleichgültig ihrem unerwarteten Besuch gegenüber.
Jetzt, da sie gemeinsam mit ihm in diesem Raum stand, erschien seine Präsenz übermächtig. Sie musste unweigerlich nach Luft schnappen.
„Ist es wahr….?“
Ihre Wut, ihr tiefsitzender Zorn war eher einem mutlosen Flüstern gewichen.
„Ist was wahr?“
Als bereite ihm dieser Moment größte Genugtuung und Vergnügen, konnte man seiner sonst so nüchternen Stimmlage das hämische Grinsen um die Mundwinkel regelrecht anhören.
„Ist es war, dass…“
Ein zitternder Atemzug unterbrach ein weiteres Mal ihren Satz.
Ludwig beendete den Satz für sie.
„Dass du ein Bastard bist, dass du nicht von meinem Blut bist….“
Und fügte auch gleich seine Charmante Antwort hinzu.
„Ja, das ist die Wahrheit! Ich wollte nie eine zweite Tochter. Ich habe bereits eine, Larissa, die du jahrelang gequält hast, weil du ihr die Schuld an meinem Verhalten gegeben hast. Ich wollte Albert, weil er mein Erbe antreten sollte, aber dich wollte ich nie! ..... Albert ist tot und alles, was mit ihm zusammensteht auch! Ich werde die Vaterschaft annullieren lassen!“
Mit trägen Schritten trat sie näher an den Schreibtisch, stellte sich an die Tischkante und sah schmerzlich der Wahrheit ins Gesicht, blickte auf seine abgewandte Seite. Ihre Knie fühlten sich unvermittelt nicht mehr stark genug an, als dass sie sie tragen könnten. Sie griff nach der Tischkante und stützte sich ab. Ein paar
kraftschöpfende Augenblicke später klingt ihre Stimme nicht mehr farblos sondern tief und verbittert.
„Wie kannst du dir so sicher sein, dass ich nicht von deinem Blut bin Vater? Mutter hat dich immer geliebt und vergöttert!“ Und noch einmal in leiser Resignation. „Ich habe dich geliebt Vater.“
Er stellt sein Glas neben die Mappe mit den Vertragsunterlagen auf dem Schreibtisch und schnaubt belustigt.
„Weil ich die Hure nach unserer Trauung nicht mehr angerührt habe. Sie hat es sich von einem der Stallburschen in den Pferdeställen besorgen lassen. Der ein oder andere Gaul wird sicher auch seinen Beitrag an die geleistet haben.“
Er wurde ungehaltener und herrischer. Er hatte sie die ganze Zeit nicht einmal angeblickt, nur vor sich auf die Verträge gesehen.
"Hör endlich auf mich Vater zu nennen. Du beleidigst mich. Jetzt weißt du alles, geh mir aus den Augen!“
Plötzlich und unerwartet ertönte ein dumpfer Aufschlag, gefolgt von einem leisen Ächzen, dann weitere dumpfe Schläge, drei, vier und mit ihnen qualvoll geschriene Worte, erlösende, befreiende. Jede Silbe ein Schlag. „AAAAHRRRRGGGH, ich….has….se….dich...!“
Dann war ebenso plötzlich wieder Stille.
Atemlos und mit entgeistertem Ausdruck, als wäre sie gerade aus einem Traum erwacht, blickte sie auf ihre rechte Hand. Dort hielt sie den großen, geschliffenen Kristall, der Adrian eigentlich als Briefbeschwerer diente, fest umklammert. So fest, dass das weiße an ihren Knöcheln unter der Haut hervortrat. Sie hatte ihn unbewusst gegriffen.
An der spitz zulaufenden Oberseite, des klaren Gesteins klebte ein dunkelroter Brei, Blut… und mehr. Sie starrte auf die klaffende Wunde in der Schädeldecke ihres Vaters, Gehirnmasse war herausgequollen und klebte ihm im silbernen Haar. Seine Stahlgrauen Augen waren aufgerissen und blickten überrascht auf die Verträge, als hätte er zuletzt noch eine gemeine Klausel von Adrian dort entdeckt. Ludwigs Körper hing leblos, wie ein nasser Sack in Adrians Sessel vor seinem Schreibtisch. Sein Arm viel über die Armlehne und seine Finger berührten den kostbaren Teppichboden. Überall war Blut. Die umstehenden Sessel waren bespritzt, auf den Boden sickerte Blut, viel Blut. Ihr Gesicht, ihr Hals, Ihre Haare und ihre Kleider waren mit Blutsprenkeln und kleinen Gewebestückchen beschmutzt.
Sekunden vergingen, vielleicht sogar Minuten in denen sie einfach nur so da stand. In denen sie apathisch auf den leblosen Körper hinabstarrte. Weder Angst, noch Wut, noch Trauer, standen in ihren Augen, nur der überraschte, verständnislose Ausdruck. Sie verarbeitet noch, realisiert noch nicht, was sie getan hatte, dass sie ihn getötet hat, ihren vermeintlichen Vater.
Adrian stieg leise die Treppe empor. Sein Ziel, nach dem rechten zu horchen, brach dann jäh ab, als die Schreie durch den Spalt drangen. Es konnten keine Minuten vergehen, aber als Adrian durch die Türe brach, ist es bereits zu spät und er sah nur noch, was nicht mehr geändert werden konnte – ein verpatztes Geschäft. Und eine Puppe im blutigen Rock.
„Das war mit Abstand die ignoranteste Nichteinhaltung einer Bitte, die du dir jemals geleistet hast.“
„Mein Gott“ Murmelte er und trat dann mit schnellen, gespannten Schritten auf sie zu, um ihr den Briefbeschwerer aus der Hand zu reißen und grob auf den Tisch zu knallen.
Auch Alexej fuhr unten in der Küche auf, als er von oben die Schreie hört. Er stieß ein tonloses Fluchen auf und war schon halb auf dem Weg zur Treppe, auch wenn Fräulein Marquess sicher noch vor ihm das Arbeitszimmer erreichte.
Adrian zerrte sie mit unwirscher Kraft fort, schubste sie vor sich her, weg von der Leiche in Richtung des Treppenhauses. In unheimlicher Geistesgegenwart gab er Anweisungen, während er sie fortbrachte.
„Legt etwas aus, das darf nicht durch den Teppich durchsickern“
Das ganze Haus erwachte förmlich zum Leben, wie ein gut organisierter Ameisenhaufen gingen die vielen Drohnen ans Werk. Da waren auf einmal nicht nur Adrian, Lynn und Alexej, da waren auch Betty, Ilie, Vito, Tulio, Lucas und vielleicht noch mehr. Sie arbeiteten Hand in Hand, als wenn es um etwas alltägliches ginge.
Als er sie fort zog, erwachte sie aus ihrer Starre. Ihre kindliche Stimme klang besorgt und mitfühlend. Sie stemmte sich gegen Adrians Zug, blickte immer wieder zurück zum Schreibtisch.
„Nein…. Nicht! Was macht ihr mit ihm. Er hat sich doch wehgetan. Wir müssen einen Heiler holen.“
„Wir holen gar nichts, Gwennis.“ Sprach ein ruhiger Mann, der wahrscheinlich Adrian war, aber dessen Stimme weit entfernt und fremd klang, unterdrückt von seinem Furor.
„Du hast ihn umgebracht, hier in meinem Büro. Er ist tot. Jetzt halt den Mund! Du kommst mit runter!“
„Er ist nicht tot, er kann nicht tot sein.“ Sie ließ sich nur schwerer bändigen, versuchte sich loszureißen um zurück zu Ludwigs Leichnam zu laufen.
„Halt den Mund!“ sprach er noch einmal, nicht lauter, aber herrischer. Der Versuch sich loszureißen wurde jäh beendet. Er schlug zu, zielte mit der flachen Hand scharf auf ihr Gesicht. Dann trug er sie mehr die Treppe hinab, als dass sie selbst hinabstieg.
Sie war wieder in sich gekehrt, Tränen flossen jetzt über ihre Wangen, still und leise. Die nächsten Stunden liefen an ihr vorüber, ohne dass sie großen Anteil daran nahm. Lethargisch ließ sie sich hierhin ziehen, dorthin setzen und dahin schubsen. Gesprochene Worte tanzten um sie herum ohne für sie einen Sinn zu ergeben. Darunter auch ihre eigenen.
„ALESHA!“
„Ich brauche Decken. Handtücher. Dinge die sich gut verbrennen lassen.“
„Seine Kleidung darf nicht weiter vollbluten, die brauchen wir vielleicht noch.“
„Warum rollen wir das nicht einfach in den Teppich?“
„Danke Liebes.“
„Brauchst du mehr?“
„Ich kann nicht fassen, dass du das gerade getan hast.“
„Bring ich dir!“
„Ich wollte das nicht… ich war so wütend…. Wie konnte das passieren?“
„Elizabeth, geh du zu den Wachen, keiner kommt rein oder raus!“
„Der Teppich ist hin. Vergiss den Teppich. Zu schade, ich mag elonische Handwerkskunst.“
„Ja Gwennis, WIE konnte das passieren?“
„Was ich brauche? …. Ich brauche Ludwig Weißenstein, wie er durch das Portal nach Ebonfalke geht!“
„Eine Teerpappe….“
„Ich muss ihn ausziehen….“
„Betty, …. Frag Adrian – wie klein - ich ihn machen soll.“
„Verstanden. Noch was?“
„Das lässt sich machen. Ich fürchte nur ich weiß nicht wo er wohnt und vor allem wer da noch wohnt.“
„Größere Messer….“
„Sie sollte vielleicht ein Weilchen bei uns bleiben.“
„Sie soll sich zusammenreißen.“
„Kam sie mit Wachen? Ich nehme an Neftyr steht draußen? Und ihr Vater?“
„Ihre Familie hat ein Haus an der Südmauer in Ebonfalke. Daran angeschlossen sind aber auch Truppenunterkünfte.“
„Zu hohes Risiko.“
„Ihre Mutter hat derzeit bei ihr gelebt… es gab einen Streit. Wenn wir ihm eine andere Frau andichten…..“
„Eine bezahlte vielleicht?“
„Vielleicht ein Gasthaus in der Nähe von Götterfels?“
„Willst du sie behalten, Adya“„Sie wird jetzt unser Gast sein und sie wird uns als gastfreundliche Familie kennenlernen, die wir sind!“
„Ist gut, der alte wird ein Zimmer in Shaemor nehmen mit seiner Geliebten, richtig?“
„Hol eine Nutte aus Löwenstein, hübsch sie auf und lass sie dann verschwinden.“
„Wir sind unserer Freundin loyal gegenüber.“
„Wo ist eigentlich Vito, wenn man ihn braucht?“
„Ich war einen Augenblick unsicher, ob sie auch meine Freundin ist.“
„….und irgendein Kleid von Helena bringen.“
„Ich brauch jemand der mit tragen hilft. Hol einen der Männerhoch!“
„Die Stücke sollen ungefähr Unterarm groß sein.“
„Wenn sie gleich gesagt hätte, dass sie hier ist um ihren Vater zu erschlagen, hätt ich sie reingelassen.“
„…. Ich nehme die Schultern.“
„… komm mit… ins Bad.“
„Auf drei…. Eins. Zwei. Drei.“
„Ich müsste das Gesicht des alten noch mal sehen, bevor ihr ihn verpackt.“
„Du ziehst deine Sachen aus. Ich hole Betty. Sie kümmert sich um dich.“
„Gwennis, schau mich an… hörst du mir zu?“
„Es ist jetzt passiert. Du kannst es nicht ändern. Du musst dich jetzt auf uns verlassen und tun, was wir dir sagen. Versprichst du mir das?“
„Hm, vielleicht hilft Vito bei der Auswahl seines Putzmittels.“
„Ich sollte mir abgewöhnen weiße Hemden zu tragen.“
„Was soll ich meiner Mutter sagen und was Larissa?“
„Du sagst ihnen nichts. Wir hier gehen alle ein wahnwitziges Risiko für dich ein. Schwör mir, dass du mit niemandem sprichst.“
„Wir bekommen das hin.“
„Du kümmerst dich um die Entsorgung?“
„Wir müssen ihn klein machen. Wirklich klein.“
„Die Organe müssen raus. Die Wirbelsäule einmal in der Hälfte…..“
„Sie zerlegen ihn gleich, denke ich. Wir haben soweit alles.“
„hervorragend. Betty, kümmere dich im Bad um das Mädchen.“
„Keiner verliert ein Wort über das hier. Das muss ich nicht sagen, oder?“
„So ging es auch… Lesha und ich haben Schweine… Wir können ihn an die verfüttern“
„Gwennis, ich werde dir jetzt das Haar waschen und dich sauber machen.“
„Bist du aufnahmefähig Gwennis?“
„Kannst du mir folgen, bist du wieder klar? Denn was wir jetzt besprechen ist essentiell.“
„Dein Vater hat dieses Haus lebendig verlassen…. Ist das klar?“
„Dein Vater hat dieses Haus nach dem Termin mit Adya lebendig verlassen. Wiederhole! Schau mir in die Augen und wiederhole!“
„Nimm die… eine davon heute Nacht, dann kannst du schlafen.“
"Mein Vater hat dieses Haus nach dem Termin mit Ian verlassen....."
Als sie am nächsten Morgen erwachte, war sie orientierungslos. Sie war in einem fremden Zimmer in einem fremden Bett, allein…
Dann kehrten, mit einem Hammerschlag gegen ihre Schläfen, all ihre Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück.
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