“Es heißt, dass es in der Südlichtbucht eine Insel gibt. Also, die Insel gibt’s wirklich, das sagt man nicht nur so. Sie gehört zu ´nem Atoll, nem ziemlich weitläufigen – größtenteils Felsen, Sand und so scheiß Karkaviecher. Aber auf dieser einen Insel, da gibt’s Grün. Viel Grün. Kokospalmen, Mangobäume, sprudelnde Süßwasserquellen, satte Sandbänke voller Muscheln und Korallen, und Fischschwärme so groß dass ein Dreimaster sich darin verfahren kann.“
Viktoria leckte sich über die spröden Lippen. Ihre Finger, krebsrot und sich pellend, schlossen sich um einen Steingutkrug den sie anhob und an die Lippen führte. Kurz, bevor er ihre Lippen berührte hielt sie inne und fügte auf das Gelächter am Tisch an:
“Gibt’s wirklich. Kein Scheiß. 's meiste in der Südlichtbucht is echter Scheiß, aber die Insel is‘ 'n Geschenk der Götter.“
Nun endlich setzte sie den Krug an und trank zwei Schlücke vom Grog, ehe sie den Krug wieder auf dem Tisch absetzte. Sie schmatzte, und fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen, die feuchten Rumspuren dabei verwischend.
“Jed’nfalls, 's heißt, dass es spukt. Aber das stimmt nich‘ sach‘ ich euch. Das stimmt nich‘. Ich hab’s geseh’n. Ich hab’s gehört. 's war irgendwann im letzt’n Herbst. Ich war mit Käpt’n Strohbart auf See, und wir wollt’n die Südlichtbucht ausräumen. Also das, was übrig war halt. Das eine oder andere Handelsschiff was da rumgegurkt is‘ um Obst in die Städte und hübsche, reiche Fräuleins und ihre Stecher an die Strände zu verschiff’n überfall’n und so. Jed’nfalls, wir segeln so am Atoll entlang und wollt’n die Insel eigentlich meid’n. Wir kannt’n die Geschicht’n ja. Angeblich hört man Nachts die Toten schreien weil ihnen die Karka die Haut von’n Leibern gefress’n ham. Aber wir ham was anneres gehört. Was viel schlimmeres. Ich sach’s euch.“
Wieder folgte ein Schluck Grog, begleitet von einem Blick entlang der speckgesichtigen Saufkumpanen an ihrem Tavernentisch. Der Krug setzte zwischen Dolchnarben und vertrockneten Spritzern deren genaue Herkunft vermutlich niemand so recht wissen wollte, auf dem Tavernentisch auf.
“Erst wars nur ganz leise. Wie ein schiefes Wimmern, entfernt un‘ irgendwie komisch. Hat sichn bisschen angehört wie’n Köter dem man die Klöt’n abgesäbelt hat. Als wir näher kamen hab’ch 's Fernglas ausgepackt und ma‘ geguckt.“
Sie machte große Augen und blickte aufgeregt wie ein zoophiler Schäfer in ihre Schäfchenrunde.
“Un‘ wenn mir noch einer’n Grog spendiert, erzähl ich auch weiter.“
„Boah, Vicky eh.“ Stöhnten zwei gleichzeitig, ein dritter lachte. Irgendjemand erbarmte sich schließlich, um der Geschichte willen, und blökte ein „FÜNF GROG!“ zum Wirtsmann, sodass Viktoria sich zufrieden lächelnd nach vorne neigte. Während der Grog schwappend aufgetischt wurde, hob sie beide Hände um eine große, runde Kugel anzudeuten – sehr zur Freude ihrer Tischkumpanen, die dabei eine nette Ansicht zwischen Korsage und Weste zu sehen bekamen.
“SO ein Ding.“
„Hä? Ein jammernder Schwanz?“ Es klatschte, als jemand dem Fragenden eine Hand ins Gesicht schlug. „Schnauze du Trottel!“
“Ernsthaft. Da sitzt da, auf diesem riesen Felsen, so eine fette Klopskuh von Sirene. So ein dicker Brecher-„ Sie blies die Wangen auf und imitierte ein dickes Speckgesicht “…und heult sich da die Seele aus dem Leib. Ich weiß garnich‘ ob die singen wollte oder ob die geheult hat weil sie so ‚ne hässliche Fettkuh war. Alter ich sach’s dir. Über dem Walschwanz mindestens fünf dicke Schwabbelspeckrollen und solche Eumel-Möpse. Solche Dinger, ey.“
Sie stimmte hässlich lallend in das allgemeine Gelächter ein.
“Das spukt da voll nich‘, das is einfach nur n einsamer dicker Schwabbelfisch der versucht zu singen. Total verführerisch, ey. Wir ham ihn den Speckfischfels’n getauft. Das gute is-„ meinte sie schließlich, und zog ihren frischen Krug zu sich heran “…dass die Südlichtbucht mit der Heulboje vorne dran sicher keinen Leuchtturm braucht. Dem Geheule geht ja jeder freiwillig aus’m Weg und macht’n weit’n Bog’n drum.“
„Wenn ich gewusst hätte wie du heulst wenn man bei dir einschifft wenn du besoff’n bis‘, hätt ich auch’n Bog’n um dich gemacht!“
“Ach halt’s Maul. ‚ch weiß was ich geseh’n hab.“
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