Chroniken der Familie Bentlin - Teil 2

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Es ging bergauf. Dara hatte sich nach langem Hin und Her dem Zirkus
angeschlossen und reiste fortan mit den Jahrmarktsleuten durch die
Städte.


Sie fing an für Ludmilla kleinere Arbeiten zu erledigen, half dann
später beim Bühnenaufbau und hinter der Bühne oder den Künstlern bei der
Vorbereitung ihrer Auftritte.


Und sie schaute sich auch so einiges ab.


Aaron Quinn, der Jahrmarktzauberer, war ein Tunichtgut sondergleichen,
aber er zeigte ihr zahlreiche kleine Taschenspielertricks mit denen man
die Leute begeistern konnte. Dara fühlte sich bei ihm gut aufgehoben,
zumal sie seine Grübchen unter seinem braunen Ziegenbart süß fand. Doch
Aaron schien mehr Augen für die Schlangenfrau Emma zu haben, die ihren
Körper verbiegen konnte als hätte sie Knochen aus Gummi.


Doch das ließ Dara nicht auf sich sitzen. Sie traf sich mit Emma, sagte
ihr wie begeistert sie von ihren Künsten war und dass sie das lernen
wollte.


"Schätzchen, ich hab mit 8 angefangen zu trainieren." entgegnete Emma
herablassend "du wirst nie meine Perfektion erreichen. Aber wenn du
unbedingt willst kannst du mit mir trainieren, dann zeige ich dir Spagat
und andere Übungen."


In der naiven Hoffnung Aaron mit körperlichen Kunststückchen
beeindrucken zu können willigte Dara ein und trainierte mit Emma. Es war
ein hartes Training und Dara hatte mehr als einen Abend Schmerzen in
allen Gelenken, aber was tat man nicht alles, wenn man verliebt war. Sie
lernte Spagat, Brücke und diverse andere, leichte Figuren aber es
stimmte, sie würde Emma's Perfektion nie erreichen.


Ein halbes Jahr später war es dann soweit. Dara fasste sich ein Herz und
machte sich auf zu Aaron's Zelt um ihm ihre Künste zu präsentieren. 3
Stunden hatte sie vor dem Spiegel gestanden und sich so hübsch wie nur
möglich gemacht um ihn zu verführen. Ihr Herz pochte wie wild. Unsicher
aber voller Hoffnung trat sie in sein Zelt, wollte sich gerade
ankündigen um sich zu präsentieren, als sie ein leises kichern von
drinnen hörte, das nicht von Aaron stammen konnte.


Ihr stockte der Atem, doch vorsichtig ging sie weiter hinein. Das erste,
was sie sah, war Aarons hübscher, sonnengebräunter, nackter Rücken, wie
er über etwas gebäugt war.


Das zweite was sie sah war Emma's blanker Busen, wie er sich weich an
Aaron schmiegte während er sacht ihre Schulter küsste. Emma nahm den
Kopf zur Seite und erblickte Dara. Doch anstatt überrascht aufzuschreien
oder sich zu bremsen lächelte sie Dara nur zu mit einem triumphierenden
Glitzern in den Augen, bevor sie demonstrativ an Aarons Ohrläppchen
knabberte.


Das reichte und Dara stapfte mit einer Mischung aus Trauer, Enttäuschung
und Wut aus dem Zelt. Weinend rannte sie ziellos durch das Lager bis
sie an einem der Kastenwagen zusammenbrach und sich die Seele aus dem
Leib heulte.




Dara wusste nicht, wie lange sie da so saß, die Beine angezogen und das
Gesicht an den Knien vergraben. Sie wusste nur dass sie irgendwann Nähe
spürte, die Wärme eines Armes der sich um sie legte und drückte, und ein
Geruch nach Flieder und Schminkfett. Irgendwann blickte sie auf, rieb
sich die verschwommenen Augen und blickte zur Seite. Die Frau die neben
ihr saß lächelte sacht. Sie hatte ihr rötliches Haar zu zwei Zöpfen
gebunden die frech nach oben standen, trug weiße Schminke im Gesicht mit
schwarzen Augen und schwarzen Lippen, die zu einem permanenten breiten
Lächeln weitergezogen waren. Ihre Kleidung bestand aus roten und
schwarzen Fetzen und Federn die in alle Richtungen abstanden und einem
weißen Stehkragen. An den Schuhen hatte sie Glöckchen die leicht
bimmelten, als sie die Beine übereinanderschlug und Dara nochmal
drückte.


Es war Heather McCasey, die Harlekin des Jahrmarkts. Sie war eigentlich
immer fröhlich und stellte dauernd Unfug an. Doch diesmal hatte sie sich
einfach neben Dara gesetzt, sie in den Arm genommen und getröstet, ohne
ein Wort zu sagen oder nachzufragen. Und jetzt funkelten ihr ihre
grünen Augen entgegen.




"Sag nichts, ich kenn den Blick. Männer sind Schweine." sagte Heather
lächelnd, Dara kurz die Schulter reibend. Dara sah sie kurz an und bekam
wieder Tränen in den Augen. "Awww, Honigmäulchen" sagte Heather und
drückte sie erneut. "Kein Mann der Welt verdient es dass so ein hübsches
Ding wie du so viele Tränen vergießt."


"Ich dachte er liebt mich... und jetzt macht er rum mit dieser Emma..."


"Pffff Emma is'ne Schlampe." entgegnete Heather abwinkend. "Glaub mir,
die bricht ihm das Herz. Dann weiß er wie du dich fühlst."


"Ich hasse sie. Sie wusste genau dass ich nur für ihn das alles lerne,
bringt mir alles bei und macht sich dann hintenrum an ihn ran..."


Heather hob die Brauen, der Mundwinkel folgte.


"Ja, hintenrum hat sie's gerne."


Dara starrte Heather ungläubig an. Dann grunzte sie leise ein Lachen unterdrückend.


"Na siehst du, jetzt grinst du schon wieder. Hey ich sag dir, dein Herz hat jetzt Wunden, aber das verheilt. Wie alle Wunden."


Dara sah zu Boden und ließ das Lächeln wieder fallen.


"Ich glaube nicht, dass ich je wieder..."


"...jemanden werde lieben können?" unterbrach Heather sie. "Weil Liebe
Scheiße ist und nur wehtut und die Männer einen doch eh vorn und hinten
betrügen, und du bist sowieso nicht hübsch genug jemanden zu finden der
nett ist und dir nicht wehtut? Wolltest du das sagen?"


Wieder starrte Dara Heather perplex an.


"Das ist totaler Blödsinn, und das weißt du. Du bist ein hübsches junges
Ding. Ein bisschen verschnoddert grade, ja, aber ich sehe keinen Grund
warum dich niemand lieben sollte. Schätzchen, ich hab mehr
Enttäuschungen mitgemacht als ich zählen kann. Mit Männern... mit
Frauen... das eine Mal mit der Ziege..."


Jetzt schaute Dara eher zweifelnd. Entweder an Heather's Worten oder an ihrem Verstand.


"Wenn ich eins daraus gelernt hab, dann, dass man sich selbst treu
bleiben muss. Wenn du etwas erlernst, etwas an dir veränderst oder dich
anpasst, dann mach das nicht für jemand anderen. Selbst wenn du ihn
dadurch rumkriegst, am Ende endet das nur in Kummer und Schmerzen. Das
ist dein Leben, und die einzige Person der du dein ganzes Leben lang
gefallen musst, bist du selbst. Immerhin musst du dich ja jeden Morgen
im Spiegel betrachten mh?"


Dara löste sich etwas aus ihrer Schockstarre. Heather war anders als
alle die sie vorher getroffen hatte. Sie hatte zwar schon öfters mit ihr
geredet, aber nie länger als fünf Minuten. Sie hielt sie für
oberflächlich, kindisch und unreif. Für so tiefgründig hatte sie sie nie
gehalten. Sie schien ihre Persönlichkeit nach außen zu tragen. Sie trug
zwar ein Kostüm und eine Clownsschminke, aber im Gegensatz zu den
anderen Menschen trug sie keine Maske.


"Ich weiß nicht... ich glaube nicht, dass ich mir besonders gefalle..." murmelte sie leise.


"Och, mir gefällst du. Du siehst aber meist recht traurig aus, ich würd
dich am liebsten packen und so lange durchkitzeln bis dir dein Bauch vor
Lachen wehtut." sagte Heather und stubbste Dara leicht in die Seite.
Dara kicherte und windete sich leicht weg von dem Stubbsen.


"Du bist doof." sagte sie kichernd.


"Und du bist niedlich wenn du lachst." erwiderte Heather grinsend.


"Ach, hör auf."


"Doch doch, ich könnt dich jetzt knutschen."


Dara sah sie an als wär sie nicht ganz bei Trost. "Du willst mich doch nur är..."




Weiter kam sie nicht, weil Heather ihre Lippen mit den eigenen
verschloss. Ihr Kuss schmeckte nach Schminkfett und Kirsche, war dabei
aber so zärtlich als würde Dara ihre Lippen um Seide wickeln. Sie spürte
Heather's Zunge die sacht gegen ihre Oberlippe drückte und fühlte dabei
ein Prickeln das ihr durch den ganzen Körper fuhr. Viel zu schnell
lösten sich ihre Lippen wieder und Dara starrte Heather eine ganze Weile
an wie ein Reh in eine Jagdflinte. Heather grinste nur und wischte ihr
etwas Schminke vom Kinn. Dann klappte sie ihr den Mund zu.


"Was ist? Was hast du?" fragte sie nach einer Weile, als Dara sie immernoch anstarrte.




"Das... das war mein erster..."




"Oh Scheiße, hast noch nie vorher wen geküsst? Schätzchen, da hast du was verpasst. Aber nichts was man nicht nachholen könnte!"


Heather grinste. Dara starrte weiter.


"Ach jetzt komm, das war nur ein Kuss! Ich weiß man stellt sich immer
vor, das erste Mal müsse magisch sein und was besonderes. Aber ich
verrat dir was: Ist es nicht. Das dritte oder vierte Mal, wenn mans
richtig draufhat, DAS ist klasse!"




Dara sah zur Seite weg und errötete leicht. Heather schien das eher zu gefallen.


"War'n bisschen zu viel für dich, was? Na wenigstens versinkst du jetzt
nicht mehr in Selbstzweifel. Du denkst einfach zu viel. Na komm, ich
weiß das perfekte Rezept gegen Liebeskummer!"


Heather stand auf und half Dara auf die Füße, legte den Arm wieder um ihre Schulter und führte sie mit sich.




"Ich mach dir heiße Schokolade und ein Käsesandwich! Und dann erzählst du mir, warum du immer so traurig bist."




Dara hatte an diesem Abend nicht ihre große Liebe gefunden.


Aber dafür eine beste Freundin.


1323 NE




"Warum bist du eigentlich Harlekin geworden?" wollte Dara eines Tages
von Heather wissen. "Ich meine klar, du hast eine sehr ausschweifende
Persönlichkeit, aber warum die Bühne, warum vor allen zum Affenmachen?"


Heather lächelte nur auf die Frage hin.


"Man kann die Leute mit Akrobatik verzaubern. Sie mit Tricks zum Staunen
bringen oder mit halsberecherischen Manövern zum Mitfiebern. Sie sind
begeistert, klatschen wild Applaus. Aber was nehmen sie davon mit? Die
Verzauberung endet, sobald die Akrobatin die Bühne verlässt. Das Staunen
wird nur zu einem leisen Wispern und der Frage "Wie hat der das
gemacht?". Und das Mitfiebern ist vorbei, sobald der Künstler sicher auf
dem Boden landet. Aber Lachen. Lachen ist viel mächtiger. Humor kann
Grenzen sprengen und macht auch nicht vor Königinnen und Adligen Halt.
Und ein Lachen das von Herzen kommt erleichtert die Seele. Lachen macht
frei. Humor ist die mächtigste Waffe die man einsetzen kann."




Ja das stimmte. Es erleichterte die Seele. Dara hatte die vergangenen
Jahre sehr viel Zeit mit Heather verbracht. Sie teilten ihr Essen, sie
teilten Leid und Freud, gehässige Sprüche gegen Emma und geheucheltes
Mitleid mit Aaron. Und manchmal teilten sie auch das Bett. Und Heather
brachte Dara andauernd zum Lachen. Die Kunststückchen die sie von Emma
und Aaron gelernt hatte kamen Dara auch zu Gute. Sie verfremdete sie
etwas und baute sie mit in die Schau ein, eine Mischung aus
Situationskomik, klassischem Clowns-Humor, Zaubertricks die nach Hinten
losgingen und Akrobatik, bei der immer was schief lief. Sie trat
zusammen mit Heather auf und hatte sich auch Zöpfe gemacht, das Gesicht
geschminkt und trug Kostüme die immer farblich zu denen von Heather
spiegelten. Oft zeigten sie auch mal Bein und versuchten das (männliche)
Publikum zu verführen indem sie sich gegenseitig erotische Annäherung
vortäuschten - bis von irgendwoher eine Torte geflogen kam, ein
Blumentopf auf Heathers Kopf zerbrach (kein echter) oder etwas anderes
danebenging und die Stimmung ruinierte. Sehr zur Erheiterung des
(weiblichen) Publikums.


Und auch Dara lernte so, andere zum Lachen zu bringen. Dass man nie über
etwas trauern sollte, weil es zuende war, sondern sich freuen sollte,
dass es passiert ist.




Sie waren ein gefeiertes Duo in der Manege und Dara wurde regelrecht
süchtig nach der Anerkennung. Zum Glück holte Heather sie auch immer
wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Meist indem sie die
erotischen Annäherungen die auf der Bühne ins Leere liefen hinter der
Bühne fortsetzten.




Jedoch sollte ihr lieblicher Abend eines Tages unsanft unterbrochen
werden, als sie an einer Randsiedlung nahe Shaemore ihre Zelte
aufgeschlagen hatten. Ein grausiger Schrei gefolgt von dem Ausruf
"ZENTAUREEEN!" riss die beiden aus ihrer Zweisamkeit. Gefolgt von
entfernten Hufen und dem Krachen von Metall.


"Schnell zu den Wagen" rief Aaron ihnen zu, als sie panisch aus dem Zelt kamen.


Lange Pfeile bohrten sich neben ihnen in den Matsch. Schwerter klirrten
und alles um sie herum verlor die Umrisse. Sie mussten es nur zu den
Wagen schaffen, dort waren sie sicher. Sie rannten und rannten. Dara
roch Rauch, vermutlich brannten Zelte. Menschen schrieen. Sie sah ein
paar Seraphenwachen vorbeirennen. Dann rückten die Wagen in Sicht, die
im Halbkreis aufgestellt waren. Aaron blieb in der Mitte stehen und
koordinierte die eintreffenden Leute, so dass sie in und unter den Wagen
Zuflucht suchen konnten. Auch Dara und Heather wurden zu einem der
Wagen dirigiert. In diesem Augenblick empfand Dara Bewunderung für
Aarons Mut und den kühlen Kopf den er bewahren konnte.


Im nächsten Augenblick blieb sie schockiert stehen als ein Zentaure heranstürmte und seinen Speer durch Aarons Brust jagte.




"AAROOOON!" schrie Dara erschüttert während Heather an ihrer Schulter zerrte. "Komm rein, Dara... komm!"


Doch Dara sah nur die drei Zentauren an, die durch die Reihen der
Soldaten durchgebrochen waren. Einer legte Feuer an einem Zelt, der
zweite hatte einen Mann umgeworfen und zertrat sein Gesicht mit den
Hufen. Der dritte zog seinen Speer aus Aarons Brust sodass dieser leblos
zusammensackte und drehte sich zu den Wagen um.


Dara ballte die Fäuste. Ihr Schatten umhüllte ihre Gestalt wie ein
dunkler Umriss, als sich ihre Magie aufbaute. Sie zog ihre Dolche.


"Dara, was machst du denn?!" rief Heather zu ihr. Dara hatte ihre Magie
heimlich weiter trainiert, Heather wusste nichts davon. Sie wollte
nicht, dass sie sie am Ende fürchtete. Sie hatte ihr auch nichts von
Malakai erzählt, den sie noch immer in der Tasche mit sich rumtrug, oder
von dem Fleischgolem. Das waren Dinge, die sie niemandem erzählen
wollte und konnte.


"Steig in den Wagen." sagte Dara ruhig. Der Zentaure mit dem Speer
schien ihre Entschlossenheit zu wittern. Er verzog das Gesicht zu einer
zornigen Grimasse, starrte Dara an. Er hob den Speer und warf ihn.




Er durchbohrte Dara damit einmal quer durch bevor er im Boden stecken blieb. Heather schrie auf.


Doch Dara war gar nicht mehr da. Nur ein schwarzer Schatten war an ihrer
Stelle, als sie sich durch die Spektralebene bewegte und neben den
Leichen von zwei Soldaten wieder materialisierte. Erstaunt wandte der
Zentaure seinen Kopf um als Dara ihre Hände nach den Leichen streckte.
Der Zentaure knurrte und lief los um seinen Speer zu holen, währen die
Knochen und das Fleisch der Soldaten begann sich zu verformen. Es
knackte und knirschte und während der Zentaure seinen Speer anhob und
wendete, erhob sich ein Knochenteufel neben ihr, ein Wesen in
Verschlinger-Gestalt. Die andere Leiche formte sich zu etwas Wurmartigen
und wühlte sich gleich unter die Erde.




Erhobenen Speeres stürmte der Zentaure auf Dara zu, welche die Dolche
vor sich hielt und einen Zauber vorzubereiten schien. Der Knochenteufel
begann mit Knochensplittern nach dem Zentauren zu schießen. Einige
trafen seine Flanke, andere lenkte er mit dem Speer ab. Einen bekam er
in die Schulter und schien dadurch nur noch wütender zu werden. Er hob
den Speer und schien ihn erneut nach Dara werfen zu wollen, kurz bevor
er bei ihr war. Doch dann hob Dara den Arm und im selben Moment bohrte
sich der Fleischwurm aus dem Boden, direkt unter dem Zentauren und
rammte seine Knochenkiefer tief in den ungeschützten Bauch des
Zentauren. Dieser Schrie auf, strauchelte und stürzte im vollen Galopp,
es krachte und er begrub den Wurm zwar unter sich, brach sich dabei aber
auch ein Bein und schlidderte tosend bis kurz vor Dara's Füße. Er hob
den Speer um Dara einen letzten Stoß zu versetzen, doch auch der war im
Sturz gebrochen und so streckte er ihr nur einen abgebrochenen Stiel
entgegen. Dara brüllte auf und rammte dem Zentauren ihren Dolch in die
Kehle, welcher gurgelnd verreckte. Was den andren beiden Zentauren
jedoch nicht entging.


Der eine hob sein Schwert, der andere seine Fackel und beide galoppierten unter wildem Kriegsschrei auf die Wagen zu.


Mit dem Blut des Zentauren ritzte Dara einen Kreis vor sich und dessen
Leiche in den Boden, während der Knochenteufel auf den anderen zurannte.


Und während der Zentaure mit der Fackel mit dem Knochenteufel
beschäftigt war, begann Dara eine erneute Beschwörung. Knochen krachten
erneut, als der Leichnam des Zentauren begann sich zu verformen.


Der Zentaure mit dem Schwert kam bei Dara an und wollte angreifen, doch
als er den ersten Huf in den gezeichneten Kreis setzte, leuchtete das
Zeichen des Schnitters auf und verursachte eine Todesangst bei ihm.


Dara hatte Schwierigkeiten den Fleichgolem zu beschwören. Nicht weil sie
die Magie nicht beherrschte. Sie hatte nur Angst davor, dem Monster aus
ihrer Kindheit erneut gegenüberzustehen. Doch sie musste sich ihrer
Furcht stellen.


Genau das, was auch der Zentaure tat. Er überwandt seine anfängliche
Verwirrung, bäumte sich auf und schlug mit dem Schwert nach Dara.


Überrascht wich sie zur Seite, wurde aber an der Schulter erwischt. Sie
bemühte sich, weiter auf die Beschwörung zu achten und konnte daher
nicht allzuweit ausweichen. Sie zuckte zurück, bekam einen Schlag in die
Seite, strauchelte. Blutend taumelte sie zurück. Der Zentaure,
siegessicher, stieg über die Leiche seines Kameraden welche bereits
völlig verzerrt war und hob das Schwert um es auf Dara's Kopf
niederfahren zu lassen.


Doch im letzten Moment wurde er von einem riesigen Fleischberg in die
Seite gerammt, Knochenhörner und Zangen bohrten sich in seine Flanke,
als der Fleischgolem sich erhoben hatte und sofort zum Angriff überging.
Wie wild hackte der Golem auf den Zentauren ein, kassierte dabei aber
auch heftige Schläge mit dem Schwert.


Dara humpelte näher als der Golem den Zentauren schließlich zu Fall
brachte, richtete ihre Hand auf den am Boden liegenden und entzog ihm
mit nekrotischer Magie die Lebenskraft, um sich selbst zu heilen.




Der Kampf war vorüber, als der Zentaure langsam sein Leben aushauchte
und Dara's Wunden begannen sich zu schließen. Sie humpelte in Richtung
der Wagen und Heather kam auf sie zugelaufen.


"Dara, Schätzchen! Bist du verletzt?!" rief sie und nahm ihre Freundin
in Empfang. Dara fiel erschöpft in Heathers Arme. Diese drückte sie
sacht und hielt sie an sich, bevor sie sie auf Armeslänge von sich
hielt.


"Dara, das war unglaublich! Die Zauber und die Viecher und das alles!
Warum hast du nie erzählt dass du sowas kannst?" rief Heather
begeistert.


"Naja, ich wollte nicht dass du denkst ich wäre ein Freak..."


Heather lachte. "Das hier ist der Zirkus. Wir sind doch alle Freaks."


Traurig blickte Dara zur Leiche von Aaron. "Und jetzt ein paar weniger..."


"VORSICHT!" schrie Heather entsetzt.




Sie hatten den dritten Zentauren vergessen. Doch dieser nicht sie. Er
hatte den Knochenteufel besiegt, auch wenn in seiner Seite
Knochensplitter steckten. Er hatte den Fleischgolem niedergeschlagen
weil dieser nun untätig herumstand, als Dara ihm keine Befehle mehr gab.
Er hatte sich das Schwert seines gefallenen Kameraden genommen und
stand nun hinter Dara und stach zu.




Heather schubbste Dara im letzten Moment beiseite. Und wurde von dem Schwert durchbohrt.




"Neeeeeiiiin" schrie Dara erschüttert als sie sah wie Heather
zusammensackte. Knurrend zog der Zentaure das Schwert aus dem Bauch des
Harlekins. Er hatte die falsche erwischt und drehte den Kopf zu Dara.
Doch diese hob die Hand und zeichnete erneut all ihren Hass und ihren
Frust in ein Zeichen in der Luft. Das Siegel der Bosheit.




Der Zentaure machte einen Schritt auf Dara zu, doch seine Hufe knickten
ein. Blut rann ihn aus Mund, Augen und Nase. Er keuchte und schnappte
nach Luft, ließ das Schwert fallen und fasste sich ins Gesicht, als
seine Augen die Sicht verloren. Dara sprang ihn an, Dolche erhoben und
rammte ihm beide in die Brust. Und wieder und wieder und wieder und
wieder, bis sie voll war mit Zentaurenblut und der Zentaure leblos am
Boden lag.




Dann ließ sie die Dolche fallen und stürmte zu Heather, bettete ihren Kopf auf ihrem Schoß und drückte ihre Hände auf die Wunde.


"Heather... nein..." flehte sie leise, doch die Wunde war tödlich.
Heather blickte zu Dara auf und lächelte sacht, legte ihr die Hand
schwach an die Wange.




"Nicht... weinen... Honigmäulchen... zeig.... zeig mir dein Lächeln..."
flüsterte Heather schwach. Dara zwang sich zu einem Lächeln und Heather
erwiderte es.


"So ist gut... beweine... nicht meinen Tod.. sondern feiere... mein
Leben..." Sie würgte etwas Blut hervor. "H... hör... nie auf.... ... zu
lachen..."




Sie schloss die Augen. Für immer.




Dara sackte zusammen, drückte ihre tote Freundin an sich und weinte so herzzereißend wie nie zuvor.






1324




Ein Jahr später lief Dara Bentlin über den Friedhof. Stumm las sie die Namen auf den Gräbern der Opfer des Zentaurenangriffs.




Lavey Grey.


Jason Gettsby.


Milo Finnegan.


Lee Hemmingworth.


Thomas Meier.


Aaron Eugene Quinn.


Heather McCasey.




Sie legte Blumen auf das Grab des Mannes, der ihre erste heimliche Liebe war, und der im Angesicht des Todes Mut bewiesen hatte.


Sie legte Blumen und ein paar bunte Federn auf das Grab der Frau, ihrer
lieben Freundin, die ihr wieder beigebracht hatte zu lachen und der sie
ihr Leben verdankte.


Sie war jetzt eine andere Frau. Sie konnte nach dem was geschehen war
nicht beim Zirkus bleiben. Aber sie hatte gelernt, dass der Tod seine
Schrecken verlor, wenn man wusste dass derjenige auf der anderen Seite,
in den Nebeln bei Grenth es gut hatte und wenn man sich an die schönen
Momente erinnerte die man miteinander verbracht hatte.


Das Leben war ein Geschenk, das man wertschätzen musste. Und man musste
es auskosten, denn irgendwann war es vorbei. Es war Zeit nicht länger in
der Vergangenheit zu leben. Zeit der Welt die Freuden des Lebens zu
zeigen um die schwierigen Zeiten zu überwinden.




Sie lächelte sacht und ging hinüber zu den Gräbern ihrer Familie. Sie
hatten alle einen großen, gemeinsamen Grabstein bekommen. Allein ihr
Vater Dimitri lag woanders auf einem Militärfriedhof. "Hier ruht Martha
Bentlin, liebende Mutter und sanfte Seele, die an den Schmerzen der Welt
zerbrach, und ihre geliebten Engel. Restin Bentlin. Lasloe Bentlin.
Kemi Bentlin."




Dara legte Blumen auf das Grab, sowie eine selbstgeschnitzte kleine
Ratte aus Holz. Martha hatte Rattengift benutzt und Dara fühlte sich als
die Ratte, die überlebt hatte, nicht länger als Opfer.




Dann nahm sie eins ihrer Messer und ritzte etwas in den Grabstein, unter die Namen ihrer Brüder.




"Hier ruht Martha Bentlin, liebende Mutter und sanfte Seele, die an den Schmerzen der Welt zerbrach, und ihre geliebten Engel.


Restin Bentlin.


Lasloe Bentlin.


Kemi Bentlin.


Dara Bentlin."




Dara Bentlin war tot. Sie war damals an dem Rattengift gestorben und nun zu etwas neuem geworden.




Sie lächelte eine Weile, bevor sie aufstand und die Stufen hinab ging.
Dort unten bei den Gräbern sah sie ein junges Mädchen, vielleicht 15, 16
Jahre alt, auf den Stufen neben einem Grab sitzen. Sie hatte die Hände
vors Gesicht geschlagen und weinte bitterlich.


Sie setzte sich neben das Mädchen, wortlos, legte den Arm um sie und drückte sie sacht an sich.




Das Mädchen weinte weiter und erst nach einer Weile fiel ihr die Wärme
und Nähe auf, und der Duft nach Schminkfett, Mandeln und Honig. Sie hob
den Kopf und blickte in das Gesicht einer jungen Frau mit leuchtenden,
amethystvioletten Augen und zu Zöpfen gebundenem, rabenschwarzen Haar.


Sie trug ein schwarzrotes Kleid mit vielen Rüschen und Spitzen und einen
silbernen Kragen aus buschigen Federn. Ihr Gesicht war geschmikt mit
einem breiten Lächeln und roten Zeichen über den Augen und blickte sie
mitfühlend an.




"Wer bist du..?" wollte das Mädchen wissen.




Und die Frau antwortete.




"Ich bin Heather. Heather Quinn."






- Fin -


The one who puts the "laughter" in "slaughter"
And the "fun" in "funeral"!


Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Nationalismus keine Alternative, sondern eine Katastrophe ist.