Ein neuer Tag
Das Licht fiel in dünnen Strahlen durch das offene Fenster und sprenkelte den Boden in warmen Kupfer und Gold. 'Sie' hatte es geöffnet um den Geruch von Blut und Schweiß und anderen Dingen aus dem Zimmer zu vertreiben. Nun roch es nur noch nach dem Salz der See und ganz schwach nach dem, was hier geschehen war.
Sie fühlte sich so müde wie schon lange nicht mehr. Langsam drehte sie den Kopf und versuchte ihren Fokus zu taxieren. Dabei blinzelte sie träge. Sie erinnerte sich noch vage an Schmerz. Und doch war da kaum noch ein schreckensgleicher Impuls in ihr. Da war nur noch Stille und Freude.
Ihre Blicke trafen sich. Er saß neben dem Bett und hielt ihre Hand. Etwas bleich sah er aus. Sie erinnerte sich ganz dünn daran, dass sie ihn irgendwann, mitten drin, nach unendlichen Stunden, nur noch verflucht hat. Vor allem das zwischen seinen Beinen.
Und er hatte nur ihre Hand gehalten. Stumm, wie ein Fels und schreckensstarr. Voller Angst, weil sie so litt und er nichts tun konnte. Entsetzt, als all das Blut kam. Ängstlich, als es sich Stunde um Stunde hinzog und nichts passierte.
Sie hatte angenommen, dass er irgendwann den Raum verlassen würde. Mit den Hunden gehen. Etwas essen, oder trinken. Sich BEetrinken. Doch nichts dergleichen ist geschehen.
Immer wenn sie hingesehen hat, traf ihr Blick auf seinen. Und seine Augen sprachen ihr Mut zu, wo er selbst langsam zu zweifeln begann.
Nun war es vorbei. Und 'sie', die Amme, war im Nebenraum. Man hörte sie hantieren. Waschen. Stofflagen wickeln. Zurück kam sie mit dem kleinen Leben in ihrem Arm. Ein Bündel, unheimlich winzig. Versinkend in all dem Tuchwerk. Und doch entlockte es Khea ein Grübchenschmunzeln, als sie es sah. Die Amme reckte die Arme und wollte es der Mutter reichen. Doch Khea lehnte ab.
Sie hat seinen enttäuschten Blick gesehen, als die Hebamme nach dem Akt, die Nabelschnur durchschnitt und einfach mit dem krächzenden Leben im Bad verschwand, als sei er gar nicht da. Sie sah die eifersüchtige Wacht in seinen Augen und den Unmut, dass er nicht nachgehen konnte. Aber Khea allein lassen, dies schien er auch nicht zu können. So war er bei ihr geblieben, während sie sich seufzend erholte und schwer nach Atem schröpfte.
Nun aber, da sie ablehnte, verstand die Amme und sie legte dem Mann das fragile Bündel umsichtig in die Pranken. Dabei murmelte sie knappe Anweisungen.
Leo sah aus, als würde ihm gleich schlecht werden. Als hätte er es sich plötzlich anders überlegt. Er umfasste das Bündel, als wäre es aus dünnstem Glas und seine Augen flatterten voller Scheu und Angst zu ihr. Unsicherheit.
Doch Khea lächelte ihn nur an und nickte.
Und dann sah er hinab auf das Bündel und die Löwin atmete schwer auf, als sich in seinen Zügen etwas ausbreitete. Etwas, dass sie wissen ließ, dass dieser Mann für sie und dieses kleine Leben in seinen Armen jederzeit das Eigene geben würde. Ein Band wurde geknüpft als seine dunklen Augen auf das faltige Bündel in seiner Armbeuge hinab glitten. Eine winzige Hand umfasste träge, blind grabschend die Kuppe seines kleinen Fingers. Zu mehr reichte es noch nicht.
Leos Tochter hielt sich an ihm fest, wie ein kleiner Affe. Und schlief mit einem schrägen Gähnen wieder ein, ohne los zu lassen. Sie schlief, ohne dass er etwas sagen, oder tun musste. Es war einfach sein Herzschlag, der sie in den Schlaf gewogen hatte.
Kheas Züge verzogen sich friedlich. Das Bildnis in sich aufnehmen. Bis jetzt dachte sie, sie wüsste alles über die Liebe. Aber was sie hier sah, war so viel mehr. Ihr Mann, vom frühen Morgenlicht beschienen, im Arm das Kind. Nur kurz sah er unsicher zu ihr, als frage er, ob sie nicht jetzt halten wolle. Doch sie lässt ihm noch diesen Moment. Sie hatte die Kleine zehn Monate unter ihrem Herzen. Nun war er dran. Nun war es an ihm das Band zu knüpfen. Keinen Tag liebte sie ihn mehr als heute.
„Sie ist wunderschön...“ Seine Stimme brach und wurde leiser.
Khea nickte. Grinste ihr Grübchenlächeln.
„Klar. Sie ist ja auch von uns!“
Kommentare 1